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Compaq-Chef: "Wir brauchen unsere Partner."

14.12.1999
Peter-Mark Droste auf den Zahn gefühlt

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Erst vor kurzem hatte Compaq Computer sein neues Direktvertriebsmodell für Europa bekanntgegeben, wonach Privat- wie Geschäftskunden direkt und unter Umgehung des Distributionskanals über das Internet bei dem PC-Riesen einkaufen können. CW-Redakteur Jan-Bernd Meyer sprach mit Peter-Mark Droste, dem Vorsitzenden der Geschäftsführung der Compaq Computer GmbH, über das neue Modell und seine Auswirkungen auf Partner und Kunden.

CW: Was verspricht sich Compaq von dem erweiterten Vertriebsmodell, dem Plan also, ab Ende 2000 direkt über das Internet Systeme anzubieten?

DROSTE: Ich freue mich, daß Sie von einem erweiterten Modell sprechen, wir brauchen nämlich unsere Partner. Warum gehen wir direkt? Weil der Margenverfall in unserem Geschäft extrem ist. Außerdem verlieren wir viel Geld, weil unsere Systeme sehr lange Zeit in unserer Inventur verbleiben. Da kommen Werte im zweistelligen Millionenbereich zusammen. Mit unserem Direktvertriebskonzept verdienen wir schon allein an der kürzeren Durchlaufzeit.

CW: Tatsächlich zwingen die Marktgegebenheiten Sie und andere Hersteller aber auch zu diesem Geschäftsmodell.

DROSTE: Das stimmt. Die Leute wollen zunehmend direkt bestellen. Außerdem macht uns der graue Markt sehr zu schaffen. Sie können sich etwa über Italien Systeme liefern lassen, die bis zu 100 Dollar billiger sind als in Deutschland. Wir verlieren in Deutschland durch den grauen Markt pro Jahr rund 100 Millionen Mark an Umsatz. Durch den von uns geplanten europaweiten Fixpreis im Internet werden wir dieses Problem eindämmen.

CW: Wer kann über das Internet direkt bei Compaq bestellen?

DROSTE: Im Prinzip jeder. Nicht nur Privat-, sondern auch SoHo-[Small Office Home Office]- und Großkunden.

CW: Insofern sieht also Compaqs künftiges Direktvertriebsmodell genauso aus wie das von Dell heute.

DROSTE: Das stimmt. Jetzt kommt das Aber: Eine bestimmte Klientel wie etwa den Mittelstand erreichen Sie nur über die Partner. Diesen Markt wollen wir den Händlern auch lassen.

CW: Die Systeme sollen bei Ihrem Direktvertriebsmodell von einem noch zu benennenden Logistikunternehmen an die Kunden ausgeliefert werden. Ihr Partner Bechtle sagt, eine C2000 oder Ingram würden die hierfür notwendige Logistik, bei der ja ein Privatkunde genauso wie ein Großkunde beliefert werden können muß, gar nicht auf die Reihe bringen. Hat Bechtle recht?

DROSTE: Nein. Wir haben natürlich im Vorfeld Untersuchungen gemacht. Und ich weiß, daß es Unternehmen gibt, die diese Logistikaufgabe stemmen können. Und zwar europaweit, denn das Direktvertriebsmodell soll ja für ganz Europa aufgesetzt werden.

CW: In der ersten Phase des neuen Direktvertriebsmodells wird es nicht möglich sein, Compaq-Systeme auf bestimmte Kundenwünsche anzupassen. Bei Dell oder Apple ist das heute ja schon gang und gäbe.

DROSTE: Aber das wird kommen. Nicht in der ersten Phase, aber diese Option kommt.

CW: Ihr künftiger Logistikpartner ist für den Erfolg des Compaq-Direktvertriebs von entscheidender Bedeutung. Haben Sie schon mit Logistikunternehmen gesprochen?

DROSTE: Natürlich haben wir das. Daher wissen wir ja, daß die anstehenden Logistikprobleme zu lösen sind. Mehr kann ich aber im Moment noch nicht sagen.

CW: Überlegt sich Compaq, das neue Geschäftsmodell noch auszuweiten? Etwa auf den Consumer-PC-Bereich?

