Compaq in Europa erstmals vor der IBM (Teil 1) Die DV-Schwergewichte machen Ernst mit der Marktaufteilung

27.05.1994

MUENCHEN (jm) - Auf dem PC-Markt tut sich etwas: Vor allem die DV- Groessen nutzen das Fruehjahr, um sich mit Werbeanstrengungen und Produktankuendigungen nachdruecklich als kompetente PC-Anbieter in Erinnerung zu rufen. Es zeigt sich, dass Unternehmen wie IBM, DEC und die Siemens-Nixdorf Informationssysteme AG (SNI) nicht mehr geneigt sind, das PC-Terrain kampflos denn PC-Boxenschiebern e la Compaq, Dell, AST etc. zu ueberlassen.

Es ist mittlerweile ein Treppenwitz der DV-Geschichte, dass Unternehmen wie Big Blue in der Vergangenheit mit erheblicher Geringschaetzung auf das Fussvolk der PC-Adepten herabblickten. PCs haetten keine strategische Bedeutung im Rahmen der MIS, attestierten die Konzeptentwickler in den Chefetagen. Ein Fehlschluss, wie man heute weiss - wie aber auch die Verantwortlichen bei IBM, HP, DEC, SNI etc. gelernt haben.

Nun werfen sie die Ruderpinne herum, definieren Firmenziele neu und verkuenden die Botschaft, PC-Technologien gehoere die Zukunft.

Der Ruf verhallt nicht ungehoert: Nach den neuesten PC-Stueckzahlen, die das Marktforschungsinstitut Dataquest fuer das erste Quartal 1994 erhoben hat, deutet sich ein Trend zur Konsolidierung am Markt an. Dieser zeigte sich auch schon bei den Zahlen fuer das gesamte Jahr 1993 (vgl. CW Nr. 10 vom 11. Maerz 1994, Seite 47: "Vobis...")

Mit Aufmerksamkeit sollte man etwa den Aufschwung beobachten, den die Digital Equipment Corp. (DEC) mit ihren PC-Systemen nimmt. Mit einer europaweiten Werbekampagne, die sich das Unternehmen nach eigenen Aussagen 24 Millionen Dollar kosten laesst, will man den PC- Markt entern.

In Deutschland rangiert das Unternehmen mit einem Marktanteil von 2,3 Prozent (nach Stueckzahlen) zwar noch nicht unter den ersten Zehn. Rechnet man aber einmal den Havaristen Commodore, der wohl nur noch seine Lager raeumen wird, aus der Hitliste heraus, so befindet sich DEC schon unter den Top Ten. Recht selbstbewusst hatte DEC-CEO Robert Palmer kuerzlich den Aufbruch zu neuen Horizonten signalisiert, als er Platz fuenf auf der PC- Weltbestenliste apostrophierte. "Kaufen Sie", raet denn auch Harald Lindloff, General Manager der PC-Abteilung der Digital Equipment GmbH, mit Blick auf rosige Zeiten und die - momentan aber im Sinkflug begriffene - DEC-Aktie.

Auf der CeBIT 1994 hatte der Anbieter des VAX-Midrange-Klassikers eine komplette PC-Server-Linie, die "DECpc-XL"-Familie vorgestellt, deren Modelle mit Pentium-CPUs, EISA-Bus und PCI- Local-Bus sowie Massenspeichern nach der Fast-Wide-SCSI-Norm den Stand der Technik repraesentieren.

DEC genauso wie SNI, IBM und HP, die als altgediente Integrations- und Service-Spezialisten auftreten koennen, machen als neue Kundschaft vor allem die Soho-Klientel (Small Office, Home Office) aus (vgl. CW Nr. 20 vom 20. Mai 1994, Seite 27: "Preisguenstige PC- Server..."). 30 Prozent aller abgesetzten PCs leiten die PC- Hersteller bereits in dieses Marktsegment, meint Klaus Hommer, in SNIs PC-Division Leiter strategische Planung und Oeffentlichkeitsarbeit.

Vor allem mit ihren Einstiegs-PC-Servern umwerben die Heavyweights kleine Unternehmen mit bis zu zehn Mitarbeitern.

DEC schaffte zunaechst auf zwei Wegen im eigenen Haus Ordnung: Einerseits lagerte man die PC-Server auf Alpha-RISC-Basis aus der PC-Abteilung aus und integrierte sie in der Workstation-Division. So entledigt sich DEC der leidigen Abgrenzungsdiskussion, die sich aus dem Angebot von leistungsstarken Pentium- und Alpha-Servern unweigerlich ergeben haette.

Eher verschaemt bestaetigen Firmeninsider, dass NT - DECs bevorzugtes Betriebssystem fuer die Alpha-PC-Maschinen - lange Zeit noch nicht hundertprozentig stabil war. Vor allem aber gibt es bis heute kaum Anwendungen, die die Potentiale von NT und der 64-Bit-CPU nutzen koennten.

Andererseits hat sich DEC in der Bundesrepublik von dem Abenteuer Direktvertrieb sehr schnell wieder verabschiedet und geht Kunden nun wieder ueber Distributoren wie Merisel und Magirus sowie die Ladenkette Asscafi an. Mit C 2000, so DEC-Mann Lindloff, arbeitet man noch an einem Vertriebskonzept.

Auch Hommer von SNI bestaetigt mit Verweis auf die Negativbeispiele Gateway 2000, Compuadd und DEC, dass sich die Deutschen mit dem direkten Vertrieb von PCs per Telefonakquise nie so recht anfreunden konnten.

Im Vergleich zu DEC gibt sich SNI etwas bescheidener: In Europa waere man schon mit Rang fuenf zufrieden, meint Hommer. Beim Gerangel um Toppositionen auf dem alten Kontinent befindet sich SNI in illustrer Gesellschaft von Compaq, IBM, Apple, Olivetti, HP und DEC. Doch sind die Machtverhaeltnisse in der alten Welt noch festgefuegt: Die drei Erstgenannten teilen fast ein Drittel des PC- Marktes unter sich auf. Compaq zog dabei erstmals an IBM vorbei und ist europaeische Spitze.

Bemerkenswert ist allerdings SNIs Durchmarsch auf dem deutschen Markt, rangieren die Paderborner in der BRD doch nach Dataquest bereits auf Platz zwei.

Anlaesslich der "Focus"-Veranstaltung des Anwendervereins Save im Juni in Kopenhagen zeigt die SNI AG nicht nur ihre neuen Mono- und Farb-Notebooks, die allerdings von Acer-Fliessbaendern laufen. Sie gibt mit ihren "Scenic"-Tisch- und Tower-Modellen auch ihr naechstes Gebot fuer PC-Anwender ab, die leistungsstarke Systeme entweder solo oder als Server fuer kleine LANs nutzen wollen. Die Maschinen rechnen alle mit Intel-Prozessoren, wobei mit der 60- Megahertz-Variante des Pentium-Chips vorerst das Ende der Rechenleistung erreicht ist. Zumindest die Standmodelle sind mit Ethernet- und Token-Ring-Adaptern von Haus aus auf Netzbetrieb eingestellt. Man mag beim Leistungsvergleich etwa mit den neuen "Netserver-LC"-Modellen von HP allerdings zweifeln, ob SNIs Maschinen mit Konkurrenzprodukten mithalten koennen. Zweifel scheinen allein schon deshalb begruendet, weil keines der Scenic- Systeme mit schnellen SCSI-Massenspeicher-Subsystemen ausgestattet ist.

(wird fortgesetzt)