Wir meinen, daß unsere Verträge, transparent sind"

CW-Gespräch mit dem IBM-Leasingchef Christian Neuhofer

02.11.1990

Nachdem die IBM Corp. gegen Ende der siebziger Jahre aus dem DV-Mietgeschäft ausgestiegen war, trat sie lange Zeit ausschließlich als Anbieter von Kaufkontrakten auf. Erst 1984 entschloß sich Armonk, ins Leasinggeschäft einzusteigen: teilweise mit rechtlich unabhängigen Companies, teilweise - wie in Deutschland - in Form von Leasing-Geschäftsbereichen. Wenn auch keine verläßlichen Angaben über den Anteil Big Blues am Leasingmarkt vorliegen, so ist doch gewiß, daß sich die IBM zu einem der größten Anbieter, wenn nicht zum Markführer in der DV-Leasingindustrie entwickelt hat. Mit dem Leiter des Unternehmensbereiches Finanzierungsgeschäft bei der IBM Deutschland GmbH, Christian Neuhofer, sprachen die CW-Redakteure Dieter Eckbauer und Heinrich Seeger.

CW: Die unabhängigen Leasingbieter in Deutschland liegen am Boden; das geht aus Schilderungen von Branchenvertretern hervor.

Neuhofer: Unterhalten Sie sich doch mal mit Unternehmen der Leasingbranche oder lesen Sie Verbandsveröffentlichungen, dann erfahren Sie andere Dinge.

CW; Es war offensichtlich das Ziel der IBM, diesen Markt auszutrocknen, zu kontrollieren, und die IBM hat dieses Ziel erreicht. Führende Branchenvertreter bestätigen das, wenn es sich nicht gerade um offizielle Verlautbarungen auf Verbandsebene handelt.

Neuhofer: Es geht uns nicht darum, einen Markt zu kontrollieren. Als die IBM Ende der 70er Jahre aus dem Mietgeschäft herausgegangen ist, hat sie einen am Markt vorhandenen Bedarf vernachlässigt: Zumindest am oberen Ende ist es so, daß nur 30 Prozent der Maschinen gekauft werden, der Rest wird gemietet oder geleast. Keine Frage: In diese Marktlücke ist die Branche der freien Leasinganbieter vorgestoßen.

Wenn wir uns auf die Fahnen schreiben, das kundenfreundlichste Unternehmen zu werden, dann tun wir gut daran, den Bedarf unserer Kunden zu befriedigen anstatt ihn zu vernachlässigen. Das war der alleinige Beweggrund für unser Unternehmen, Leasing anzubieten: der Marktmentalität gerecht zu werden.

CW: Es ist ein Vorteil für Sie, daß Sie ein Unternehmensbereich des Maschinenherstellers IBM sind. Deshalb erneut: Sie kontrollieren

Neuhofer: Wir kontrollieren den Markt nicht, sondern wir nehmen an ihm teil und bemühen uns, den Kunden die Angebote zu machen, die sie haben wollen.

CW: Die Unabhängigen beanspruchen für sich, die flexibleren Finanzierungsangebote zu machen, wenn es etwa um Equipment-Tausch, Memory-Nachrüstung oder andere Upgrades geht. Dennoch ist der IBM-Leasingbereich innerhalb von sechs Jahren von Null in eine marktbeherrschende Position hineingewachsen. Wäre das ohne den Vorteil der Zugehörigkeit zum IBM-Konzern Oberhaupt möglich gewesen?

Neuhofer: Dazu muß man unsere Organisation erläutern. Unser Geschäft wird zwar im Rechtsmantel der IBM Deutschland abgewickelt, jedoch arbeiten wir wie ein separates Profit-Center. Im IBM-internen Verkehr zahle ich also für meine Maschinen den gleichen Kaufpreis wie ein externer Kunde oder ein dritter Leaser. Wir müssen als Profit-Center ja aus dem Leasing-Vertrag heraus profitabel arbeiten, mit dem Hardware-Profit hat das nichts zu tun.

