Britische Politiker kämpfen gegen US-Exportverbote:

Computer-Embargo trifft DV-Industrie

29.08.1986

MÜNCHEN (ih) - Britische Labour-Abgeordnete gehen auf die Barrikaden. Sie wollen die Embargo-Bestimmungen der US-Regierung, die den Verkauf von Technologie-Produkten in Ostblockländer verbieten, nicht länger hinnehmen. Unter dem strengen "US-Export-Administration-Act" leiden nach Meinung der oppositionellen Politiker weniger die Länder des Comecon als vielmehr die britische DV-Industrie.

Seit Jahren sorgen in Großbritannien die immer schärfer werdenden Embargo-Bestimmungen der USA für Zündstoff. So wurden eine Reihe englischer Geschäftsleute in den vergangenen Monaten wegen illegaler Exporte von Computeranlagen in ein Ostblockland zu hohen Geldstrafen verurteilt. Auch sollen immer wieder elektronische Produkte den Weg über England nach Wien und von dort in den Ostblock gefunden haben. Aus dieser Illegalität will der britische Labour-Abgeordnete Paddy Ashdown die einheimische DV-Industrie herausführen. Er ist entschlossen, zusammen mit anderen Politikern gegen die strengen Embargo-Bestimmungen der Reagan-Administration anzukämpfen. Für Ashdown

stecken handfeste wirtschaftliche Interessen hinter den amerikanischen Auflagen: "Die US-Industrie benutzt diese Klauseln, um nicht amerikanische Handelsunternehmen aus dem Exportgeschäft herauszudrängen." Schließlich sei es kein Zufall, daß Englands High-Tech-Exporte in Ostblockländer während der vergangenen sechs Jahre auf 60 Millionen Dollar zusammenschrumpften, während die US-Exporte von 230 Millionen Dollar im Jahr 1980 auf 1,5 Milliarden in diesem Jahr anstiegen.

Ashdown gab bekannt, daß durch die Entscheidungen des Coordinating Committee for East West Trade (Cocom) mit Sitz in Paris, britische Unternehmen wie Cable and Wireless, Thorn EMI und Systime schwere Verluste hinnehmen mußten. Auf Kritik stößt auch ein Rundbrief, der von US-Unternehmen wie IBM, Texas Instruments, Motorola und Digital Equipment Corp. an englische Kunden geschickt wurde. In diesem Schreiben wird nachdrücklich auf die Embargo-Bestimmungen verwiesen. Damit wollen sich die amerikanischen DV-Produzenten nach Ansicht von Ashdown Vorteile für eigene Exportgeschäfte verschaffen.

Die liberalen Abgeordneten fordern die Thatcher-Regierung auf, sich mit den übrigen westeuropäischen Ländern an den Verhandlungstisch zu setzen, um der US-Regierung in punkto Technologie-Transfer endlich die Stirn zu bieten. Ärgerlich reagieren die Briten auch auf die neuen Cocom-Auflagen vom April dieses Jahres. Nach dieser Regelung können westeuropäische Unternehmen zwar eine Gesamterlaubnis für den Verkauf von Technologie-Produkten anfordern, müssen sich aber dafür bereiterklären, den US-Behörden Einsicht in alle Geschäftsbücher zu gewähren.

In einem Punkt konnte sich die Thatcher-Regierung gegen die Amerikaner allerdings durchsetzen: Sie habe nicht zugelassen, so Geoffrey Pattie, britischer Minister für Informationstechnologie, daß die Reagan-Administration auf US-Produkte ihre eigene Gerichtsbarkeit anwenden kann, solange sich diese in England befinden oder in andere Länder exportiert werden sollen. Darüber hinaus, mußte der Minister allerdings zugeben, sehe die englische Regierung keine Möglichkeit, die Amerikaner zu einer Änderung ihrer Embargo-Politik zu bewegen.