AOL Deutschland zu Schadenersatz verurteilt

Content-Provider sollen künftig für Raubkopien haften

21.04.2000
MÜNCHEN (CW) - Das Landgericht München I hat den Online-Dienst AOL Deutschland zu Schadenersatz wegen Bereithaltung illegaler Midi-Files verurteilt. Während die Musikindustrie von einem wegweisenden Urteil spricht, hält sich die Provider-Branche bedeckt.

Der Sprecher der Verwertungsgesellschaft Gema, Hans-Herwig Geyer, feierte das Urteil als einen "Meilenstein bei der Durchsetzung von Urheberrechten im Netz". Mit verschiedenen Initiativen kämpft die Branche gegen eine Erosion ihrer Marktanteile durch zum Teil illegale elektronische Vertriebswege.

In dem Verfahren vor dem Münchner Landgericht ging es um ein von AOL eingerichtetes "Musik-Soundforum". Internet-Nutzer konnten dort Musikdateien ablegen oder herunterladen, darunter auch so genannte Midi-Files (Instrumentalversionen von Musikstücken, die nur auf PC-Disketten abgespielt werden können). Die Hit Bit Software GmbH aus Karlsruhe, einer der führenden Anbieter derartiger Musikstücke in Deutschland, hatte AOL bereits 1998 wegen der Verletzung von Urheberrechten verklagt, nachdem der Online-Dienst den Bitten um Beseitigung bestimmter Dateien nicht nachgekommen war. Die Münchner Richter verurteilten den Anbieter, obwohl er Warnhinweise auf die Beachtung von Urheberrechten angebracht und so genannte Scouts zur Überwachung der Dateien eingesetzt hatte. Diese hatten nach einer Stellungnahme des Landgerichts versteckte Copyright-Vermerke von Hit Bit jedoch nicht bemerkt.

Teledienstegesetz sorgt für MissverständnisseDas Gericht entschied daraufhin, dass der Provider allein deswegen nach Paragraph 5, Absatz 2 des Teledienstegesetzes verantwortlich sei, da er wusste, dass es sich um bekannte Musikstücke neueren Datums handelte, an denen stets Urheberrechte bestehen könnten. Außerdem hätten die Copyright-Vermerke mit zumutbarem Aufwand von den Scouts aufgefunden werden können.

Genau um diese Begründung streiten sich nun die Geister. AOL-Sprecher Frank Sarfeld sieht seinen Arbeitgeber aus dem Schneider, da der Provider die fraglichen Dateien sofort gelöscht habe, nachdem er davon durch Hit Bit erfahren habe. Damit habe man dem Teledienstegesetz Rechnung getragen. Da allerdings unterliegt Sarfeld möglicherweise einem gravierenden Irrtum, denn das Gesetz unterscheidet in der Frage der Verantwortung für Inhalte grundsätzlich zwischen Access-, Service- und Content-Providern. Wäre AOL nun ein reiner Service-Provider, der nur Inhalte Dritter wiedergibt, so hätte der AOL-Sprecher Recht (Access-Provider haften ohnehin nicht für fremde Inhalte). In diesem Fall handelte es sich jedoch um ein von AOL selbst eingerichtetes Forum. Der Online-Dienst ist damit durchaus als Content-Provider (Inhaltsanbieter) zu betrachten und hätte von sich aus in vollem Umfang dafür Rechnung zu tragen, dass in seinem Einflussbereich nichts Illegales geschieht - und zwar bevor sich andere beschweren.

Der Geschäftsführer des Provider-Verbandes Eco, Harald Summa, betrachtet die Formulierungen des Teledienstegesetzes zwar als missverständlich. Er glaubt aber gleichzeitig, dass das Urteil eine Möglichkeit bietet, Klarheit zu schaffen. Für die Internet-Nutzer könne es bedeuten, dass Online-Dienste aus Vorsicht solche Foren künftig nicht mehr anbieten würden. Summa hält allerdings nichts von dem Ansinnen der Musikindustrie, quasi einen "Abwehrgürtel" von Gerichtsurteilen um Deutschland zu legen oder Provider generell zum Einbau von Filtern zu zwingen.