CW@HOME: Das interaktive Auto der Zukunft

03.06.2002
Von 
Jürgen Hill ist Chefreporter Future Technologies bei der COMPUTERWOCHE. Thematisch befasst sich der studierte Diplom-Journalist und Informatiker derzeit mit aktuellen IT-Trendthemen wie KI, Quantencomputing, Digital Twins, IoT, Digitalisierung etc. Zudem verfügt er über einen langjährigen Background im Bereich Communications mit all seinen Facetten (TK, Mobile, LAN, WAN). 
MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - E-Mail, Internet-Zugang, Concierge-Dienste wie Hotelsuche - das Auto der Zukunft scheint auf dem besten Weg zum rollenden Computer zu sein. Doch unter dem Gesichtspunkt der Fahrsicherheit ist nicht alles sinvoll, was technologisch machbar ist.

Das interaktive Auto ist aus IT-Sicht möglich. Doch unter den Aspekten der Bedienbarkeit stellt Stephan Wolfsried, Entwicklungschef Elektrik/Elektronik und Fahrwerk bei Mercedes Benz PKW, die Frage, ob es auch sinnvoll ist, alles umzusetzen. Schließlich sei es die primäre Aufgabe des Fahrers, ein Auto sicher durch den immer dichteren Verkehr zu lenken, statt im Internet zu surfen.

Foto: Daimler-Chrysler
Foto: Daimler-Chrysler

Deshalb wird der Stuttgarter Autohersteller die neue E-Klasse künftig zwar mit den Diensten des Mercedes-Benz-Portals anbieten. Der Fahrer kann seine E-Mails aber lediglich abrufen. „Beantworten oder gar neue Mails verfassen kann er während des Fahrens nicht, da er sonst vom Verkehr abgelenkt wäre“, schränkt Wolfsried ein. Zudem glaubt er, dass der Gesetzgeber solche interaktiven Dienste bald verbieten könnte, wenn sie im großen Stil im Auto Einzug halten. Deshalb wird die E-Klasse auch in der Lage sein, E-Mails vorzulesen.

Concierge-Dienste arbeiten defizitär

Vor diesem Hintergrund steht der Entwicklungschef auch den häufig gelobten Concierge-Services skeptisch gegenüber. Zumal praktisch alle Anbieter entsprechender Dienste für Fahrzeugnutzer defizitär arbeiten, weil Kunden nichts dafür bezahlen wollen. Wolfsried zufolge geht die Entwicklung in eine andere Richtung: die Realisierung leistungsstarker Telefonie-, Telematik- und Audiosysteme. In Sachen Telefonie arbeiten die Entwickler am perfekt in das Fahrzeug integrierten Handy, dessen Funktionen der Fahrer sprachgesteuert bedient. Zudem soll die Sprachqualität entscheidend verbessert werden, so dass der Fahrer beim Sprechen seine Stimme nicht mehr anheben muss und er seinen Gesprächspartner verzerrungsfrei hört. Hierzu erhält die neue Mercedes-E-Klasse vier Mikrofone mit Richtwirkung für das mobile Telefonieren.

Bei den Audiosystemen dürfte das Bestücken des klassischen CD-Wechslers vor der Fahrt künftig der Vergangenheit angehören. Der Fahrer von morgen lädt möglicherweise in der Garage, wenn das Auto ein Bestandteil des heimischen Netzes ist, via Wireless LAN oder Bluetooth seine Wunschmusik ins Auto. Über das gleiche Übertragungsmedium transferiert er etwa Adressen von Geschäftspartnern oder Termine in das intelligente Fahrzeugsystem.

Keine bidirektionale Telemetrie

Unterwegs erhält das Fahrzeug dann in naher Zukunft seine Daten etwa zur aktiven Zielführung via GPRS. Mit einer Verbreitung des schnelleren UMTS rechnet Wolfsried im ländlichen Raum nämlich erst in zehn bis zwölf Jahren. Gering dürfte die Netzauslastung auch aus einem anderen Grund bleiben: Die aus der Formel 1 bekannte bidirektionale Telemetrie - hier kann die Box während der Fahrt in die Fahrzeugparameter eingreifen - wird es in absehbarer Zeit im normalen Auto nicht geben.

Über Dienste wie Teleaid werden lediglich Fehlercodes der Steuergeräte an ein Assist-Center übertragen, von dem der Fahrer im Pannenfall Ratschläge erhält. Oder sollte eine Weiterfahrt nicht mehr möglich sein, dann werden die Daten an das Servicemobil des Herstellers übermittelt, damit dieses für die Reparatur vor Ort die passenden Ersatzteile dabeihat. Der Download eines Updates oder Bugfixes über Luftschnittstelle ist dagegen für Mercedes-Manager Wolfsried Zukunftsmusik. Dagegen sprechen in seinen Augen vor allem Sicherheitsaspekte: „Dringt etwa ein Hacker in das System ein und versetzt die Motoren in den Notlaufzustand, so wäre das in der Rushhour einer Metropole der GAU.“ Ganz zu schweigen von den Gefahren, wenn ein Cracker das Antiblockiersystem (ABS) oder die elektronische Bremse manipulieren würde.