Edeka entwickelt Warenwirtschaftssystem für Einzelhandel:

Computer kalkuliert Obst- und Fleischverkauf

18.11.1988

Dipl.-Kfm. Volker Heiner ist freier DV-Autor in Krefeld

Längst aus den Kinderschuhen herausgewachsen ist das 1985 eingeführte Warenwirtschaftssystem (WWS) Ebus der Edeka AG, Hamburg. Mit dem Programmpaket zur warenbezogenen Spannenkontrolle und Fortschreibung des Warenstands steuern unterdessen rund 130 Edeka-Kaufleute die Geschicke ihrer Einzelhandelsbetriebe. Über die Entwicklung und Funktionsweise von Ebus berichtet Volker Heiner*.

Mit der Entwicklung des WWS betrat die Edeka-Gruppe kein Neuland. Das Unternehmen setzt bereits seit den siebziger Jahren Systeme dieser Art für den Einzelhandel ein. Sie basieren auf einer heute noch für die Regiebetriebe gültigen Funktionsverteilung, und zwar Datenerfassung mit MDE im Einzelhandel und Datenverarbeitung auf Mainframe-Anlagen im Großhandel.

Soweit Scannerkassen im Einsatz sind, werden deren Daten ebenfalls großhandelsseitig verarbeitet. Sowohl unter Kosten- wie auch Führungsgesichtspunkten ist diese zentral-orientierte Struktur auch heute noch berechtigt. Das System wird von den Kaufleuten je nach Bedarf in vielen Betrieben genutzt. Ein wesentlicher Mangel des alten WWS lag für die Kaufleute darin, daß die Ergebnisse nach der Datenerfassung nicht sofort abrufbar waren, das heißt, notwendige Entscheidungen konnten erst mit Verzug getroffen werden. Eine grundlegende Weiterentwicklung des WWS für den mittelständischen Lebensmittel-Einzelhandel wurde erst durch ein verbessertes Preis-/Leistungsverhältnis der Personal Computer und Ebus möglich.

Um die Mängel auszumerzen, definierte die Edeka-Gruppe 1982 die Anforderungen an ein einfaches und sicheres WWS, das auch den Bedürfnissen von DV-Neulingen im Einzelhandel Rechnung tragen sollte. In der Grundstufe wurde bewußt auf artikelgenaue Verarbeitung verzichtet; vielmehr sollten die wichtigen Handelsdaten Einkauf, Bestand, Umsatz und Spanne auf der Warengruppenebene ermittelt werden.

Die Pilotinstallation erfolgte Anfang 1985 bei einem Edeka-Einzelhändler mit zwei Märkten in Hamburg. Als Konfiguration wurde ein PC4i mit Prozessor 8088 von NCR sowie 256 Kilobyte Hauptspeicher zwei Diskettenlaufwerken und einem Matrixdrucker eingesetzt. Die PC-Installation wechselte im Laufe der Zeit. Derzeit befindet sich ein PC 710 von NCR im Einsatz.

Mit Hilfe des Ebus-WWS-Systems kann der Kaufmann auf ein Informationssystem über die Warenwirtschaft mit aussagefähigen Leistungskennzahlen zurückgreifen. Ebenso deckt es folgende Bereiche ab: Berichtausgabe, differenzierte Informationen nach Tag, Monat, Jahr oder individuellen Abrechnungszeiträumen bei Frischwaren; Warengruppenberichte als Kurzinformation; Warengruppenstatistik mit detaillierten Geschäftsvorfällen; Umsatzberichte nach Warengruppen mit Aussagen über Spanne, Umsatz und Rohertrag; Betriebsvergleiche bei Mehrfilialsystemen; Lieferanten-Bezugsstatistik; Inventurdifferenzlisten.

System führt Buch über acht Warengruppen

Nach Aussage von Michael Bierther, EDAG, Edeka Datenverarbeitung GmbH, Hamburg, verwenden heute bereits rund 130 Edeka-Betriebe mit knapp 500 Millionen Mark Jahresumsatz das Ebus-System. Seit zwei Jahren arbeitet auch Kaufmann Werner Löser, der zwei Supermärkte in der Nähe von Osnabrück betreibt, mit dem Ebus-Informationssystem. Alle zahlenmäßigen Vorgänge in dem Kleinverbrauchermarkt in Hasbergen bei Osnabrück und in seinem anderen Supermarkt in Melle werden über das Einplatzsystem PC6 von NCR abgewickelt.

Um das gesamte zahlenmäßige Warengeschehen in allen acht Warengruppen überblicken zu können, werden zunächst die Wareneingänge nach Einkaufs- und Verkaufswerten (gegebenenfalls mit Rabatten, Nachlässen oder Stornierungen) erfaßt und verarbeitet. Zweimal die Woche gibt Löser die Umsätze in das System ein und ersieht aus dem detaillierten Umsatzbericht, wie sich Umsatz, Spanne, Rohertrag und Soll-Bestände entwickelt haben. Über verschiedene Zeiträume hinweg lassen sich auch aufgelaufene Umsatzzahlen ausdrucken, um Entwicklungen in den einzelnen Warengruppen hinsichtlich Umsatzanteil, Spanne und Ertragsanteil zu erkennen.