CW: Es bleibt dabei: Als IBM-Teil haben Sie zum Hersteller nicht das gleiche Verhältnis wie ein Außenstehender. Wenn Sie behaupten, daraus keine Vorteile ziehen zu kennen: Warum ist das Finanzierungsgeschäft dann noch ein Teil der IBM Deutschland und keine unabhängige Company?

Neuhofer: Wir haben das bisher nicht gemacht, weil die Steuerkonsolidierung in USA es nicht sinnvoll erscheinen läßt.

CW: Trotzdem ist doch klar, daß der IBM-Geschäftsbereich Finanzierung bezüglich der Übernahmekonditionen für IBM-Equipment nicht so behandelt wird wie ein außenstehendes Unternehmen, wie ein Wettbewerber also.

Neuhofer: Lassen Sie mich versuchen, Ihnen das Gegenteil nachzuweisen. Wie gesagt: Ich übernehme erstens die Maschine zum gleichen Einstandspreis wie meine Konkurrenten.

CW: Wer kann das nachprüfen?

Neuhofer: Wir haben eine separate Gewinn- und Verlustrechnung, die wir offenlegen können. Dem Kartellamt haben wir sie offengelegt, und es ist uns dort bestätigt worden. Zweitens: Die Kosten meiner Organisation, sowohl dedizierte Kosten als auch die Leistungen, die ich von meiner Quasi-Muttergesellschaft in Anspruch nehme, kaufe ich ein. Sie gehen als Kostenelemente in meinen Finanzierungspreis ein. Außerdem gehen meine - kalkulatorischen - Zinsen ein; im Moment ist die IBM noch in der Lage, das Leasinggeschäft aus der eigenen Bilanz zu finanzieren, aber das wird sich relativ bald ändern, weil wir einen enormen Liquiditätsbedarf haben.

CW: Lassen Sie uns zum aktuellen Beispiel der 1390-Serie kommen. Nur die IBM weiß, was die Maschine überhaupt kosten wird, zumindest weiß sie es viel eher als jeder Dritte. Insofern wissen Sie es auch eher.

Neuhofer: Der Preis wird dem Kunden ja mitgeteilt genauso wie einem Leaser, der die Maschine kaufen will.

CW: Dürfen wir die offizielle Preisliste der 1390 mitnehmen?

Neuhofer: Die können wir Ihnen nicht mitgeben. Wir sagen Ihnen den Preis, wenn Sie eine kaufen wollen.

CW: Es gibt also keine Preisliste für die 1390?

Neuhofer: Es gibt keine Preisliste.

CW: Und dennoch sagen Sie, die unabhängigen Anbieter hätten die gleichen Konditionen wie der IBM-Bereich Leasing?

Neuhofer: Natürlich. Sie können den Preis ja jederzeit erfahren.

CW: Wenn ich Alternativen hab will, muß ich vorab Preise vergleichen. Bei Ihnen kriege ich keine, beziehungsweise nur auf Anfrage.

Neuhofer: Es gibt Angebote, die ihnen - oder einem unabhängigen Leaser - gemacht werden in dem Moment, wo Sie ein Maschine kaufen wollen. Selbst wenn ein unabhängiger dritte Leaser eine Maschine an eine Kunden verleasen und eine Orderübertrag machen will, um die Maschine zu finanziere dann wird ihm in diesem Orderübertrag der Preis genannt. Der Preis ist für jeden, der ihn haben will, verfügbar, und zwar konkret für jede Kundensituation.

CW: Informationen besagen, daß in USA 1390-Preislisten gibt.

Neuhofer: Das ist falsch.

CW: Gibt es Rabatte auf den Preis der einem Kunden anfangs genannt worden ist?

Neuhofer: Der Preis, den der Kunde bekommt, enthält die Rabatte bereits. In einem Orderübertrag vom Endbenutzer einen dritten Leaser bekommt dieser dann exakt den gleich Rabatt.