DROSTE: Vorstellbar ist es, momentan aber nicht unsere Überlegung. Im Consumer-Markt werden Geschäfte ganz anders betrieben. Durch unsere Zusammenarbeit mit Lidl, Media Markt, Saturn Hansa und seit neuestem dem Vertrieb von Presario-PCs an den Tankstellen von BP haben wir den Boden eigentlich erst einmal gut bereitet.

CW: Dadurch, daß Compaq künftig im Internet die Preise für alle Vertriebspartner festzurrt, können Sie ja auf Sonderangebote der Konkurrenz sofort reagieren und einheitlich den Preis für vergleichbare Systeme heruntersetzen. Ausbaden muß solch eine Politik dann der Partner, der innerhalb von Minuten eine völlig neue Kostenkalkulation vornehmen muß.

DROSTE: Nein, so ist das nicht. Wir könnten das ja auch heute so machen. In Zukunft wird für Kunden unsere Preispolitik viel transparenter sein. Denn der Kunde weiß, daß der Händler einen Fixpreis hat und keinen Einkaufspreis. Also kann der Kunde auch nicht mehr handeln mit seinem Händler. Bislang gibt es zudem bei den Partnern recht unterschiedliche Preismodelle und es kommt immer wieder die Frage auf, warum der eine billiger als der andere Partner anbieten kann. All das wird in Zukunft transparenter.

CW: Sie sagen, in Compaqs Wertschöpfungskette sei noch Luft für Optimierungen. Welche?

DROSTE: Unsere Variantenvielfalt im Desktopbereich ist zu hoch. Wenn Sie alle von uns angebotenen Komponenten zusammenzählen, kommen Sie auf bis zu 3000 unterschiedliche Variationen. Da gibt es abenteuerliche Möglichkeiten. Das wollen wir jetzt erheblich beschneiden. Das wird es nicht mehr geben.

CW: Ihre Vertriebs- und System-Partner fürchten, daß das Direktvertriebsmodell nur der erste Schritt von Compaq ist und Ihr Unternehmen versuchen wird, auch die Dienstleistungen an sich zu reißen und damit die Partner in eine schwierige Lage bringen.

DROSTE: Ganz prinzipiell: Beratung machen wir nicht. Das erledigen Andersen Consulting, McKinsey etc. Unser Professional Service (NSIS) beschäftigt sich mit Themen wie Systemintegration und Outsourcing. Der Compaq Customer Service macht alles, was mit Software, Middleware-Tools, True-64-Lösungen zu tun hat und stellt unseren 24x7-Service sicher. Wir haben als Dienstleistungsanbieter in den Bereichen Systemintegration und Support in Deutschland einen Marktanteil von 4,5 Prozent. Beim Professional Service beträgt unser Marktanteil sogar nur ein Prozent. Wir bei Compaq können viele Dienstleistungen gar nicht so kostengünstig abwickeln wie unsere Partner.

CW: Also wird Compaq sich nicht in Dienstleistungsprojekte von Partnern hineindrängeln?

DROSTE: Natürlich ist das in der Vergangenheit schon mal passiert. Aber es gilt die Regel: Wenn ein Partner unsere Hardware verkauft hat, dann versuchen wir nicht, unsere Dienstleistungen konkurrierend anzubieten. Wir gehen nicht an die Kunden unserer Partner ran. Wir brauchen unsere Partner.

CW: Ausgerechnet mit den Compaq-Classic-Produkten schreibt Compaq rote Zahlen. Wie wird Compaq darauf reagieren? Wird es sogenannte Internet-Appliances geben?

DROSTE: Wir werden zwar, ob Sie es glauben oder nicht, weiter im PC-Geschäft bleiben. Wir werden aber auch neue Internet-Modelle anbieten. Wir tun das ja schon, etwa mit dem "I-Paq", mit den "Aero"-Modellen, oder mit der abgemagerten "I-Paq"-Version eines Windows-basierten-Terminals, das wir zur CeBIT 2000 vorstellen werden. Wir werden zudem bei Appliance-Geräten mit Telekommunikations-Unternehmen zusammenarbeiten.

CW: Denkt Compaq daran, mit ISPs (Internet Service Providern) zusammenzuarbeiten, seine PCs kostenfrei zu vertreiben und Geld nur noch mit Werbung oder beispielsweise einer geeigneten Portal-Strategie zu verdienen?

DROSTE: Ja, das tun wir. Wir sehen, daß der Markt sich in diese Richtung bewegt.