Elektronikanbieter leiden unter amerikanischer Politik:

Computerembargo trifft auch den Westen

18.03.1983

Mit immer schärferen Maßnahmen gegen den Export von High-Technology-Produkten in die Ostblockstaaten, bekämpft US-Präsident Ronald Reagan den sowjetischen Imperialismus. Unter den Embargobestimmungen scheinen jedoch weniger die Länder des Comecon als vielmehr westliche Anbieter zu leiden. Hier trifft das Exportverbot vor allem die europäischen Lieferanten.

Insbesondere beeinträchtigt die Re-Export-Klausel die West-Geschäftspartner von US-Unternehmen. Sie verpflichtet nämlich den Importeur, das von einem amerikanischen Lieferanten erworbene Gerät nicht in ein Ostblockland weiterzuleiten.

Allerdings muß hier zwischen kleinen und mittleren Systemen, die nach wie vor in den Osten verkauft werden dürfen, und Groß-DV unterschieden werden. Für Jumbos und andere High-Technology-Produkte gibt es dagegen so gut wie keine Exportchance.

Im Wirtschaftskrieg mit den Amerikanern

Mittlerweile fühlen sich einige deutsche Elektronikunternehmen, die sich in der Regel an die von Onkel Sam befohlenen Exportkonditionen halten, mit den Amerikanern im Wirtschaftskrieg. Sie haben das Gefühl, "ausgetrickst" zu werden. Während ihre Bemühungen, eine Sondergenehmigung für den Export eines Produktes in den Osten zu erhalten, immer wieder scheitern, kann ein amerikanischer Mitbewerber sie sehr oft vorweisen. Das heißt nicht, daß die amerikanischen Behörden die Bitte ausländischer Unternehmen um Ausfuhrgenehmigung abschmettern. Vielmehr lassen sie die Anfrage ein Jahr unbeantwortet schmoren, womit das geplante Geschäft in der Regel gestorben ist.

In einem Punkt sind sich die bundesdeutschen Anbieter allerdings ganz sicher. Bestünde die Möglichkeit, ein Geschäft mit Ostblockstaaten abzuschließen, würde es von östlicher Seite erst ihnen und dann den Amerikanern angeboten werden. Die Russen sind nämlich "stocksauer" auf die Amerikaner, meint ein bundesdeutscher Kenner der Ost-West-Szene.

Einhellige Meinung der "Möchtegern"-Importeure: Erst das Weizenembargo und jetzt der gleiche Versuch mit Elektronikprodukten. Die Amerikaner würden wieder einmal bereits abgeschlossene Verträge brechen und die Exportsperre als Waffe benutzen.

Gerüchte bereiten Kopfzerbrechen

Eine neue Branche hat Reagans Embargopolitik in Amerika aus dem Boden schießen lassen. Kleinere Unternehmen kaufen verbotene Produkte in den USA ein, um sie dann mit viel Gewinn "illegal an die Sowjets weiterzuleiten. Meist handelt es sich um Briefkastenfirmen, von denen erst wenige entdeckt und noch weniger bestraft wurden. Auch bereiten den amerikanischen Behörden die immer wieder in der heimischen Presse auftauchenden Gerüchte, Unternehmen wie IBM und Control Data Corporation würden versuchen, das Embargo ihres Präsidenten zu unterlaufen, Kopfzerbrechen.

Um diesem Mißstand abzuhelfen, könne es sein, sinniert ein bundesdeutscher Verbandssprecher, daß Ronald Reagan den amerikanischen

DV-Jumbos neue Exportwege öffnet. Der Präsident erklärt Regierungen schlicht zu Freunden Amerikas, die es vorher nicht waren. Man erinnere sich: IBM, Control Data und Hewlett-Packard lieferten Computer im Werte von Milliarden Dollar an die Chinesen, nachdem Mister Reagan freundschaftliche Bande geknüpft hatte. Europäische Lieferanten dagegen dürfen China nicht mit elektronischen Produkten beliefern, ohne vorher das Coordinating Committee for East-West-Trade (Cocom) in Paris zu fragen.

Bleibt die Frage offen, wie die UdSSR und die anderen Ostblockländer weiterhin auf die Exportsperre reagieren. Fest steht, daß sie durch noch intensivere Zusammenarbeit versuchen, dem technologischen Rückstand entgegenzuwirken. Glaubt man Lynn Gallup von der Control Data Commerce International Inc." so werden die Russen alles tun, um nicht zweitklassig zu werden. Gallup: Ich weiß nicht, ob die Amerikaner begreifen, wie weit sie dafür gehen werden. "