Controlling/Finanzsoftware fuer Grossunternehmen auch im Mittelstand Amerikanisches Reporting und Lean Accounting im Filmhandel

20.10.1995

Von Heidrun Haug*

Gertenschlank ist die Buchhaltung des mittelstaendischen Handelsunternehmens VCL, Muenchen, geworden. Die Mitarbeiterzahl im Rechnungswesen hat sich halbiert, waehrend gleichzeitig das Berichtswesen ausgebaut wurde. Der Anwender fuehrt die Effizienzsteigerung auf Standardsoftware der Stuttgarter GBS mbH zurueck.

Auch der Handel mit der Phantasie bleibt vom Umgang mit schnoeden Zahlen nicht verschont. Denn der Kauf von Filmrechten und deren Weiterverwertung ist ein kapitalintensives Geschaeft mit betraechtlichen Risiken. An einem leistungsfaehigen Rechnungswesen mit zeitnahen Berichten und detaillierten Auswertungen zur wirtschaftlichen Situation des Unternehmens fuehrte daher auch bei der VCL/ Carolco Communications GmbH, ein in der Medienbranche taetiger Firmenverbund mit zwei Tochtergesellschaften und Sitz in Muenchen, kein Weg vorbei. Nicht nur gegenueber Lieferanten und Banken will das Handelsunternehmen damit seine Kreditwuerdigkeit beweisen. Vielmehr seien ein ausgefeiltes Controlling und Reporting noetig, erlaeutert Finanzchef Wolfgang Bussjaeger, weil die VCL als Tochter eines amerikanischen Konzerns monatlich sowohl nach deutscher Rechnungslegung (HGB) als auch nach amerikanischen Vorschriften (GAAP) berichten muss. Spaetestens fuenf Tage nach Monatsende moechte die US-Mutter alle Daten und Fakten auf dem Tisch haben.

Doch der Einsatz einer geeigneten DV-Loesung gestaltete sich zunaechst schwieriger als erwartet. Wie viele mittelstaendische Firmen benoetigt die VCL umfassende Moeglichkeiten im Berichtswesen, die sich von Anwendungen in Grossunternehmen lediglich durch Mengengeruest und Strukturkomplexitaet unterscheiden. Im Gegensatz zu Grossanwendern verfuegen sie jedoch nur ueber knappe Ressourcen fuer die Implementierung und die Pflege der Programme. So kam aus Kosten- und Zeitgruenden weder die Eigenentwicklung eines entsprechenden Programms in Frage noch die Einfuehrung eines der grossen Systempakete fuer das Rechnungswesen, deren Anpassung an die betrieblichen Erfordernisse erfahrungsgemaess sehr aufwendig ist. Bussjaeger: "Wir suchten eine kompakte und zugleich schlanke Loesung mit allen Grundfunktionen von einem Anbieter, der die Beduerfnisse eines mittleren Unternehmens kennt."

Mit 91 Mitarbeitern, einem Umsatz von 75 Millionen Mark im Jahr 1994 und im Besitz von Filmrechten im Wert von zirka 100 Millionen Mark ist die 1981 in Frankfurt gegruendete VCL GmbH ein solides mittelstaendisches Unternehmen der Branche. Als Vertriebspartner mittlerer Produktionsfirmen kauft die deutsche Tochter des amerikanischen Filmproduzenten Carolco Filmrechte in der Preisspanne zwischen 30000 Mark (zum Beispiel fuer einen Kinderfilm) und drei Millionen Dollar fuer den deutschsprachigen Raum ein. Verwertet werden diese Rechte von VCL zum einen ueber den Vertrieb der Filme auf verschiedenen Medien (Videokassette, Laserdisk) an Videotheken, Kaufhaeuser, Tankstellen und Buchhandel. Zum anderen ueber den Weiterverkauf von Auffuehrungsrechten an private und oeffentlich-rechtliche Fernsehanstalten. Der Miterwerb der finanziell unattraktiveren Kinorechte fuer Filme mittlerer Budgets und Bekanntheit wird dabei von den Produzenten fuer die Ueberlassung der Video- und Fernsehrechte haeufig zur Bedingung gemacht. Basis des Geschaefts, buchhalterisch gesehen also Kostentraeger, ist der einzelne Filmtitel. Ueber ihn muessen Auswertungen und Erfolgsbetrachtung gewaehrleistet sein.

Bei seinem Eintritt in die Firma fand Bussjaeger einen bunten Mix von Hardware und vier inkompatible PC-Buchhaltungssysteme vor. Daneben gab es Software fuer Auftragsabwicklung, Lagerhaltung, Fakturierung und Textverarbeitung. Die Lohn- und Gehaltsabrechnung wurde von einem externen Steuerberatungsbuero durchgefuehrt. "Trotz ausreichender Mitarbeiterzahl existierte eine desolate Berichtssituation", erinnert sich der Finanzchef. Drei verschiedene Kontenplaene wurden verwendet, jedoch war kein Kostenstellenplan vorhanden, und die Buchhaltungssoftware war nicht in der Lage, Anforderungen an amerikanisches Reporting zu erfuellen oder gar die drei VCL-Gesellschaften zu konsolidieren. Also musste ein leistungsfaehiges Berichtswesen aufgebaut und eine Software gefunden werden, in der saemtliche Berichte mit den Zahlen aus der Buchhaltung abgestimmt waren und spaetestens fuenf Tage nach Monatsende vorliegen konnten.

