Ende der eigenen Internet-Strategie?

Compaq überläßt CMGI Mehrheit an Altavista

02.07.1999
MÜNCHEN (CW) - Noch zu Jahresbeginn wollte Compaq mit seiner Suchmaschine Altavista groß ins Portalgeschäft einsteigen. Nun hat der angeschlagene Computerbauer der Investment-Firma CMGI Inc. einen Mehrheitsanteil für 2,7 Milliarden Dollar überlassen.

Compaqs Internet-Strategie scheint zu enden, bevor sie überhaupt richtig begann. Monatelang wußten die Texaner das Potential der 1998 mit dem Kauf von Digital Equipment erworbenen Suchmaschine nicht zu nutzen. Statt dessen wurde die DEC-Technik von anderen Firmen wie den Internet-Akteuren Yahoo und Looksmart verwendet. Vor allem verschlief man zunächst den Trend in Richtung Internet-Portale. Im Januar kündigte Ex-CEO Eckhard Pfeiffer dann schließlich an, Altavista als selbständige Company an die Börse zu bringen. Zugleich sollte die Suchmaschine durch eine Integration der für rund 400 Millionen Dollar zugekauften E-Commerce-Site Shopping.com und der lokalen Content-Site Zip2.com zur ersten Anlaufstelle für Kunden ausgebaut werden. Nach Meinung der Analysten von Zona Research meldete sich Altavista damit erstmals seit 1995 wieder als wichtiger Internet-Player zurück.

Kurz vor dem Start gibt Compaq nun mit der Mehrheitsbeteiligung für CMGI das Heft aus der Hand. Die Kontrolle hat nun der Internet-Spezialist, der die Suchmaschine in den verschiedenen Gesellschaften, an denen CMGI beteiligt ist, nutzen will. Compaq wird sein Altavista-Geschäft zu 83 Prozent an CMGI übertragen. Dafür erhält der PC-Hersteller Stamm- und Vorzugsaktien des Partners, so daß Compaq künftig mit 16,4 Prozent an der Internet-Company beteiligt ist. Außerdem bekamen die Texaner einen Sitz im CMGI-Board zugesichert.

Der Preis kommt in etwa der Summe gleich, die Compaq sich zum Jahresbeginn von einem Börsengang Altavistas versprochen hatte. Angesichts der derzeitigen Notierung anderer Portalanbieter an der Wallstreet ist der Betrag jedoch "Peanuts". CMGI ist kein unbeschriebenes Blatt im Internet-Business und an zahlreichen Firmen beteiligt. Die Investment-Company aus Andover, Massachusetts, ist dafür bekannt, Unternehmen auch an die Börse zu führen. Beispiele hierfür sind Lycos und Geo Cities. Altavistas Börsengang ist also nicht vom Tisch. Zudem wollen Compaq und CMGI nun gemeinsam Internet-Services und Lösungen an Geschäfts- und Privatkunden verkaufen - Compaq hofft also über CMGIs Internet-Beteiligungen neue Absatzmärkte zu erschließen. Die meisten Marktforscher sehen Compaqs Felle jedoch davonschwimmen, da es das Unternehmen versäumt habe, Altavista kompromißlos als E-Commerce-Plattform für seine Märkte zu positionieren.

Daß die Verhandlungen am Ende sehr schnell abgeschlossen wurden, kommt wenig überraschend. Compaq befindet sich derzeit auf Konsolidierungskurs und braucht dringend fachkundigen Rat bei der Ausgestaltung der Internet-Strategie. Dort möchte das Unternehmen künftig Präsenz zeigen, ohne die alleinige finanzielle Verantwortung tragen zu müssen.

CMGI plagt sich mit einem Gesetz aus dem Jahre 1940, dem Investment Company Act, herum. Demnach werden Beteiligungsgesellschaften, deren gesamtes Aktivvermögen zu mehr als 40 Prozent aus Inhaberschuldverschreibungen besteht, rechtlich wie Investmentgesellschaften (mutual funds) behandelt.

Investoren würden dadurch steuerliche Nachteile erleiden, ferner würde die Eignerstruktur der Firma strengeren Gesetzen und Kontrollen unterliegen. In einer Erklärung an die amerikanische Börsenaufsicht versprach CMGI vor einigen Monaten, bis zum Oktober des Jahres den Schwellenwert von 40 Prozent einhalten zu wollen - was bislang nicht der Fall ist.

Die Firma benötigte also so schnell wie möglich eine Beteiligung an einem operativen Unternehmen. Daraus erklärt sich auch die zuletzt praktizierte Zwei-Fronten-Strategie von CMGI, das neben Altavista auch ein Auge auf das Web-Portal Lycos geworfen hatte. Gegenwärtig hält das Unternehmen 18 Prozent an Lycos, verhandelt aber über eine kräftige Aufstockung des Anteils. Aufgrund persönlicher Streitigkeiten zwischen den Chefetagen von CMGI und Lycos ist allerdings nun nicht mehr mit einem Abschluß zu rechnen.