CW: Die Kunden bekommen unterschiedliche Rabatte ...

Neuhofer: ... denn sie nehmen unterschiedliche Mengen ab.

CW: Ein Preisvergleich ist letztlich nicht möglich, weil sich möglicherweise jeder Kunde bei IBM Sonderkonditionen erkämpfen kann.

Neuhofer: Diese Sonderkondtionen sind immer mengenabhängig; und wenn ein Leaser in diesen Vertrag einsteigen will, kann er es exakt zu den gleichen Konditionen tun.

CW: Ist es richtig, daß Sie ihren Kunden auferlegen, über die Konditionen im jeweiligen Einzelfall Stillschweigen zu bewahren?

Neuhofer: Nein, denn wenn wir das täten, könnten wir die Transparenz gegenüber den unabhängigen Leasern gar nicht herstellen.

CW: Diese Transparenz ist ja auch nicht vorhanden.

Neuhofer: Ich sage Ihnen: Sie ist da. Wir erlegen keinem Kunden irgendwelches Schweigen auf. Das wäre auch gar nicht durchzuhalten.

CW: Halten Sie es für möglich, daß wir auf genau einen solchen Fall stoßen, in dem ein Kunde uns sagt: Ich habe mit der IBM Stillschweigen vereinbart?

Neuhofer: Das liegt am Kunden, ob er Ihnen das sagt oder nicht. Wir fordern ihn nicht auf, Stillschweigen zu wahren.

CW: Obwohl Sie sagen, Sie müßten genauso kalkulieren wie die Unabhängigen, sind die Leasingverträge nicht gleich. IBM-Leasingkunden haben weniger Flexibilität als die Kunden dritter Leaser. Beispiel: Sie gestatten Ihren Kunden kein Sublease an dritte.

Neuhofer: Wir sagen in unseren Verträgen nicht, daß wir kein Sublease zulassen, sondern wir behalten uns die Zustimmung oder Ablehnung vor. Das hat folgendem Grund: Solange das Subleasing innerhalb Deutschlands passiert, haben wir Oberhaupt nichts dagegen. Wenn es über Ländergrenzen hinweggeht, muß in einem Drittland eine Finanzierung zu anderen Zinskonditionen als den von uns ursprünglich kalkulierten stattfinden. Auch die Steuergesetze sind womöglich anders als in Deutschland - es gibt nicht überall Leasingerlasse. Wir wollen sicher sein, daß wir im Subleasing-Fall nicht gegen Steuergesetze in anderen Ländern verstoßen. Darum behalten wir uns die Zustimmung vor.

Wenn unser Kunde ein Subleasing in einem anderen Land machen will, kann er aus dem hier gültigen Leasingvertrag aussteigen. Das geschieht beispielsweise so, daß die noch ausstehenden Raten und der Restwert abgezinst werden und zunächst fällig bleiben. Dagegen wird ihm der Marktwert gutgeschrieben, den die Maschine zum Zeitpunkt des Ausstiegs hat. Er hat also über die Laufzeit nur den Marktwert-Verfall der Maschine gezahlt.

CW: Der Marktwert und der Restwert einer Maschine werden maßgeblich beeinflußt durch die Ankündigungspolitik des Herstellers.

Neuhofer: Unter anderem. Eine Restwert-Kalkulation besteht aus vier Elementen, für uns wie für die Unabhängigen. Erstens: Welches Preis-Leistungs-Verhältnis wird die Maschine bei Vertragsende haben? Zweitens: Welches Preis-Leistungs-Verhältnis bringen die Hardware. Mitbewerber auf den Markt? Drittens: Wie wird der Markt mit den jeweiligen Maschinen penetriert sein? Schließlich, und hier bewegen wir uns schon nahe an der Spekulation, müssen wir die Währungsrelationen berücksichtigen: der Gebrauchtmaschinen-Markt ist ja international. Die drei ersten Elemente versuchen wir, weltweit in unseren Labors in der Tat planerisch zu erfassen. Sie werden nicht allein von der IBM bestimmt, sondern von allen Hardware-Mitbewerbern beeinflußt.

