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Automatisierte Auswerte-Systeme auf dem Vormarsch

Computer hilft bei der Röntgen-Diagnose

19.12.2007
Von Handelsblatt 
Selbst für Experten ist es nicht einfach, auf Bildern aus dem Computertomographen Metastasen zu erkennen. Doch automatisierte Auswerte-Systeme in Krankenhäusern verbessern nun die Heilungschancen von Patienten und senken gleichzeitig auch noch die Kosten.

BERLIN. Metastasen in der Lunge zu erkennen, zählt zu den schwierigen Aufgaben im medizinischen Alltag. Das Gewirr von Bläschen und Blutgefäßen ist tückisch. Zwar liefert ein Computertomograph (CT) 400 Schnittbilder - und doch werden zuweilen millimetergroße bösartige Knötchen übersehen. "Die schiere Datenflut kann die Radiologen überfordern", sagt Dag Wormanns, Chef der Radiologie der Evangelischen Lungenklinik Berlin (ELK).

Die Klinik setzt deshalb auf ein automatisiertes Verfahren: die computerassistierte Diagnose (CAD). Damit lassen sich Wucherungen zuverlässiger als bisher erkennen. Das System wertet CT-Aufnahmen automatisch aus und erkennt verdächtige Stellen auch dort, wo das menschliche Auge Schwierigkeiten hat.

Während ein einzelner Radiologe etwa 60 Prozent Treffsicherheit erreicht und ein zweiköpfiges Team zwischen 70 und 75 Prozent erkennt, gelingt dem CAD-System in Berlin eine Quote von 80 Prozent. Im Idealfall werden die restlichen Tumore vom Chirurgen ertastet. "Damit erhöht sich die Heilungschance erheblich", sagt Wormanns.

Die Befunde und Bilder des Tomographen werden gespeichert. Der Rechner gleicht sie bei erneuten Untersuchungen automatisch ab, um etwa besonders akute Krankheitsherde zu kennzeichnen. Nach einer Pilotphase setzt die Berliner Klinik das System nun im Regelbetrieb ein - alle CT-Aufnahmen werden damit sicherheitshalber vom Computer gescannt.

Gerade kleine Lungenmetastasen werden laut Wormanns heute zuverlässiger erkannt. Die eigentliche Arbeit nehme das System den Medizinern aber nicht ab. "Es hilft bei der Entscheidung, aber es ist nicht der Entscheider." CAD ist in der Mammographie schon verbreitet und wird künftig vor allem bei der Erkennung von Lungenmetastasen im Frühstadium sowie bei der Nachsorge eingesetzt.

Mehr Sicherheit bei der Diagnose sowie eine höhere Effizienz - so lautet auch das Ziel des neuen Diagnostikzentrums am Universitätsklinikum Eppendorf (UKE), das im Laufe des kommenden Jahres komplettiert wird. Um die Abläufe zu beschleunigen werden alle diagnostischen Einrichtungen unter einem Dach vereint - von der molekularen Pathologie und Pathobiochemie bis zur morphologischen und funktionellen Bildgebung. "Zudem bieten die Kliniken für interdisziplinäre Endoskopie, Neuroradiologie und Radiologie alle modernen Verfahren der minimal invasiven bildgebenden Therapien an", sagt Guido Sauter, Leiter des pathologischen Instituts.

Patienten profitieren laut Sauter von diesem Zusammenschluss, da so "schneller und zielgenauer Diagnosen gestellt werden können". Moderne Technik, unter anderem von Roche und Philips, hilft dabei. So werden die Geräte aufeinander abgestimmt, damit die gesamte diagnostische Kette vernetzt werden kann. "In dem neuen Zentrum werden etwa tausend verschiedene Verfahren in enger Nachbarschaft zur Verfügung stehen, was nicht nur Wege, sondern auch Doppeluntersuchungen spart", sagt Jens Brümmer, kaufmännischer Leiter des Diagnostikzentrums.

Eine Besonderheit bietet das UKE im Bereich der Molekularpathologie: "Mithilfe von Hochdurchsatzverfahren können wir gezielt nach genetischen Veränderungen suchen und abgleichen, welche Medikamente im jeweiligen Fall am besten wirken", sagt Sauter. Auf diese Weise wird schon bei Lungenkarzinomen untersucht, welche Präparate am besten ansprechen. Von jedem Patienten wird ein Stück Gewebe auf einen Biochip aufgetragen, der Proben von 600 Erkrankten speichert.

Bei dem Verfahren wird automatisiert die Aktivität oder die Veränderung von Genen gemessen. Dabei können Tausende Proben parallel ausgewertet werden, was die Technologie für die Erforschung komplexer Krankheitsbilder und die Erprobung neuer Medikamente attraktiv macht. So lassen sich nicht nur bestehende Wirkstoffe rasch überprüfen, sondern auch neue Verfahren daraufhin abklopfen, wie sie auf den jeweiligen Patienten wirken werden.