Corporate Networking/Rechnungsstellung innerhalb des Unternehmens Interne Anbieter konkurrieren immer mit externen CN-Diensten

08.09.1995

Corporate Networks werden in der Regel nicht nur geplant und betrieben, um Sprache, Daten oder auch Video ueber ein Netz zu uebertragen, sie sollen vor allem die Kommunikationskosten reduzieren. Dafuer ist allerdings eine nutzungs- beziehungsweise leistungsgerechte Erfassung und Rechnungsstellung der Kommunikationsleistungen erforderlich, die vom Verbraucher in Anspruch genommen wurden. Um dieses in heterogenen Umgebungen nicht ganz so einfache Unterfangen zu durchleuchten, beschreibt Helmut Duerr* einige Ansaetze zur Realisierung interner Abrechnungsverfahren.

Voraussetzung fuer ein Corporate Network (CN) ist eine genaue Definition der organisatorischen Gestaltung und jeglicher Form der Leistungsabrechnung in der Geschaeftsstrategie. Moegliche organisatorisch-betriebliche Leitsaetze sollen im folgenden nur kurz angerissen werden. Wie eingangs schon erwaehnt, kennzeichnet die Integration von Sprache und Daten ein CN. Wichtig ist, dass die Verantwortung fuer Daten- und Sprachnetze in einer Hand liegen.

Da sich eine organisatorische Trennung zwischen den Abteilungen, die fuer die Uebertragung und Vermittlung von Sprache und Daten (Bereich CN) oder die Verarbeitung von Daten (Bereich DV) zustaendig sind, in vielen Unternehmen nicht umgehen laesst, sollte die Abgrenzung zwischen CN und DV unternehmensindividuell vereinbart werden. Wichtig dabei ist nicht, auf welcher "OSI- Ebene" dies geschieht, sondern dass die Einigung eine kooperative und freundschaftliche Zusammenarbeit ermoeglicht.

Der Bereich CN fungiert dabei als interner Dienstleister oder Service-Provider fuer das eigene Unternehmen, der die Kommunikationsinfrastruktur fuer das Kerngeschaeft zur Verfuegung stellt. Zur Einbindung der Abteilung in das Unternehmen bieten sich zwei unterschiedliche Organisationsformen an: Intern als Cost-Center gefuehrt, verteilt die CN-Abteilung Ist- beziehungsweise Plankosten auf die anderen Kostenstellen im Gemeinkosten-Umlageverfahren.

Wird der Bereich organisatorisch dagegen als Profit-Center eingerichtet, verrechnet er Einzelkosten und orientiert sich dabei an den am Markt ueblichen Preisen. Ist eine Entscheidung fuer eines der beiden Modelle gefaellt, sollte die Festlegung im folgenden vertraglich mit den internen Kunden zur Leistungsabrechnung fixiert werden. Da dieser Artikel die leistungs- und nutzungsgerechte Abrechnung zu Thema hat, konzentrieren sich die folgenden Ausfuehrungen auf CN-Abteilungen, die als Profit-Center ausgelegt sind.

Der Bereich CN arbeitet kostenorientiert, finanziert sich durch den Verkauf von Leistungen und rechnet diese auf Basis von Preislisten beziehungsweise der individuell getroffenen Leistungsvereinbarungen - auch Service Level Agreements (SLA) genannt - mit seinen Kunden ab.

Voraussetzung ist, dass alle CN-Kosten erfasst werden und eindeutig sowie transparent einer Kostenstelle und einem Kostentraeger zugeordnet werden. Die Geschaeftsfuehrung sollte bereits im Vorfeld vereinbaren, wie sie den internen Dienstleister im Hause positioniert: Bei einem regulatorischen Ansatz arbeitet die Abteilung kostendeckend, andere Kostenstellen im Haus sind verpflichtet, Leistungen vom internen Anbieter zu beziehen.

Entscheidet sich die Leitung dagegen fuer einen marktwirtschaftlichen Ansatz, so koennen die Kunden Leistungen auch unternehmensextern beim preiswertesten Anbieter einkaufen. Wie auch immer die Vorgaben ausfallen, der Bereich CN steht in jedem Fall in einem Wettbewerb mit externen Dienstleistern bezueglich Servicequalitaet, neuer Dienste, Preis-Leistungs-Verhaeltnis etc.