Neben dem Warenwirtschaftssystem Ebus und dem zusätzlichen Programmteil Multiplan sind im Supermarkt Hasbergen vier computergesteuerte Kassen und ein Waagenverbundsystem von ADS angeschlossen. Mit Hilfe des neu entwickelten Waagensystems können Eingabefehler in der Käse- und Frischfleischabteilung durch das Verkaufspersonal praktisch ausgeschlossen werden. Die Verkäuferin kann den Kunden an verschiedenen Waagen durch die Eingabe ihrer Verkäufernummer bedienen und dabei den Kassenbeleg an einer beliebigen Waage ausdrucken lassen.

Zum Einsatz des Warenwirtschaftssystems insbesondere im Frischbereich sagt Löser: "Gerade im Frischbereich muß ich mich bereits mittags über den Abverkauf von Obst und Gemüse am Bildschirm informieren, um zu sehen, wie die weitere Verkaufsentwicklung am Nachmittag sein wird und wieviel Ware für den folgenden Tag nachdisponiert werden muß. Durch dieses Kontrollmittel können wir zu hohe Warenbestände, erhöhte Abschreibungen sowie eine verminderte Spanne und Rendite im Frischbereich vermeiden."

Die Kassenabrechnungen werden abends von den vier Kassen in das Warenwirtschaftssystem eingegeben. Hieraus ergeben sich die Einzelberichte der vier angeschlossenen Kassen und der Tagesumsatzbericht, der gleichzeitig als Ausweis für den Finanz-bericht dient.

Preisänderungen werden aktuell vom PC in die Kassen und Waagen eingegeben, so daß bei neuen Preisstellungen keine Fehler durch falsche Eingaben des Personals auftreten können. Die Kassen liefern desweiteren Zeitperiodenberichte (Umsatz pro Stunde), um beispielsweise den Personaleinsatz bei zu- oder abnehmender Kundenfrequenz koordinieren zu können.

PC wird zur Steuerzentrale

Löser ist mit seinem EDV-technischen Instrumentarium so auf dem laufenden, daß er immer dann eingreifen kann, wenn sich negative Abweichungen ergeben. So kann er beispielsweise bei einer verminderten Spanne in bestimmten Artikelbereichen die Preise erhöhen oder den Personaleinsatz gezielt verbessern.

Löser: "Ich habe von den Zahlen her mein Geschäft so im Griff, daß ich jeden Tag genau weiß, wie ich stehe. Ich kann selbst die kleinste Veränderung innerhalb einer Warengruppe erkennen und entsprechend schnell und kurzfristig reagieren."

Der Kaufmann weist allerdings auch auf ein Problem hin: "Man sollte nicht den Fehler machen, sich nur noch mit dem enorm großen Zahlenmaterial zu beschäftigen, sondern sich aktuell und schwerpunktmäßig Bereiche herausnehmen, wie zum Beispiel Artikelberichte oder Inventurdifferenzen, um dann gezielt einzugreifen."

Seit 1986 sind die ersten Systemerweiterungen bei der Edeka AG zu verzeichnen. Als zusätzliche Anwendung wurden auf Ebus PC-Programme für PLU-fähige Kassen- und Waagenverbundsysteme installiert. Damit war ein Teilschritt in die Einzelartikelkontrolle getan, der auch ohne Scanning bereits über 50 Prozent des Umsatzes artikelgenau transparent machte. Zusätzlich ermöglichten der PC und MS-DOS die Nutzung einer Vielzahl von Programmpaketen wie FIBU, Lohn und Gehalt, aber auch Textverarbeitung.

Da sich der PC immer mehr zur Steuerungs- und Kommunikationszentrale im Lebensmittel-Einzelhandel entwickelt, hat die Edeka Gruppe 1987 das Projekt Ebus-Plus aufgelegt. Die Zielsetzung besteht in der horizontalen und vertikalen Vernetzung des Datenflusses unter Einbeziehung des PCs.

Auf der horizontalen Ebene des Einzelhandelsbetriebes sollen laut Bierther alle warenwirtschaftlichen Prozesse einschließlich der Organisationsmittel wie Kassen (ECR und Scanning), Waagen und MDE-Geräte koordiniert und integriert werden.

Sinnvolle Problemlösungen des DV-Marktes wie

Zeiterfassungs-, Energiekontroll-, Plakatdruck-, Btx- und Büroautomations-Systeme können im Bedarfsfall ausgewählt werden und im System Unterstützung erhalten.

In der Vertikalen ist primär an den Datenaustausch zwischen Einzelhandel und Großhandel, aber auch anderen Dienstleistungsbereichen wie zum Beispiel zur Steuerberatung gedacht.

Kaufmann zieht wirtschaftlichen Nutzen

Die Ergebnisverbesserungen der Ebus-Anwender innerhalb der Edeka-Gruppe lassen sich wie folgt zusammenfassen:

- Spannenverbesserung durch frühzeitiges Erkennen der Auswirkungen von Werbeaktivitäten, Preisänderungen, Warenverlusten etc.

- Umsatzaktivierung einzelner Bereiche durch Warengruppentransparenz

- Umschlagserhöhung durch bedarfsgerechte Anpassung des Warenlagers aufgrund permanent ausgewiesener Soll-Bestände

- Reduzierung der Inventurdifferenz durch warengruppenbezogenen Soll-/Ist-Vergleich

- Zielkontrolle anhand Plandaten und Vorjahresvergleich

- Bezugsoptimierung und Bonuskontrolle durch Lieferanten-Bezugsliste

- Aufschluß über das Kundeneinkaufsverhalten

- Leistungsvergleich bei Mehrfilialunternehmen

- Aufdeckung von Rechnungsdifferenzen zur Proforma-Rechnung.