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CW extraKT: Informationen mit Web-Technik verwalten

03.09.2001
Content Management (CM) hat sich vom Zauberwort für Websites zur Strategie für die Verwaltung von unterschiedlichsten Inhalten entwickelt.

Diesen Beitrag von Oliver Zschau* bieten wir Ihnen als exlusive Vorab-Leseprobe aus der neuen COMPUTERWOCHE extra "Content-Management - Inhalte und Workflow im Zeichen von E-Business" an, die am 14. September zusammen mit der CW Nr. 37 erscheint.

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Content Management (CM) hat sich vom Zauberwort für Websites zur Strategie für die Verwaltung von unterschiedlichsten Inhalten entwickelt.

Der Markt für Web-Content-Management-Systeme (WCMS) ist international zu einem der lukrativsten innerhalb der Web-IT geworden. Die Analysten von Ovum rechnen dabei mit jährlichen Umsätzen von zirka fünf Milliarden US-Dollar für Lizenzen und acht Milliarden US-Dollar für Consulting. Der Hintergrund: Aus dem Umstand geboren, dass sich eine wachsende Anzahl von Inhalten auf Websites nicht mehr verwalten ließ, hat sich Content Management zu einer Strategie entwickelt, Inhalte medienneutral überall zielgerichtet und schnell verfügbar zu machen.

In vielen Unternehmen herrscht Verunsicherung, wie sich der steigenden Anzahl von Inhalten auf den eigenen Web-Plattformen - der Internet-Präsenz, dem Intranet und dem Extranet - ein effektives Inhalts-Management gegenüberstellen lässt. Content Management ist dabei zum Schlagwort geworden, hinter dem eine umfassende Technologie vermutet wird, die alle Probleme lösen soll. Schnell gehen die "Problemlöser" auf die Suche nach einer IT-Lösung, ohne konsequent die eigene Web-Strategie zu beachten.

Relevanz und Qualität

Die Website fungiert nicht nur als digitale Visitenkarte eines Unternehmens, sondern dient ebenso als interaktives Akquisemittel und Handelsplattform. Intranet und Extranet lassen sich heute als Drehscheibe für die Verteilung von Informationen aus dem unternehmerischen Alltag nicht mehr wegdenken. Diese Web-Plattformen avancieren damit zu unternehmenskritischen Anwendungen, an deren inhaltlicher Gestaltung und Aktualisierung sich alle Mitarbeiter nach ihren Möglichkeiten beteiligen sollten. Doch wie kann dies geschehen, wenn man jede Seite in HTML schreiben muss und man die Inhalte hinsichtlich Relevanz und Qualität sichern will?

Web-Content-Management-Systeme bieten durch die Abstrahierung der Inhalte von deren Darstellung im Zielmedium neue und effektivere Möglichkeiten des Web-Publishing. Darin besteht das Grundprinzip eines jeden WCMS. So kann man beispielsweise Inhalte ohne HTML-Kenntnisse produzieren und einen automatisierten Workflow zur Qualitätssicherung hinterlegen. Für einzelne Bausteine und Bereiche einer Website lassen sich klare Kompetenzen zuweisen und alle Abteilungen können unabhängig von einem Techniker ihre eigenen Website-Bereiche pflegen.

Im Unterschied zu Dokumenten-Management-Systemen (DMS) hat ein WCMS die Aufgabe, Inhalte medienunspezifisch zu erfassen. Innerhalb eines DMS werden Informationen in ihrer Dokumentenform vorgehalten: Etwa als Word-Datei oder gescanntes Objekt. Damit eignen sich diese Daten für die Veröffentlichung als Web-Inhalt erst nach teilweise aufwändigen Konvertierungen. In einem WCMS besteht ein veröffentlichter Inhalt aus drei wesentlichen Komponenten. Diese Komponenten sind prinzipiell voneinander unabhängig:

Der eigentliche Inhalt, der idealerweise medienunspezifisch und komponentenorientiert gespeichert wird,

die Layoutbeschreibung oder das Template (Vorlage) zur medienspezifischen Darstellung des Inhalts und

die Meta-Information, die wesentliche Angaben enthält, wie Name des Autors, Veröffentlichungszeitraum oder Thematik des Inhaltes.

Aus dem Zusammenspiel dieser Komponenten erwachsen die Stärken einer Website, die ein WCMS verwaltet. Inhalte werden nicht als ein Text gewisser Länge gespeichert, sondern von vornherein nach Komponenten klassifiziert. Meist erfolgt dies über Formulare, die Elemente wie Überschrift, Abstract und Textkörper separiert erfassen. Die Templates können unabhängig von den Inhalten ein gleich bleibendes Layout sichern und auf diese Weise kann man den Ansprüchen an Corporate Identity und Design im Unternehmen Genüge tun. Mit unterschiedlichen Templates lassen sich für verschiedene Medien Veröffentlichungen anhand der gleichen Inhaltebasis generieren. Flexibel wird eine Website zusätzlich durch die Meta-Informationen, die eine gezielte Steuerung der Veröffentlichungen beispielsweise nach Datum und Themengebieten erlauben.