Zur Leistungsabrechnung sollte die CN-Abteilung ein moeglichst einfaches Tarifierungsverfahren waehlen, das sich mit einem vertretbaren Aufwand realisieren laesst. Der wichtigste Grundsatz dabei ist, dass es den Verbrauch nutzungs- und leistungsgerecht erfasst und zuordnet, dabei aber plausibel und wirtschaftlich bleibt, so dass der Nachweis ueber die erbrachten Leistungen moeglich ist. Das erfordert eine Abrechnung, die verschiedene Dienste wie Sprache, Fax und digitale Waehl- oder Festverbindungen aufschluesselt und die Erhebungskriterien Zeit und Volumen zugrunde legt. Um Akzeptanzprobleme zu vermeiden und Vergleiche zu erlauben, sollte sich die Berechnung an den Tarifierungsgrundsaetzen der oeffentlichen Netzbetreiber orientieren.

Unter Tarifen verstehen diese die Preisdefinitionen fuer Nutzungs- beziehungsweise Leistungseinheiten. Die wiederum sind so zu vereinbaren, dass sich die Grunddaten einfach messen lassen, in die Berechnung der Einheiten andere Parameter wie etwa Tages- und Nachtzeiten einfliessen koennen und zudem einfach dem Anrufenden oder der Kostenstelle zuordenbar sind. Dabei lassen sich drei Berechnungsarten definieren: das einmalige Bereitstellungsentgelt oder die Anschlussgebuehr, die monatliche Grundgebuehr sowie das ebenfalls monatlich und entsprechend dem Verbrauch berechnete Nutzungsentgelt (Verkehrsgebuehr). Fuer alle drei Formen sind Tarife als Preislisten oder Leistungsvereinbarungen festzulegen.

Die Tarifierung ist ein heikles Thema

Die Tarife koennen Mindestabnahmemengen, Mindestdauer, Mengenrabatte, Sonderkonditionen und kostenlose Leistungen fuer alle oder auch nur bestimmte Kundengruppen enthalten. Als Basis fuer die Rechnungserstellung dienen die vereinbarten Tarife und Accounting-Daten. Bei der Definition der Tarife lassen sich bei bestimmten Diensten auch CN-interne Optimierungsverfahren wie die Sprachkompression beruecksichtigen. Die preisliche Gestaltung der Tarife ist ein heikles Thema, denn sie kann Kunden zur Nutzung bestimmter Dienste verleiten, aber auch deren Inanspruchnahme verleiden.

Insbesondere fuer den Sprach- und Videokonferenzbereich ist bei der Verbindungsabrechnung die Erhebung, Speicherung und Verarbeitung von personenbezogenen Daten erforderlich - es greifen somit die Datenschutzbestimmungen. Zumindest fuer die deutschen Unternehmensteile sind der Betriebs- und Personalrat also mitbestimmungspflichtig. Folglich muessen vor der Inbetriebnahme der neuen Verfahren entsprechende Betriebsvereinbarungen abgeschlossen werden.

Die Festlegung des Tarifierungskonzepts und die Definition der Regeln gehoeren zu den wichtigsten Schritten auf dem Weg zum Corporate Network. Generell gilt, dass nur tarifiert werden kann, was sich auch - moeglichst einfach - messen laesst. Ausserdem sollten nur solche Leistungen tarifiert werden, deren Verbrauch der Nutzer durch sein Verhalten beeinflussen kann. Die Definition eines Tarifierungskonzepts erfordert eine Ist-Aufnahme der Accounting- Funktionalitaet der Netzelemente und gegebenenfalls deren Management-Systeme sowie der genutzten Uebertragungsverfahren und

-protokolle.

Zu vereinbaren ist zudem, an welchen Netzelementen (etwa TK- Anlagen oder Multiplexer) die Accounting-Daten erhoben werden und welche sonstigen Daten des System- und Netz-Managements zu beruecksichigen sind (Konfigurationsdaten fuer Festverbindungen, Meldungen ueber Stoerungen aus dem Fehler-Management, Daten ueber Durchsatzraten aus dem Performance-Management).

