DEC schlißt Ende der VAX-Vektor-Produktion nicht aus

Crays kleine Number-Cruncher zukünftig exklusiv von Digital

17.01.1992

MÜNCHEN/BOSTON (see/IDG) - Das Superrechner-Programm der Digital Equipment Corp. steht vor einschneidenden Änderungen: Ab sofort wird DEC Low-end-Systeme von Cray Research verkaufen, und langfristig ist ein Ausstieg aus der Produktion von VAX-Vektorsystemen denkbar. Voraussetzung dafür ist indes die Serienreife der DEC-Alpha-Chips.

Auf zunächst drei Jahre befristet ist ein OEM-Abkommen zwischen Digital und der Cray Research Inc., das in dieser Woche getroffen wurde. Crays Einstiegs-Number-Cruncher Y-MP EL werden demzufolge bis Ende Juni dieses Jahres auch von DEC, vermerktet; danach erhält der VAX-Hersteller die alleinigen Vertriebsrechte für die Maschine. Das Volumen des Abkommens ergibt sich aus. Digitals Selbstverpflichtung, mindestens 50 der kleinen Zahlenfresser im Wert von insgesamt 29,7 Millionen Dollar abzusetzen, wie Theresia Wermelskirchen, Sprecherin der Digital Equipment GmbH in München, mitteilte. Cray selbst habe bisher weltweit 45 Maschinen des Typs installiert.

Die Cray Y-MP Entry Level ist eine Vierprozessor-Machine mit einer minimalen Zugriffszeit von einer Sekunde für ein GB Speicherinhalt und einer Maximalleistung von 133 Milops pro CPU. Sie verwendet CMOS-Chips mit einer Taktdauer von 30 Nanosekunden, läuft unter Crays Unix-Derivat Unicos und kostet zwischen 300 000 und einer Million Dollar. Weder Wermelskirchen noch ihr Kollege Wolfgang Kroj von der Münchner Cray Research GmbH wollten sich zu Meldungen äußern, wonach Cray die in Entwicklung befindlichen Alpha-Chips von Digital in Lizenz produzieren werde.

In Analystenkreisen hatte es geheißen, 1993 sollten die ersten Cray-Systeme mit den neuen Superscalar-Prozessoren herauskommen und 1995 kommerziell verfügbar sein.

Im Zusammenhang damit waren Vermutungen laut geworden, DEC plane den Ausstieg ans der Produktion eigener Superrechner. Von Marktbeobachtern damit konfrontiert, konzedierte Phil Grove, DECs Marketing-Manager für die VAX 9000, zwar habe es "gegenwärtig den Anschein", aber die Frage sei "noch nicht vollständig beantwortet". Die aktuellen Vektorsysteme auf Basis der VAX 9000 verkauften sich schließlich "ziemlich gut". Wermelskirchen nannte eine Zahl von weltweit 450 Installationen, davon 42 im deutschsprachigen Raum; welches Umsatzvolumen dadurch repräsentiert wird, vermochte sie jedoch nicht anzugeben.

Auch die Münchner DEC-Sprecherin kann licht definitiv ausschließen, daß ihr Unternehmen sich aus der Produktion von Vektorzusätzen für die VAX 9000 und 6000 irgendwann verabschiedet; Voraussetzung dafür sei allerdings, daß die Anwender der VMS-basierten Systeme ihre Software Zweiter nutzen könnten. Das aber sei nur möglich mit den Alpha-Chips, die sowohl unter dem VAX-Betriebssystem VMS als auch wie Crays Number-Cruncher, unter Unix arbeiten würden. Wann diese Chips verfügbar sein werden, sei indes noch nicht absehbar.

Auf jeden Fall Jedoch wollen DEC und Cray bei der Software-Entwicklung weiter zusammenarbeiten, wie es bereits seit 1987 im Projekt zur Erstellung eines "Supercomputing-Gateway" der Fall sei. Ziel dieser Kooperation sei die Einbindung von Cray Maschinen in Digital-Umgebungen. Als eines der nächsten Cray-DEC-Integrationsziele nannte die Sprecherin den CASE-Bereich.

Lücke im Angebot geschlossen

IDC-Analystin Debra Goldfarb sieht mit dem OEM-Abkommen über die, Y-MP genau die Lücke in DECs Produktangebot geschlossen, die sich ans einem Ausstieg aus der VAX-Vektortechnik ergeben würde.

Daß dieser stattfinden wird, ist für sie genauso sicher wie für Christopher Willard von Dataquest- Superrechner-Fähigkeiten sind nach seiner Ansicht gerade für die VAX 6000 ein Provisorium.

In erster Linie sind es jedoch Umsatzüberlegungen, die DEC nach Willards Meinung den Abschied voll der Vektor-Produktion leicht machen könnten: Der Superrechner-Weltmarkt habe 1996 ein Umsatzvolumen von nur zwei Milliarden Dollar - ohne Beratung und Service - gehabt. Davon seien nach Dataquest nur gut 53 Millionen Dollar auf Digital entfallen.

Der Gesamtmarkt für Hardware, Peripherie und Systemsoftware dagegen biete ein Umsatzpotential von 100 Milliarden Dollar, so Willard. Seine suggestive Frage: "Wenn Sie Digital wären, würden sie sich um die zwei Milliarden oder um den Rest der 100 Milliarden kümmern?"