Computer lösen keine Bildungsprobleme

19.09.2002
Hunderte von Millionen Euro steckten Bund, Länder und Unternehmen in die Computer- und Internet-Ausstattung der Schulen. Doch die Frage, ob der IT-Einsatz Schülern hilft, effektiver zu lernen, bleibt unbeantwortet.

„Alle Schulen in Deutschland am Netz!“ Diesen Erfolg meldeten im Oktober 2001 Bundesbildungsministerium (Bmbf) und die Telekom, nachdem in Berlin die letzte der allgemeinbildenden Schulen ans Internet angeschlossen wurde. Nun sind 35000 von 38000 Schulen am Netz, die übrigen nahmen das Gratis-Angebot nicht an.

Über 80 Millionen Euro investierten Telekom und Bmbf in die Initiative „Schulen ans Netz“, seit sie diese 1996 ins Leben riefen. Damals hatten gerade 800 Schulen einen Internet-Zugang. „Das Internet im Schulalltag zu verankern“ war das große Ziel der Initiative, die sich heute darauf konzentriert, Lehrer durch Portale wie www.lehrer-online.de oder www. leanet.de (speziell für Frauen) zu unterstützen.

Technik im Schulalltag vergessen?

Auch wenn alle Schulen technisch in der Lage sind, das Internet zu nutzen, ist das Netz im Unterricht nicht so verankert wie gewünscht: Das liegt auch an der technischen Ausstattung, die vielerorts nicht optimal ist. Laut Bmbf befinden sich 684 968 Computer an 29 588 Schulen, wobei in weiterführenden Schulen ein PC auf durchschnittlich 17 Schüler kommt. Nur 58 Prozent der Geräte sind ans Internet angeschlossen und fast die Hälfte so alt, dass sie nicht multimediafähig sind.

Computerräume fristen mancherorts ein Dasein wie die Sprachlabors der 70er und 80er Jahre: Technik zwar vorhanden, aber im Schulalltag vergessen. Viele Lehrer empfinden die Integration des Internet als zu mühsam. „Wenn 17 Rechner gleichzeitig über eine ISDN-Leitung auf das Netz zugreifen, sind die Ladezeiten einfach zu lang“, beschwert sich ein Münchner Lehrer. 77 Prozent aller Schulen arbeiten noch mit ISDN-Anbindung. Das Internet betrachtet er wie viele Kollegen mit zwiespältigen Gefühlen: Zwar bietet es neue Quellen der Information, aber die Pädagogen müssen ihren Schülern den richtigen Umgang mit dem Netz erst vermitteln.

Kritikfähigkeit gefragt

Es gilt, deren „Internet-Gläubigkeit“ durch die genaue Analyse ausgewählter Seiten zu erschüttern. Zudem müssen Lehrer ihre Schüler viel schärfer kontrollieren. „Bei der Web-Recherche zum Thema Nibelungenlied dauerte es keine zehn Minuten, bis die ersten auf rechtsradikalen Seiten gelandet waren“, so die Erfahrung des Münchner Deutschlehrers. Andernorts ist die Computernutzung ein schlichtes Platzproblem. „20 gespendete PCs konnten wir nicht aufbauen, weil wir 600 Schüler statt der geplanten 400 unterbringen müssen und keinen freien Raum mehr haben“, erklärt Franz-Michael Baumann, Lehrer an der städtischen Realschule Nettetal in Nordrhein-Westfalen. Der einzige PC-Raum ist so belegt mit Informatikkursen, dass es wenig Chancen gibt, ihn für andere Fächer zu nutzen.