Der Einsatz eines WCMS versetzt Unternehmen in die Lage, ihre Web-Plattformen dezentralisiert zu administrieren und inhaltlich zu pflegen. Davon profitieren vor allem Qualität und Aktualität der Inhalte. Die Nutzer der Web-Anwendungen bekommen neue inhaltliche Verknüpfungs- und Suchmöglichkeiten, um schneller und gezielter auf Informationen zugreifen zu können. Zunehmend wichtiger wird in diesem Zusammenhang auch die Möglichkeit, Content nicht nur am Monitor, sondern auch auf Endgeräten wie Palm oder Handy abzurufen. Gerade im Geschäftsalltag gibt es dazu viele denkbare Szenarien.

Qual der Wahl

Angesichts der technischen Leistungen sollten sich die Anwender aber eins vor Augen halten: Ein WCMS kann nur dann Nutzen entfalten, wenn das System den Anforderungen des Unternehmens entspricht. Eine genaue Analyse der Ist- und Soll-Prozesse des unternehmensweiten Web-Publishing liefert daher die Grundlage für alle Aktivitäten in Richtung WCMS-Einsatz. Übernimmt eine Agentur das Design, sollte man sie ebenso von vornherein zu Rate ziehen.

Sind alle grundlegenden Fragen geklärt, entsteht daraus der Anforderungskatalog als wichtigstes Hilfsmittel bei der Auswahl des einzusetzenden Systems. Hier können Interessenten dann aus dem Vollen schöpfen: Mehr als 250 Produkte tragen derzeit die Bezeichnung WCMS. Die angebotenen Lösungen lassen sich in zwei große Gruppen einteilen: So genannte Enterprise-Content-Management-Lösungen bilden ein flexibles, anpassbares Framework, mit dem sich der Content-Management-Prozess unternehmensweit abbilden lässt. Dabei handelt es sich zumeist um Baukastensysteme, bei denen die Integration in den spezifischen Anwendungsfall im Vordergrund steht. Besonders bekannt in diesem Umfeld sind die Produkte von Vignette, deren Funktionalität der Kunde erst selbst integrieren muss.

Andere Produkte dieser Kategorie wie "Team site" von Interwoven, "Content Application Platform" von Coremedia, Gauss‘ "VIP Content Manager", "Pirobase" von Pironet oder Infoparks "NPS2 bieten mehr vorkonfektionierte Funktionalität, verfolgen aber ebenso die flexible Integration in unterschiedlichste Anwendungsszenarien. Bei solchen Lösungen fallen neben den Lizenz- nicht zu unterschätzende Consultingkosten an. Sie können gerade bei großen Anwendungen die Lizenzkosten weit übersteigen. Enterprise-Lösungen zeichnen sich dafür durch eine große Vielfalt von Schnittstellen - etwa zu Datenbanken, ERP- und E-Commerce-Systemen - und weitgehende Plattformunabhängigkeit aus.

Redaktionssysteme als die zweite große Gruppe der WCMS setzen gegenüber den Enterprise-Lösungen auf fast vollständig vorkonfektionierte Funktionalität. Mit einem gut ausgewählten Redaktionssystem kann man daher eine schnellere Projektlösung erreichen als mit einem großem Enterprise-System. Ein weiterer Vorteil liegt in dem meist niedrigeren Preis. Redaktionssysteme sind eine gute Wahl, wenn man keine oder nur geringe Ansprüche an die Integrationsfähigkeit des WCMS in andere Systeme stellt. Gerade im Medienbereich finden sich häufig Redaktionssysteme im Einsatz, da hier meist ein fest kalkulierbarer Funktionsumfang verlangt wird. Systeme wie "Imperia", "Red Dot", "Interred" oder "Pansite" von den jeweils gleichnamigen Herstellern gehören zu den bekannten Vertretern in dieser Kategorie.

Technische Faktoren

Der unternehmensspezifisch gewählte strategische Ansatz kann die Bandbreite der Systemauswahl im ersten Schritt auf eine der Hauptkategorien eingrenzen. Daneben bieten Unterkategorien Orientierung. So gibt es etwa eigene Systeme für den Einsatz unter Workgroup-Lösungen, Open-Source- oder Agenturlösungen. Nach der Vorauswahl kommen die technischen Faktoren zur weiteren Selektion zum Einsatz, die durch die praxisrelevanten Anforderungen definiert werden.

Im Web-Business steht der Administrator meist vor einer heterogenen IT-Landschaft, die es gilt, miteinander ins Zusammenspiel zu bringen. Die von einem WCMS unterstützten Plattformen und Schnittstellen stehen damit in dieser Phase an vorderster Stelle. Besonders Java-basierte Systeme drängen immer weiter nach vorne, da sie quasi die Plattformunabhängigkeit von Hause aus mitbringen. Bisher von der Plattform her beschränkte Systeme wie Red Dot - noch unter dem Namen Info Office - oder Vignette haben aus diesem Grund ihre Applikationen neu auf Java aufgesetzt oder bieten jetzt die entsprechende Unterstützung an. Für den Datenaustausch mit anderen Applikationen wichtige Schnittstellen bauen idealerweise auf offenen Standards auf. XML gilt hier als Zauberwort. Auch wenn nur wenige Systeme wie der Dialog-Server von Tridion das universelle Datenformat zur Speicherung der Inhalte verwenden, so ist doch XML mittlerweile bei WCMS ein Standard für Im- und Exportschnittstellen.

