Neue Vertriebswege, niedrigere Preise

Compaq setzt auf Kaufkraft der Massen und Reform der Produkte

26.06.1992

MÜNCHEN (jm) - Neue Vertriebswege, aggressive Preise und eine Reform des Produktspektrums sowie des Dienstleistungsangebotes sollen die Compaq Computer Corp. wieder auf Gewinnkurs bringen. Vor der Presse erläuterten Compaq-Vertreter Teil zwei der Firmenneuausrichtung, die den Texanern wieder Erfolgserlebnisse vermitteln soll.

Dem Ernst der Situation angemessen, versuchte das deutsche Management, die Bedeutung der umfassenden Ankündigung hochzuspielen: Es sei die wichtigste Verlautbarung, die Compaq seit zehn Jahren zu vermelden habe, tönte Compaq-Geschäftsführer Kurt Dobitsch.

Das Bemühen der Texaner um eine Neuausrichtung des Unternehmens ist vor dem Hintergrund der letzten Geschäftsergebnisse zu verstehen: Im abgelaufenen Jahr 1991 mußte Compaq mit 3,3 Milliarden Dollar gegenüber 3,6 Milliarden Dollar im Jahr 1990 einen Umsatzrückgang von acht Prozent hinnehmen.

Beim Nettogewinn regnete es dem PC-Cloner mit dem Markenimage besonders ins Haus: Der Gewinnrückgang von 455 auf 131 Millionen Dollar im Geschäftsjahr 1991 korreliert mit einem Profitniveau von nur noch 28,8 Prozent zum Vergleichsjahr 1990.

Dieser Trend setzte sich im ersten Quartal 1992 verstärkt fort: Zum 31. März 1992 mußte Compaq einen Umsatzrückgang von 19 Prozent hinnehmen. Statt 971 Millionen Dollar 1991 flossen nur 783 Millionen Dollar in die Kassen. Der Nettogewinn für das entsprechende Vierteljahr sackte gleich um 61 Prozent gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres ab (45 Millionen Dollar gegenüber 114 Millionen Dollar).

Freien Fall abbremsen

Die ehedem erfolgsverwöhnten Texaner versuchten ab Herbst 1991, den sich beschleunigenden freien Fall einerseits durch Personalmaßnahmen in günstigere Thermik umzulenken: 2000 Mitarbeiter erhielten die Entlassungspapiere, zu ihnen gehörte selbst CEO Rod Canion.

Andererseits soll ein verändertes Vertriebskonzept mit autorisierten, jedoch unterschiedlich qualifizierten Partnern die Absätze ankurbeln: So werden Compaq-Systemintegratoren - VW Gedas ist der erste SI - sowie Systempartner die komplexesten

Computermodelle wie etwa die Server-Systeme Systempro an Großkunden vertreiben. Vertriebspartner sollen nach diesem Konzept sowohl Großabnehmer als auch den Mittelstand bedienen. Letzteren sowie Kleinkunden hingegen will Compaq über von Distributoren (C2000) belieferte VARs ansprechen, die komplette Hard- und Softwarelösungen samt Applikations- und Netzinstallationen einrichten.

Dieses Konzept wurde von Compaq bereits vor einigen Monaten der Öffentlichkeit präsentiert. Neu ist, daß man sich nun verstärkt der Einzelkunden annehmen, also den Markt etwa der Vobis- und Escom-Kunden angehen will. Dies sei laut Dobitsch eine Reaktion auf die stagnierende Nachfrage bei Großkunden: "Der PC-Bedarf bei denen ist um zehn Prozent gesunken". Dies unterstrich Vertriebsdirektor Manfred Hasseler mit der Aussage, auch die Absätze beim Kleinkunden und Mittelstand seien für Compaq unbefriedigend gewesen.

Deshalb wagt sich Compaq auch auf einen Feld, das bislang Direktmarketiers wie Dell oder Compuadd vorbehalten war: Sowohl Partner als auch Händler sollen beim Aufbau eines Telefonverkaufs von Compaq unterstützt werden.

Darüber hinaus will der PC-Cloner auch den Verkauf über die Warenhäuser testen: Hier allerdings hielten sich die Manager trotz hartnäckiger Befragungen mit Antworten zurück, welche Massenvermarkter die Compaq-Rechner neben die Billigangebote von Namenlosen werden stellen können. Offensichtlich schreckt das Beispiel von Next Computer ab: Die deutsche Niederlassung der Jobs-Company hatte erkennen müssen, daß dieser Vertriebsweg dem Image einer High-Technology-Company durchaus schaden kann.

Eingedenk solcher schlechten Erfahrungen wird Compaq nur seine beiden Einstiegsrechnerlinien "Prolinea" und "Contura" über diesen Distributionsweg an den Mann zu bringen versuchen .

Neben dem abgestuften Vertriebskonzept setzt Compaq zudem auf eine Neuausrichtung des Angebotsspektrums, das vor allem preislich definiert ist: Die drei Produktlinien teilen sich in die Desktop-, Notebook- und Systempro-Rechnerserien auf.

