CeBIT 2014

CRM entwickelt sich zum IT-Leitsystem

06.03.2014
Von 
Martin Bayer ist Chefredakteur von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO. Spezialgebiet Business-Software: Business Intelligence, Big Data, CRM, ECM und ERP.
In vielen Unternehmen rückt der Kunde mehr und mehr ins Zentrum der Firmenstrategie. Damit wird auch die Software für das Management vielfältigster Beziehungen und Kanäle immer wichtiger.

Wir leben im Zeitalter des Kunden - so lautet unisono die Kernaussage von Experten, die sich derzeit mit Kunden-Management-Systemen beschäftigen. Verbraucher sind heute wesentlich besser informiert als noch vor wenigen Jahren und erwarten von Unternehmen und Händlern eine individuelle Ansprache. Dafür sind immer mehr Konsumenten bereit, auch persönliche Daten preiszugeben.

CRM entwickelt sich zum IT-Leitsystem
CRM entwickelt sich zum IT-Leitsystem
Foto: michelangelus, Fotolia.com

Das hat beispielsweise die jüngste Retail-Studie von IBM ergeben, für die weltweit 30.000 Verbraucher befragt und deren Ergebnisse Ende Januar 2014 vorgestellt wurden. Demnach habe sich alleine die Bereitschaft, über GPS den momentanen Standort mitzuteilen, im Jahresvergleich annähernd auf 36 Prozent verdoppelt. 38 Prozent würden außerdem ihre mobile Telefonnummer preisgeben, um Textbotschaften zu erhalten. Knapp jeder Dritte sei zudem bereit, dem Händler seine sozialen Gepflogenheiten im Netz zu offenbaren.

"Der moderne Verbraucher wurde bereits von verschiedenen Branchen konditioniert - von Reiseanbietern bis zu Automobilherstellern - und erwartet heute personalisierte Interaktionen über unterschiedliche Vertriebskanäle hinweg", stellt Bernhardt Orth, Leiter Smarter Commerce und Partner der Unternehmensberatung IBM Global Business Services, fest. Die Studie bestätige, dass Konsumenten durchaus bereit seien, persönliche Informationen zur Verfügung zu stellen, wenn sie dafür im Gegenzug mit individuellen Vorteilen rechnen könnten. "Gleichzeitig wird es jedoch auch immer wichtiger, mit diesen Daten sorgfältig umzugehen, um Vertrauen nicht zu verspielen", warnt Orth.

Diese Veränderung im Kundenverhalten ist offenbar auch in den Vorstandsetagen fast aller Unternehmen angekommen. IBM befragt im Rahmen einer weiteren Studienreihe seit 2004 regelmäßig Firmenverantwortliche über die Faktoren, die maßgeblich die künftige Strategie des eigenen Unternehmens beeinflussen. Dabei hat sich die Management-Perspektive in den vergangenen Jahren deutlich verschoben. Rangierte das Verhältnis zu den eigenen Kunden vor zehn Jahren lediglich auf Rang sechs der wichtigsten Marktfaktoren, steht dieser Aspekt heute unangefochten an der Spitze der Prioritätenliste.

Immer mehr Firmenchefs konstatierten, dass Kunden einen stärker werdenden und vor allem strategischen Einfluss auf die Entwicklung des eigenen Geschäfts nehmen. "So wie Kunden via Social Media mehr Macht über das Business bekommen, genauso stark wachsen ihre Erwartungen und genauso schnell sinkt ihre Toleranz Fehlern gegenüber", zitiert die IBM Studie den CIO eines Handelsunternehmens.

x-Relationship-Management

Um diese Entwicklungen in den Griff zu bekommen, stehe längst nicht mehr nur ein von dedizierten Abteilungen gesteuertes effizientes Verwalten der Kundenbeziehungen (Customer Relationship Management: CRM) und -erfahrungen (Customer Experience Management: CEM) im Fokus, kommentierte IBM-Chefin Virginia Rometty die Ergebnisse der jüngsten Umfrage, für die fast 4200 Manager auf C-Level befragt wurden. Vielmehr arbeiteten heute bereits etliche Unternehmen daran, ihre gesamte Organisation auf eine intensivere und engere Kommunikation und Kollaboration nach außen auszurichten. Dieser Rahmen umfasst dann in aller Regel nicht nur das Verhältnis zu den eigenen Kunden, sondern auch zu Partnern, Zulieferern sowie allen anderen Beteiligten, die sich im Netzwerk rund um das eigene Business tummeln. Das Management vielfältigster Beziehungen fasst man unter dem Begriff xRM (x-Relationship-Management) zusammen.

Mittlerweile wächst in den Reihen der Unternehmensverantwortlichen auch die Akzeptanz, dass sie nicht mehr alle Entwicklungen unter der eigenen Kontrolle halten können, und sich das Kundenverhalten gar nicht beziehungsweise immer schwerer steuern und beeinflussen lässt. Einige Unternehmen versuchen, aus der Not eine Tugend zu machen, und räumen ihren Kunden mehr Mitsprachemöglichkeiten ein. Davon können die Unternehmen letzten Endes sogar profitieren, beispielsweise durch Ideen für die Entwicklung von neuen Produkten oder Services.