Da Inhalte und Layout in einem WCMS getrennt vorliegen, ist es notwendig, diese für die Publikation im Web wieder zusammenzuführen. Dieser Vorgang, das Publishing, kann zum einen dynamisch erfolgen. Das heißt, bei Abruf einer Webseite wird sie jedes Mal neu generiert. Dies erscheint vor allem bei Informationen sinnvoll, die einer ständigen Änderung unterliegen, wie Börseninformationen. Bei längeren Aktualisierungszyklen eignet sich die Publishing-Staging-Variante, bei der regelmäßig ein statisches Abbild der im WCMS enthaltenen Inhalte generiert wird. Diese Methode zeichnet sich durch ein besseres Lastverhalten aus, ein Umstand dem dynamische Systeme in der Zwischenzeit mit ausgeklügelten Caching-Methoden begegnen.

Multiuser-Fähigkeit

Damit sich verschiedene Bearbeitungsstufen von Inhalten nachprüfen und wiederherstellen lassen, bedarf es einer umfassenden Versionsverwaltung. Deren Komplexität kann sehr differieren. Einige Systeme beschränken sich darauf, verschiedene Versionen einer einzelnen Webseite zu verwalten. Für große Websites unumgänglich ist jedoch der Ansatz, einzelne Elemente der Seite wie Bilder, Navigation oder Textbestandteile getrennt voneinander zu versionieren. Da es sich bei einem WCMS um ein Multi-User-System handelt, kann es passieren, dass konkurrierende Zugriffe auf einen Inhalt erfolgen, was zu Datenverlusten führen kann. Mit entsprechenden Sicherungsmechanismen lassen sich die Inhalte während ihrer Bearbeitung vor dem editierenden Zugriff durch andere schützen.

Die gängigen Lösungen für das Web-Content-Management basieren auf einer Client-Server-Struktur. Inhalte werden zentral auf einem Server gespeichert und administriert. Der Zugriff erfolgt mit einem nutzerfreundlichem Interface - dem Client. Auf Client-Seite hat es sich mittlerweile durchgesetzt, rein Browser-basierte Lösungen einzusetzen. In Ausnahmen findet man noch Client-Applikationen, die auf den Arbeitsplatzrechnern installiert werden müssen. Dies ist etwa bei "Inter-News 2000" der Fall. Browser-Clients sollten heutzutage ohne Plugins oder Java auskommen, um den Mitarbeitern und Web-Redakteuren den editierenden Zugriff auf das WCMS zu erlauben.

Zwar lässt sich der Erfolg einer Web-Strategie nur schwer planen, die mittelfristige Entwicklung ist jedoch zumeist abschätzbar. Die Skalierbarkeit eines WCMS ist von Bedeutung, wenn durch eine Vielzahl von Zugriffen die Last auf der Website steigt. Umfassende WCMS wie der VIP Content Manager von Gauss Interprise erlauben die Verteilung des Systems auf mehrere Server. Andere wie beispielsweise Vignette setzen darauf, generierte Inhalte zu cachen und damit einen schnelleren Zugriff zu ermöglichen.

Ein Trend, der sich besonders im Enterprise-Segment abzeichnet, ist die Unterstützung von Multi-Channeling und Multi-Deployment. Während Ersteres sich um die medienneutrale Unterstützung diverser Endgeräte bemüht, bietet Zweiteres einen Ansatz, große WCMS-Lösungen überregional auf mehrere Server zu verteilen. Mit neuen Content-Delivery-Technologien lassen sich diese Server dann breitbandig via Internet miteinander verbinden. Beispielhaft sei hier das WCMS von Coremedia genannt, das nicht nur die Generierung und Bereitstellung von Web-Inhalten ermöglicht, sondern ebenso Formate wie XML, HTML, PDF, WML und andere unterstützt.

WICHTIGE WCM-SYSTEME

Enterprise-WCMS

"Content Application Platform" (Coremedia)

"ContentBase" (Syntags)

"Eprise Participant Server" (Eprise) "Hyperwave Information Server" (Hyperwave)

"NPS" (Infopark)

"Pirobase" (Pironet NDH)

"Synformation.com" (Bouncy Bytes)

"TeamSite" (Interwoven)

"V/5 Content Management Server" (Vignette)

"VIP ´ContentManager´" (Gauss Interprise)

Redaktionssysteme

"@it" (dimedis)

"Communique" (Day)

"Contens Professional" (Contens)

"DialogServer" (Tridion)

"Imperia" (Imperia)

"InfoSite" (SitePark)

"InterRed" (InterRed)

"Mediasurface" (Mediasurface)

"RedDot" (RedDot)

"SixCMS" (Six)

Die Aufzählung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit

*Oliver Zschau ist Consultant und Web-Projektleiter in Leipzig sowie Mitbetreiber des Portals www.contentmanager.de.