Loesungen fuer die Leittechnik

Componentware bietet sich als Weg in die Nischenmaerkte an

16.02.1996

Die Forderung nach der optimalen Einbindung von Softwarewerkzeugen in die Arbeitsablaeufe eines Unternehmens oder eines einzelnen Anwenders hat zur Folge, dass voellig unterschiedliche Tools nahe beim oder durch den Benutzer selbst individualisiert und integriert werden muessen. Die Anwender fordern am Arbeitsplatz nicht mehr nur Funktionalitaet, sondern in gleichem Masse auch Integration und Konsistenz.

Die Leittechnik ist mit derartigen Problemen besonders konfrontiert. In diesem von individuellen und prozessspezifischen Applikationen gepraegten Anwendungsbereich sind keine Verkaufszahlen wie etwa bei Office-Produkten zu erreichen. Gleichzeitig steigen aber auch hier die Anforderungen speziell an die Arbeitsplatzsoftware und ihre Benutzeroberflaeche. Eine Loesung, um dem steigenden Kostendruck zu begegnen, verspricht die Verfuegbarkeit leistungsfaehiger, stabiler Softwarekomponenten.

Die Voraussetzungen dafuer sind mittlerweile gut. Die Leittechnik hat ihr frueheres Inseldasein mit individuellen Betriebssystemen laengst hinter sich gelassen. Der auch in diesem Marktsegment enorme Preisdruck und die hohe Qualitaet kommerzieller Betriebssysteme und Applikationen haben dazu gefuehrt, dass man heute kaum noch Spezialplattformen vorfindet.

Componentware bietet in diesem Rahmen die Moeglichkeit, die verfuegbare Funktionalitaet im Leitsystem und dessen Bedienoberflaeche besser nutzen zu koennen. Darstellungsmittel, Eingabe-Elemente, spezielle Kommunikations- oder Meldesysteme lassen sich projektspezifisch in ein Gesamtsystem integrieren - die Folge sind produktivere Loesungen.

Analysen zeigen, dass im Rahmen projektbezogener Anpassungen in den meisten Faellen nur kleinere Ergaenzungen bei der Softwarefunktionalitaet gefordert werden. Selten sind Modifikationen des Kernsystems gefragt. Solche Ergaenzungen werden auf der Basis von Componentware mittels Scripting-Language in das System eingebunden, ohne dabei das Kernsystem zu tangieren. Sie koennen daher im Idealfall durch den Anwender selbst vorgenommen werden.

Auch wenn der Markt die gewuenschte Funktion nicht standardmaessig anbietet, so laesst sie sich als Komponente im Rahmen eines Projekts vergleichsweise guenstig herstellen, da fuer ihre Entwicklung nicht die Architektur des Gesamtsystems beruecksichtigt werden muss.

Der weitaus groesste Anteil der Kundenforderungen bezieht sich auf die Benutzeroberflaeche der Programme. Sie ist das Arbeitsmittel des Anwenders und entscheidet daher weitgehend ueber Akzeptanz und Produktivitaet des Gesamtsystems. Kern der Benutzeroberflaeche von Leitsystemen ist die dynamische Grafik. Sie visualisiert in einer Vielzahl von Prozessbildern die technischen Ablaeufe und erlaubt steuernde Eingriffe. Auch die dynamische Grafik wird kuenftig als Softwarekomponente angeboten.

Neben dieser freien Grafik werden jedoch immer haeufiger auch abstrakte Darstellungen gefordert. Dazu gehoeren verschiedene Kurvendarstellungen, Business-Grafik, 3D-Flaechen bis hin zu speziellen statistischen Auswertungen. Die Ergaenzung der Benutzeroberflaeche um solche Komponenten benoetigt nur wenige Arbeitsschritte: Zunaechst wird die gewuenschte Darstellung mit einem interaktiven Editor in die Benutzeroberflaeche einbezogen, danach wird mit der Scripting Language die Anbindung an die benoetigten, im System bereits verfuegbaren Daten definiert.

Ebenso einfach koennen neue Interaktionsformen, Dialoge etc. ergaenzt werden. Oft geht es bei Erweiterungen dieser Art auch darum, auf bestimmte Ereignisse mit speziellen Aktionen zu reagieren. Beispiel hierfuer ist die Benachrichtigung der Zentrale bei wichtigen Vorkommnissen per Cityruf oder die Meldung von Daten per Telefon, Fax beziehungsweise Modem. Hierzu werden die fuer den Betrieb dieser Endgeraete erforderlichen Komponenten beim Eintreten der entsprechenden Ereignisse aus der Scripting Language aktiviert und mit den relevanten Daten versorgt.

Die Vorteile von Componentware sowohl fuer Anbieter als auch fuer Anwender sind derart vielfaeltig, dass eine flaechendeckende Verbreitung dieser Technologie in den naechsten zwei bis drei Jahren wahrscheinlich ist. Es waere ein grobes Versaeumnis, bei der Festlegung mittelfristiger Entwicklungs- und Beschaffungsplaene die mit der Komponentenorientierung einhergehende Umwaelzung der Softwarelandschaft zu ignorieren.

Componentware: Umbruch in der Software-Industrie

Componentware zielt auf die einfachere, schnellere und preiswertere Herstellung individueller, integrierter Applikationen durch arbeitsteilige Softwareproduktion. Die Entwicklung von Komponenten erfolgt mit den bekannten Programmiersprachen wie C++ und C. Fuer ihre Verbindung zu konkreten Applikationen werden Script-Sprachen verwendet.

Komponenten sind im allgemeinen kleiner als Applikationen, haben also staerkeren Bausteincharakter. Gleichzeitig sind sie deutlich groesser als Klassen, kapseln also mehr Funktionalitaet und verbergen gleichzeitig mehr Komplexitaet. Der Zugriff auf die Komponenten erfolgt ueber sprachunabhaengige Schnittstellen auf Binaerebene. Dadurch wird einerseits die freie Wahl einer geeigneten Programmiersprache fuer die Komponentenentwicklung, andererseits die Wiederverwendung beliebiger Fremdkomponenten moeglich.

Komponenten koennen ueber ihre Schnittstellen mit einer Scripting-Language integriert werden. Das Scripting erfolgt zum Beispiel in Visual Basic und ist auch fuer den Anwender oder den "Corporate Programmer" zugaenglich. In diesem Prozessschritt geht es um die richtige Verschaltung der Komponenten. Man spricht daher auch von "Programmierung im Grossen".

Zahlreiche Applikationen aus der Buerowelt verfuegen bereits ueber Komponenten-Schnittstellen. Ein Beispiel fuer ein Komponentenmodell ist Microsofts OLE 2 als Basis fuer die Integration aller Elemente der Benutzeroberflaeche.

*Wilfried Stoer ist Mitarbeiter bei der Dr. Seufert GmbH in Karlsruhe.