Bei der Ausschreibung stellte sich heraus, dass es zwar eine grosse Angebotspalette an Accounting-Software speziell fuer mittelstaendische Unternehmen gibt. Doch die meisten Anbieter "sind nicht in der Lage, aus einem Datenbestand sowohl deutsche als auch parallel amerikanische Berichte zu entwickeln", fasst Bussjaeger die Erfahrungen zusammen. Mit den Moeglichkeiten ihrer Finanzbuchhaltung und der Entwicklung des Berichtswesens aus der Kostenrechnung kam die Stuttgarter GBS Gesellschaft fuer betriebswirtschaftliche Software mbH den Vorstellungen und Beduerfnissen der VCL am naechsten.

Die GBS-Software laeuft im Client-Server-Betrieb unter Unix ebenso wie unter Novell, MS-DOS oder OS/2, ist speziell fuer mittlere Unternehmen konzipiert und laut Hersteller mehr als 200mal vornehmlich bei multinational operierenden Mittelstaendlern installiert. Die Standardsoftware umfasst Module fuer die Finanzbuchhaltung, Kostenstellen-, Kostentraeger- und Ergebnisrechnung sowie fuer die Anlagenbuchhaltung, die alle buchhalterischen Aufgabenstellungen von der Durchfuehrung einfacher Sachbuchungen bis zur automatischen Erstellung von Bilanz-, Gewinn- und Verlustrechnungen und flexiblen Berichten aus der Kostenrechnung unterstuetzt.

Schritt fuer Schritt alle Module eingefuehrt

Auch komplexere Planungs- und Abrechnungssysteme wie etwa die Grenzplankostenrechnung und neuere Anforderungen wie die Prozesskostenrechnung lassen sich mit der GBS-Kostenrechnung umsetzen. Besonders wichtig fuer Tochterunternehmen auslaendischer Muttergesellschaften wie die VCL: Das System beinhaltet Funktionen fuer die Konzernabwicklung, Fremdwaehrungsbuchhaltung sowie das Berichtswesen nach den EG- und US-Steuervorschriften.

Schritt fuer Schritt hat VCL saemtliche Module eingefuehrt. Die entscheidende Vorgabe an die GBS wie auch an die Lieferanten der parallel eingefuehrten Auftragsabwicklung (GE2000 - Geschaeft 2000 der Firma Schoenenberg) war die automatische Uebergabe der Daten aus der alten, selbstgestrickten Auftragsabwicklung, um die Doppelerfassung von Daten zu vermeiden. Eine Anforderung, die problemlos erfuellt wurde.

Nach der Einfuehrung der neuen Software verringerte sich der Buchungsaufwand im Hause VCL drastisch. Mit der Folge, dass die Zahl der Arbeitsplaetze in der Buchhaltung mehr als halbiert wurde: Gab es vor der Software-Einfuehrung 15 Mitarbeiter im Rechnungswesen, sind es heute nur noch sieben - bei wesentlich groesserer Quantitaet und Qualitaet des Outputs. Monat fuer Monat erarbeitet das kleine Team einen fuenf Zentimeter hohen Stapel an Berichten und Auswertungen: drei Bilanzen und drei Gewinn-und- Verlust-Rechnungen nach deutschem und/oder amerikanischem Recht; Konsolidierungen; Altersstrukturanalysen der Forderungen; Kostentraeger- und Kostenstellenberichte, sowohl in der Zeitreihe als auch kumuliert, mit Budget- und Vorjahresvergleich. Alles versandfertig, nur fuenf Tage nach Monatsende - fuer die Mutter in den USA.

Pruefungsgebuehren konnten halbiert werden

Die Steigerung der Berichtsqualitaet war vor allem deshalb moeglich, weil sich im neuen System jeder Sachverhalt mit einer einzigen Buchung vollstaendig, also mit Konto, Kostenstelle und Kostentraeger, abbilden laesst. Erleichternd kommt hinzu, dass Berichte und Berichtsfluss so aufgebaut werden koennen, dass sich jede Zahl ohne grossen Aufwand bis zum Urbeleg zurueckverfolgen laesst, was den Kontrollaufwand insbesondere bei Unstimmigkeiten enorm reduziert. Zudem hat der jeweilige Abteilungsleiter auf dem Urbeleg sowohl Kostenstellen als auch Kostentraeger fuer die jeweiligen Betraege eingetragen.

Stark abgenommen hat offenkundig die Belastung der Buchhaltungsmitarbeiter hinsichtlich der Erteilung von Auskuenften fuer die jaehrliche Wirtschaftspruefung, waehrend sich gleichzeitig die Pruefungsgeschwindigkeit dank uebersichtlicher und klar strukturierter Daten erhoehte. "So konnten wir auch noch die Pruefungsgebuehren halbieren", freut sich Bussjaeger. Tabellenkalkulationen, frueher von zahlreichen Mitarbeitern als Unterbuchhaltungen gefuehrt, werden heute als Ergaenzung von lediglich einer Mitarbeiterin erledigt. Und obwohl die Personalreduzierung besonders stark die Debitorenbuchhaltung betraf, findet eine detailliertere Kundenueberwachung und Kreditlimitpflege statt als frueher.

Mittels Schulungen will man bei VCL den Umgang der Benutzer mit dem von GBS eingesetzten Datenbanksystem "Progress" verbessern und die Anwendungen im Bereich Debitoren ausweiten. Ziel: mehr Informationen ueber Kunden und in Verbindung mit der Auftragsabwicklung eine noch feinere Steuerung der Auslieferungen. Ausserdem sollen die Lohn- und Gehaltsdaten von der Datev automatisch uebertragen und verbucht werden. Des weiteren will man das gesamte Filmvermoegen in die GBS-Anlagenbuchhaltung uebertragen und zwar zur punktgenauen Filmabschreibung und automatischen Verbuchung.

* Heidrun Haug ist Fachjournalistin in Tuebingen.