Voll grundsätzlicher Bedeutung dürfte dabei Hasselers Aussage sein, Compaq werde "auf der Intel-Linie bleiben". Das RISC-Entwicklungsengagement hatten die Texaner bereits vor einigen Wochen eingestellt, die ACE-Mitgliedschaft wurde ebenfalls aufgekündigt. O-Ton Dobitsch: "Die ACE-Initiative hat sich zusehends zu einer Mips-Initiative entwickelt". Und auch von Intel-CPU-Clonern will man offensichtlich nichts mehr wissen, obwohl sich hartnäckig die Gerüchte halten, Compaq werde, zumindest bei einigen Produkten, auf AMD als Prozessorlieferant ausweichen.

Produktspezifisch neu sind die Rechnerlinien Prolinea und Contura sowie Netzsystemerweiterungen für die Systempro-Server. Außerdem senkte Compaq für das gesamte Angebotsspektrum die Preise: Notebooks werden um 19 bis 23 Prozent, Deskpro/M-Rechner um 23 bis 46 Prozent und Systempros um 18 bis 34 Prozent billiger. Bei Optionen wie etwa Festplatten senkt Compaq die Preise um 24 bis 57 Prozent.

Mit Business-Audio hat man Töne bei Windows

Die Desktop-Produktlinie fächert Compaq in die drei Familien Deskpro/M, Deskpro/i sowie die Einstiegsrechner Prolinea auf. Die im Herbst 1991 vorgestellte M-Serie mit 386- und 486-CPUs und EISA-Bus-Architektur ist mit 4600 bis 9100 Mark (alle Compaq-System-Preise verstehen sich jeweils ohne Monitor) als Top-end gedacht. Neu sind sogenannte "Windows-Edition"-Modelle. Hierbei handelt es sich um Rechner, die neben einem leistungsfähigeren "Qvision"-Grafik-Controller auch mit der "Business-Audio"-Software - entstanden in Kooperation zwischen Microsoft und Analog Devices - ausgestattet sind. Der Anwender kann über ein mitgeliefertes Mikrofon digital verarbeitete Tondokumente in Windows-3.1-Anwendungen einbinden.

Bei der Deskpro/i-Familie setzt Compaq nicht die leistungsfähigere EISA-Architektur ein, sondern begnügt sich mit dem ISA-Standard. Bei gleichen CPU-Alternativen - Ausnahme die momentan leistungsfähigste Intel-486-CPU mit interner Taktrate von 50 Megahertz für die M-Rechner - , unterscheiden sich beide Reihen durch die individuelle Erweiterbarkeit. Das Preisspektrum reicht von 3800 bis 5000 Mark. Vier der i-Systeme sind als Windows-Edition-Versionen ausgelegt.

Am interessantesten für Käufer dürfte die Prolinea-Serie sein: Sie wird mit 386SX- bis 486DX-CPUs sowie DOS 5.0 ausgeliefert und kostet je nach weiterer Ausstattung zwischen 1800 und 3600 Mark.

Das Anfang 1992 vorgestellte LTE-Notebook-Angebot erweiterte Compaq um das "LTE-Lite-/25c". Dieser besitzt einen Aktiv-Matrix-Farbmonitor gemäß TFT-Technologie. Compaq versuchte bei diesem Rechner auch Apples Idee nachzuvollziehen, einen Trackball in den Rechner zu integrieren. Was bei den Powerbooks nach Insider- und Benutzermeinung ergonomisch sehr gut gelungen ist, scheint bei Compaqs darüber hinaus recht klein dimensioniertem Eingabemedium wegen der Anordnung am unteren Rand des Monitors eher unpraktisch.

Mit den neuen Contura-Notebooks hofft Compaq, preisbewußte Kunden anzusprechen. Die mit 386SL-CPU, 1,44-MB Diskettenlaufwerk und 2 bis 4 MB Arbeitsspeicher sowie LC-Display ausgestatteten Tragbaren werden ab etwa 3400 Mark in der billigsten Ausführung vertrieben .

In 24 Stunden steht der Service-Mann bereit

Für alle Rechner von Compaq gibt es zudem einen neuen Vor-Ort-Service. Egal, bei welchem Vertriebspartner der Kunde seinen Computer gekauft hat, er hat über die TPM-Firma ( Third Party Maintenance) Thomainfor in den ersten zwölf Monaten die Möglichkeit, bei schweren Havarien innerhalb von 24 Stunden einen Service-Mann kostenlos ins Haus zu bestellen. Für die Systempro-Rechner offeriert Compaq neben einem leistungsstärkeren Festplatten-Controller "IDA-2" (Intelligent Drive Array) die Unterstützung des Raid Levels 5. Außerdem vertreibt Compaq, zusammen mit eigenen Produkten in Zukunft Novells Netware-Software. Diese wird durch eigene Netzwerk-Management-Werkzeuge wie den "Insight Manager" im Funktionsumfang erweitert.

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