CW: Mit der 1390 stehen Sie am Beginn einer neuen Rechnergeneration. Aus der Sicht eines unabhängigen Leasingunternehmens sind zur Zeit die Restwerte noch nicht durchschaubar. Sie als IBM aber kennen die kommenden Modelle mit ihren Preis-Leistungs-Verhältnissen.

Neuhofer: Wir befinden uns die neuen Modelle belegen das - seit Jahren in einer Architektur der Hochrüstung. Das wissen die Hardware-Konkurrenten und die unabhängigen Leaser genauso wie wir. Bei jedem Produkt-Announcement haben wir deutlich gemacht, daß die Investitionen unserer Kunden - auch der Leaser also - auf diese Weise geschätzt werden.

CW: Würden Sie der Behauptung zustimmen, daß Sie bei der Einschätzung einer Restwert-Entwicklung von IBM-Maschinen als Hersteller in einer günstigeren Situation sind als die Konkurrenz?

Neuhofer: Wir versuchen, so exakt wie möglich die technologische Entwicklung vorherzusehen. Da sind wir der Meinung, daß wir als Hersteller zu mindestens unsere eigene Technologie besser beurteilen können als ein Dritter. Technologie-Entwicklung richtet sich aber nicht nur danach, was wir auf den Markt bringen, sondern auch nach den Produkten unserer Hardware-Mitbewerber.

CW: Die IBM hat im Großrechner-Bereich mit 70 bis 80 Prozent Marktanteil de facto ein Monopol ...

Neuhofer: Das ist ihre Meinung.

CW: Welchen Stellenwert messen Sie als IBM-Bereich Leasing den unabhängigen Leasinganbietern für Ihr Hardwaregeschäft und für die Freedom-of-choice der Anwender bei?

Neuhofer: Sie sind eine Alternative für den Kunden, und zwar bei der Entscheidung, ob er eine neue oder eine gebrauchte Maschine nimmt.

Außerdem bieten sie eine Finanzierungsalternative.

CW: Unter welchen Umständen bieten Sie einen Vorteil, wann die Unabhängigen?

Neuhofer: Kern eines Leasingvertrages sind die Restwert-Gestaltung und die Transparenz, also die Möglichkeit des Ausstiegs ohne irgendwelche versteckten Strafen. Wir meinen, daß unsere Verträge sehr transparent sind, und es ist unser Vorteil, wenn ein Konkurrent diese Transparenz nicht bietet. Die andere Sache ist, daß wir versuchen, die technologische Entwicklung so weit wie möglich vorab zu erfassen und unserer Restwert-Gestaltung zugrundezulegen.

CW: Sind Sie denn im gleichen Maße flexibel in der Vertragsgestaltung wie die nicht-herstellergebundene Konkurrenz?

Neuhofer: Ich sehe mich an den Leasingerlaß gebunden, an unsere Steuergesetzgebung, und ich bin gehalten, das Leasinggeschäft der IBM profitabel zu gestalten. Außerdem muß ich auf die Kundenwünsche eingehen.

CW: Der Leasingerlaß sagt aber zum Beispiel nicht, daß Upgrades während laufender Verträge mit IBM nur nach der Preisliste stattfinden können.

Neuhofer: Das sagen unsere Verträge auch nicht.

CW: Das entspricht aber häufig geäußerten Erfahrungen vieler Kunden mit IBM-Leasing-Verträgen.

Neuhofer: Wenn für Upgrades Rabatte vorgesehen sind, dann wird natürlich auch im Leasingvertrag ein Upgrade mit Rabatt vergeben. Die Behauptung ist falsch, daß Upgrades beim IBM-Leasing nahezu ausschließlich nach Liste zu bezahlen sind. Die geltenden Rabattsätze werden ohne Unterschied bei Kauf und Leasing angewandt.