Die Orgatechnik geht als Orgatec in die 90er Jahre

Computer und Möbel in Köln:Altbewährtes mit neuem Namen

26.10.1990

Kaum hat die photokina ihre Pforten geschlossen, lädt wieder einmal die Internationale Büromesse nach Köln ein. An dem erstmals als "Orgatec" stattfindenden Computer- und Möbelspektakel nehmen in diesem Jahr rund 2000 Aussteller aus mehr als 30 Ländern teil. Ihnen steht durch den Neubau der Halle 4 diesmal eine Ausstellungsfläche von insgesamt 245 000 Quadratmetern zur Verfügung.

Allein 4000 Quadratmeter Bruttofläche nimmt davon die IBM Deutschland in Anspruch. Wie schon vor zwei Jahren, belegen die Stuttgarter mit ihren Vertriebspartnern und Händlern die gesamte Halle 7, um ihr Angebotsspektrum für den Mittelstand ins rechte Licht zu setzen. Was den Schwaben recht ist, ist den Bayern nur billig. Die Münchner Siemens AG läßt sich nämlich flächenmäßig ebenfalls nicht lumpen und macht das Erdgeschoß der Halle 8 mit einer Bruttofläche von 3400 Quadratmetern zur Isarmetropole. Mit von der Partie ist auch die neue Siemens-Nixdorf Informationssysteme AG, die ihre Messepremiere in Deutschland bereits auf der Systec in München feierte. Auf einem eigenen Stand von 1100 Quadratmetern stellt sich das SNI-Team mitsamt seiner Produktpalette (Schwerpunkt "Office") erstmals dem Kölner Publikum vor.

Ein neuer Name ist auch im Erdgeschoß der Halle 10 zu finden. Orgatec-Premiere feiert nämlich die Itos Computer GmbH, ehemals CTM Computertechnik GmbH, Konstanz. Die Neufrankfurter - mit dem neuen Namen folgte der Umzug der Hauptverwaltung in die Mainmetropole - bleiben hallenmäßig in alter Heimat, haben sich aber einen größeren Stand geleistet.

Auf mehr Quadratmetern zeigt das Itos-Team sein neues "Outfit" - und was es sonst noch so zu bieten hat. Ausgestellt wird nämlich die gesamte Produktpalette. Unterstützung leisten zudem Partnerfirmen mit speziellen Branchenlösungen für die Itos-Rechner.

Ein anderes Gewand durfte sich auch PC-Macher Zenith Data Systems (ZDS) zulegen. Die Ansammlung der Farben Blau und Grün im Firmenlogo weist sie unübersehbar als Angehörige der Gruppe Bull aus. Hallenmäßig sind die "Jungvermählten" ebenfalls zusammengerückt.

Auf 700 Quadratmetern präsentiert sich ZDS in diesem Jahr genau gegenüber vom, neuen Eigentümer, der sich in Halle 6 Original mehr in Unix- und Mittelstandslösungen versucht. Immerhin hat die Kölner Bull AG bei ihrem Heimspiel auch eine Premiere zu bieten: Zu sehen ist, so Pressesprecher Jörg M. Pläsker, die erste vollständige Implementierung des Betriebssystems OSF/1 auf den DPX/2-Rechner.

Begrüßen können die Orgatec-Besucher zudem einen Rückkehrer. Die Digital Equipment GmbH, die der Kölner Messe vor zwei Jahren fernblieb, hat sich auf 350 Quadratmetern in der neuen Halle 4 eingerichtet. Gezeigt werden schwerpunktmäßig Bürokommunikation unter Unix und VMS mit Einbindung von PCs unter MS-DOS, OS/2 und der Mac-Welt sowie die Verbindung von Telefon und Netzwerken. Grund des Aussetzers 1988 war der unbefriedigende Verlauf der 1986er-Veranstaltung. "Zum einen waren wir schlecht plaziert - um uns herum waren nur Anbieter von PC-Lösungen -, zum anderen war damals die Orgatechnik ohne erkennbares Konzept. Dafür war uns der Aufwand zu hoch", so DEC-Sprecherin Theresia Wermelskirchen. Da aber die Messegesellschaft mittlerweile eine klarere Struktur geschaffen und zudem die Zahl der Fachbesucher zugenommen habe, habe man sich in diesem Jahr wieder zur Teilnahme entschlossen.