Der CN-Bereich sollte im Vorfeld zudem definieren, wie detailliert er tarifieren will, ob etwa die zur Verfuegung gestellte, genutzte oder vereinbarte Bandbreite bei digitalen Fest- oder Waehlverbindungen beruecksichtigt werden soll. Dabei haengt die Erhebung wiederum eng mit den genutzten Uebertragungsverfahren wie transparente Kanaele oder Frame Relay und deren Moeglichkeiten einer differenzierenden Wertung der genutzten Bandbreiten zusammen. Die Festlegung, ob Einzel- oder Sammelabrechnungen erstellt werden, haengt einerseits von der Kostenstellenstruktur (etwa ein Standort = eine Kostenstelle) ab, andererseits muss die CN-Abteilung beruecksichtigen, wie viele Daten erhoben und bearbeitet werden sollen und wann, wo, in welchem Masse und ob die Accounting-Daten ueberhaupt anonymisiert werden muessen.

Das darauffolgende Billing ist zweistufig angelegt. Vor der eigentlichen Verarbeitung in einer Billing-Applikation sind die Accounting-Daten (Rohdaten) vorzubereiten. Diese Vorverarbeitung kann eine Filterung beinhalten, die bestimmte Datenfelder wie die Komprimierung oder Anonymisierung beruecksichtigt. Des weiteren erfolgt eine Normierung in ein einheitliches Format, die Validierung der zulaessigen Wertebereiche sowie die Uebertragung per Filetransfer oder aehnlicher Verfahren zu einem separaten Billing- System. Die wichtigste Funktion einer Billing-Applikation ist das Erstellen von Rechnungen und Uebersichtslisten.

Darueber hinaus sollte die Billing-Applikation auch Verkehrs- und Kostenanalysen erarbeiten und alle relevanten Billing-Daten archivieren koennen (siehe auch Grafik "Funktionen im Billing"). Die Bedeutung des Billings fuer einen Service-Provider wurde von Bill Dixon ("Communicationsweek International" 10/94) wie folgt auf den Punkt gebracht: "To be a telecommunications operator you don't need a network - but you do need a billing system." So ist das Billing als eine der wichtigsten Schnittstellen zum Kunden zu sehen.

Billing-Applikationen, die das erstellte Konzept fuer die Leistungsabrechnung im Unternehmen widerspiegeln, wird der Bereich CN allerdings nicht am Markt einkaufen koennen. Abgesehen von herstellerspezifischen Billing-Loesungen fuer die jeweiligen TK- Anlagen, Multiplexer, X.25- oder Frame-Relay-Switches mit zum Teil relativ umfassender Funktionalitaet gibt es jedoch mehr oder weniger gut geeignete Building-Blocks oder Halbfertigprodukte fuer generelle Billing-Loesungen am Markt, die aber an die System- und Netzumgebung sowie die Anforderungen des jeweiligen Unternehmens angepasst werden muessen.

Begriffsdefinition

Accounting ist eine der fuenf im sogenannten Management Framework (ISO 7498-4/ITU X.700) definierten "Functional Areas" des System- und Netz-Managements und befasst sich mit dem Sammeln von Accounting-Daten. Letztere fallen in den Netzelementen (TK- Anlagen, Multiplexer, Router etc.) an und werden (periodisch) an das - heute meist noch jeweils herstellerspezifische - Management- System uebertragen.

Die Tarifierung beschreibt das Verfahren der Leistungsabrechnung und stellt Regeln zur Verfuegung. Sie legt fest, wer was mit wem, wie und wann abrechnet, und bestimmt somit die Verarbeitungsvorschriften fuer das Billing. Die Tarifierung haengt einerseits von den (technischen) Moeglichkeiten der eingesetzten Netzelemente sowie Uebertragungsprotokolle ab und definiert andererseits Anforderungen an das Accounting.

Im Sinne eines Schichtenmodells ist das Billing als Applikation des System- und Netz-Mangements zu sehen. Im Billing werden die Tarifierungsregeln auf die erhobenen Accounting-Daten angewendet. Das Ergebnis sind Unterlagen (Rechnungen) ueber kostenpflichtige und zurechenbare Leistungen.

Die im Billing erzeugten Unterlagen (Rechnungen) werden in der Kostenrechnung innerhalb des betrieblichen Kostenrechnungssystems (etwa SAP) konsolidiert und den betreffenden Kostenstellen des Unternehmens zugeordnet.

* Helmut Duerr ist Leiter des Competence Centers Corporate Networks im Bereich Telekommunikation bei der Debis Systemhaus GEI GmbH, Muenchen.