Pfeiffers Restrukturierungsmaßnahmen umstritten

Compaq-User warnen vor bloßem Aktionismus im Low-end-Bereich

15.11.1991

HOUSTON (IDG/CW) - Mit dem Führungswechsel ist Unruhe rund um die Compaq Computer Corp. entstanden.

Die Tatsache, daß Eckhard Pfeiffer dem entthronten Josef R. "Rod" Canion das Ruder aus der Hand genommen und umfassende Restrukturierungsmaßnahmen angekündigt hat, macht die Kunden nervös. Die Furcht wächst, Compaq verkomme zu einem reinen Clone-Anbieter. Pfeiffer hatte einen Plan vorgelegt, dem zufolge das Unternehmen in eine PC-Division und eine Systems-Gruppe eingeteilt werden soll.

Einem Bericht der CW-Schwesterpublikation "Computerworld" zufolge plant das Unternehmen ferner, die engen Verbindungen zu den breitgefächerten Händlerkanälen zu lösen. Für besondere Aufregung sorgte die Ankündigung, Compaq werde auf der unteren Rechnerebene in Wettbewerb zu den verschiedenen Clone-Anbietern treten.

Die offizielle Presseinformation bestätigt den neuen Kurs Pfeiffers: Compaq werde aggressiv neue Produktpläne verfolgen und eine Reihe qualitativ hochwertiger Personal Computer zu günstigen Preisen auf den Markt bringen. Das Unternehmen habe bereits damit begonnen, eine neue Unternehmensstrategie in die Tat umzusetzen, deren Ziel es sei, die Betriebskosten zu senken und trotzdem in Qualität, Leistung und Produktinnovation eine Führungsrolle zu übernehmen.

"Wir sind erschrocken darüber, daß sich Compaq in den Clone-Markt bewegt", gesteht Glenn Sandusky, Chief Information Officer bei der Beratungs-Firma Miller Mason & Dickenson in Chikago. Er habe sich für Compaq-Produkte entschieden, nachdem er von anderen Anbietern wegen mangelnder Produktqualität enttäuscht worden sei. Um das Risiko so gering wie möglich zu halten, sei er bereit gewesen, mehr Geld für die Compaq-Systeme auf den Tisch zu legen.

Drastischer kommentiert John Logan, Analyst der Aberdeen Group in Boston, den Einstieg Compaqs in das Clone-Geschäft: "Ich fürchte, Pfeiffers Strategie hat noch nicht einmal die Chance, die ein Schneeball in der Hölle hätte." Es könne keine unternehmerische Vision sein, genau das zu tun, was alle versuchten, und nur ein wenig besser sein zu wollen.

Den ersten Schritt in eine neue Produktpolitik beschreitet Compaq mit einem Preisnachlaß für Notebook-Computer mit Intel-386-Prozessoren. Diese Rechner sollen künftig um durchschnittlich 25 Prozent billiger werden. Anwender sehen diesen Preissturz mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Sie fürchten, daß der Rabatt mit einem Verlust an Qualität und Innovation einhergehen könnte.

Keine klare Linie in der Unternehmenspolitik

User beklagen außerdem, daß die neue Unternehmenspolitik von Compaq noch keine klare Linie aufweise. "Mich beschleicht das Gefühl, daß dort jede Stunde neue Entscheidungen gefällt werden", moniert Glen Jurman von der Baxter Healthcare Corp. "Alles, was wir sehen, ist eine wachsende Ungewißheit und nicht etwa eine Beruhigung der Situation", beklagt auch Glenn Sandusky (siehe auch Seite 78).