Erneut zu den Abstinenzlern gehören neben Data General auch wieder Prime Computer und Hewlett-Packard. Zwar hat der Böblinger DV-Hersteller wie 1988 sein Bad Homburger Vertriebsteam an den Rhein geschickt.

Dieses dient jedoch vor allem als Ansprechpartner für die neun HP-Distributoren, die sich auf dem für sie angemieteten 200 Quadratmeter großen Stand in Halle 4 tummeln. Über die Vertriebsparter vertreten ist, auch Data General; die unterhalten allerdings ihre eigenen Stände. Die Wiesbadener Prime Computer indes hat definitiv einen Schlußstrich unter die Orgatec-Aktivitäten gezogen. Der Anbieter von technisch-wissenschaftlichen Lösungen fühlt sich auf der Münchener Systec wesentlich heimischer, zumal sich dort laut Marketingleiter Hermann Becker auch die Vertreter der anvisierten Prime-Zielgruppen Automobilindustrie, Eletronikindustrie und Maschinenbau einfinden.

Nichts geändert hat die Köller Messegesellschaft an der Aufteilung der Angebotsschwerpunkte. Dazu bestand auch kein Anlaß, nachdem das Konzept von 1988 aufgegangen war. Damals hatten sich die Messestrategen die harsche Kritik an dem Ausstellungsdurcheinander zu Herzen genommen und die einzelnen Produktgruppen sauber getrennt.

Wie vor zwei Jahren ist somit die Büro-, Informations- und Kommunikationstechnik in den Hallen 4 bis 11 zu finden, während Peripheriegeräte, Systemkomponenten und OEM die Hallen 1 bis 3 besiedeln. Den Büromöbelherstellern steht in diesem Jahr eine Halle mehr zur Verfügung. Neben den Hallen 12 bis 14 sind Büroeinrichtung und -ausstattung auch noch in Halle 10 zu bewundern.

Das Aus für Trittbrottfahrer

Zuleibe gerückt sind die Domstädter den Unterausstellern. Aus ihren Reihen hatten sich in der Vergangenheit zunehmend Firmen mit unpassenden Produkten den Zutritt erschlichen. Messechef Wilke im November letzten Jahres: "Da meldeten sich Firmen unter der Rubrik Organisationsmittel an und stellten Aktentaschen aus." Diesen Trittbrettfahrern sollte zur diesjährigen Veranstaltung durch ein bestimmtes Prüfverfahren der Garaus gemacht werden.

Zumindest qualitativ hat Wilke Wort gehalten. Nach 463 - davon überwiegend ausländischen - Mitausstellern schafften heuer nur noch 345 Unteraussteller die Teilnahme. Deren Produktqualität wird sich im Verlauf der Messe zeigen. Als haltlos erwies sich allerdings das Gerücht, daß derjenige einen Sonderpreis bekommt, der auf der Orgatec einen Aktentaschenaussteller sieht.

Im Osten tote Hose

Wieder einmal ist so mancher Computerhersteller mit fadem Beigeschmack nach Köln gereist. Denn die Orgatec, von Messechef Hans Wilke gerne mit internationalem Flair geschmückt, kommt über das Image der regionalen Westmesse nicht hinaus. Wer zudem mangels Lösungen nicht vom Herbstausflug der Bonner Behörden nach Köln profitieren kann, wer mir den Bankern nicht klarkommt und auch dem Mittelstand nichts zu bieten hat, sollte lieber gleich zu Hause bleiben - so wie Data General, Prime oder Hewlett-Packard, die bereits 1988 vom Herbsttreff am Rhein nichts mehr wissen wollten. Nur wegen des "Gesehenwerdens" kann sich heutzutage kein DV-Hersteller mehr eine Messenteilnahme leisten.

In kaum besserer Stimmung dürften aber auch die Büromöbelaussteller sein. Sie pochen zwar weiterhin beharrlich und erfolgreich auf ihre Ausstellungsfläche - schließlich hoben sie einst die Kölner Messe aus der Taufe. Nur sind auch in der Domstadt die Zeiten vorüber, in denen sich die Möbelleute ungeniert unter die Computercracks mischen konnten, um von dem dortigen Besucherandrang zu profitieren. Seit die Orgatec-Strategen sich dem Druck der DV-Aussteller beugten und die Möbelleute in die Osthallen verbannten, schieben die dort eine ruhige Kugel, während in den Westhallen das Leben tobt. Auch in diesem Jahr wird das nicht anders sein.