Finanzmisere zwingt zu Entlassungen und Schließungen

Corel protestiert gegen einen Microsoft-Auftrag

17.07.1998

Laut Corel hat die kanadische Regierung Microsoft mit der Lieferung von 30000 Office-Paketen beauftragt, ohne Corels Konkurrenzprodukt "Wordperfect Office" in Erwägung gezogen zu haben.

Die Office-Suites sind nach Informationen der "Financial Times" für das kanadische Steueramt vorgesehen, das bereits im letzten Jahr etwa 5000 Stück der Microsoft-Software im Wert von zirka zwei Millionen Dollar erstanden hatte. Die kanadische Regierung habe laut Corel die internationalen und nationalen Handelsverpflichtungen gebrochen, indem sie anderen Herstellern kein entsprechendes Angebot unterbreitet hat. Nun soll das von Corel beauftragte International Trade Tribunal den Deal über die erneute Lieferung unterbinden. Die Rahmenbedingungen der Vereinbarung mit Microsoft "geben anderen Wettbewerbern schlichtweg keine Chance", kritisiert Corels Rechtsanwalt Ronald Lunau.

Steuerbehörde will am Auftrag festhalten

Dennoch will die Steuerbehörde am Geschäft mit Microsoft festhalten. So habe man bereits die gelieferten 5000 Pakete auf die Systeme installiert. Ein Umstieg auf Corels oder Lotus' Office-Paket würde hohe Kosten und eventuell Schwierigkeiten bei der Systemeinführung mit sich bringen. Die Umstellung auf Microsofts Office diene zum Teil den Bemühungen der Behörde, seine Systeme auf das Jahr 2000 vorzubereiten.

Branchenbeobachter vermuten indes, daß die Entscheidung zugunsten Microsofts von anderen Gründen abhängt. Denn während Corel gerade neun Prozent Marktanteil mit Wordperfect Office innehat, beherrscht Microsoft mit etwa 90 Prozent das Geschäft mit Bürosuites klar. Darüber hinaus könnte die derzeit wirtschaftlich katastrophale Situation Corels die Entscheidung der Regierung pro Microsoft beeinflußt haben. Nach miserablen Ergebnissen in den letzten Geschäftsquartalen mußte Corel auch im zweiten Quartal des laufenden Geschäftsjahres ein Minus ausweisen. Rund 8,3 Millionen Dollar Verlust mußte der Hersteller hinnehmen. Im ersten Quartal hatte das Defizit 21,1 Millionen Dollar betragen. Im vierten Quartal des Vorjahres hatte Corel sogar 95 Millionen Dollar auf der Soll-Seite des Geschäftskontos verbuchen müssen.

Die wirtschaftlich anhaltende Misere zwingt Corel nun offensichtlich zu radikalen Gegenmaßnahmen. Kurzfristig hat das Management beschlossen, seine Dependance in Orem, Utah, zu schließen und etwa 530 Mitarbeitern - rund 20 Prozent - den Laufpaß zu geben. Damit will Corel eigenen Angaben zufolge etwa 33 Millionen Dollar jährlich einsparen. In Orem entstand die Textverarbeitung "Wordperfect", das Kernstück der Wordperfect-Office-Suite.