Wiederverkäufer sollen Online-Bestellungen abwickeln

Compaq schickt Händler ins Direktgeschäft

11.06.1999
MÜNCHEN (CW) - PCs direkt verkaufen und den Fachhandel einbinden - diesen Spagat versucht die Compaq Computer GmbH, München. Der Hersteller hat der Deutschen Telekom AG den Auftrag erteilt, bis zum Jahresende insgesamt 500 Händler mit Online-Shops auszustatten, über die Compaqs Produkte abgesetzt werden sollen.

Die Telekom wird die Händler mit sogenannten T-Marts beliefern. Dabei handelt es sich um virtuelle Läden, die je nach Bedarf als Einstiegslösung oder High-end-Shop zu haben sind. Kunden können dort ab nächstem Jahr online einkaufen oder sich mit einer Bestellung direkt an Compaq wenden - von dort werden die Anfragen an den in der Region zuständigen Händler weitergeleitet.

Freude dürfte der Deal vor allem bei Intershop in Jena ausgelöst haben: Der Anbieter von E-Commerce-Lösungen konnte bisher nicht sonderlich von seinem Vertriebsabkommen mit der Deutschen Telekom profitieren. Das scheint sich nun zu ändern: Die 500 Händler-Shops sollen mit Produkten von Intershop realisiert werden, teilt die Softwareschmiede mit.

Für den Betrieb der T-Marts wird die Telekom verantwortlich sein. Sie soll auch das Web-Hosting übernehmen, die Infrastruktur stellen und die jeweils neuesten Angebote von Compaq binnen weniger Stunden in das System einpflegen. Der PC-Hersteller rechnet sich aus, Neuankündigungen in kurzer Zeit über das Händlernetz in ganz Deutschland publik machen zu können.

Seine Händler will Compaq für das neue Online-Modell mit dem Argument begeistern, ihnen würden zusätzliche elektronische Kundenanfragen über die Homepage von Compaq zugeführt. Von der Web-Site aus werde nach regionalen Gesichtspunkten distribuiert.

In Händlerkreisen wird diese Erklärung jedoch skeptisch aufgenommen: Der Kuchen werde dadurch nicht größer, kommentiert ein Händler, der nicht namentlich genannt werden möchte. Es werde eher zu einer Umverteilung innerhalb der Händlerschaft kommen, von der nicht alle profitieren könnten.

Meckern werden die meisten Partner dennoch nicht: Schließlich scheint die Gefahr, durch ein Direktvertriebs-Modell ganz aus dem Markt gedrückt zu werden, vorerst gebannt. Die jetzige Lösung ist ein Kompromiß, der ihnen erlaubt, weiter Compaq-Equipment zu verkaufen und zudem eine elektronische Kundenbetreuung und -bindung aufzubauen. Die deutsche Compaq-Niederlassung könnte sich mit diesem Vorgehen jedoch keinen Gefallen getan haben.

Trägt Houston den deutschen Vorstoß mit?

Luis Praxmarer, Chef des Marktforschungsunternehmens Meta Group Deutschland GmbH in München, geht davon aus, daß der nationale Alleingang von der Konzernzentrale in Houston nicht mitgetragen wird. Die Frage sei, ob sich der deutsche Sonderweg später in eine internationale E-Commerce-Strategie einbinden lasse. Noch in diesem Jahr erwarten Insider eine weltweite Ankündigung von Compaq, in deren Rahmen ein Online-Vertrieb inklusive Direkt- und Partnermodell vorgestellt wird.

Der Vertrieb ist laut Praxmarer ein zentraler Baustein in der weltweiten Logistikkette und kann daher nicht individuell auf nationaler Ebene ausgestaltet werden. Gegen einen Wettbewerber wie Dell, der sich ausschließlich auf den Direktvertrieb konzentriere, sei ein Mischansatz, der Key-Account-Betreuung, Partnerkonzept und Direktvermarktung impliziere, generell im Nachteil (siehe Interview, Seite 8).