Preiskrieg unter den Mikrocomputer-Anbietern löst unterschiedliche Reaktionen an der Börse aus:

Commodore-Aktie nicht mehr uneingeschränkt empfohlen

28.10.1983

Die Aktien von Commodore International hält Merrill Lynch unter mittel- und langfristigen Aspekten nunmehr nur noch für kaufenswert, nachdem der Broker sie zuvor uneingeschränkt zum Kauf empfohlen hatte. Die vorsichtigere Haltung wird in erster Linie mit längerfristigen fundamentalen Überlegungen begründet. Commodore biete in der Hauptsache Rechner der unteren Preisklasse an. Dieses Marktsegment sei jedoch zur Zeit Schauplatz eines wahren "Preiskriegs" mit einem entsprechend gründlichen Ausleseprozeß unter den Herstellern.

Zudem dürfte IBM in nächster Zeit seinen "Peanut" herausbringen, und Coleco werde mit der Auslieferung des "Adam" beginnen. Von beiden Produkten, die am unteren Ende der Preis- und Leistungsskala der Personal Computer anzusiedeln seien, werde aller Wahrscheinlichkeit nach ein massiver Konkurrenzkampf auf die Geräte von Commodore ausgehen. Nach Ansicht der Aktienanalytiker von Merrill Lynch ist darüber hinaus damit zu rechnen, daß 1984 auch Texas Instruments und Atari (Warner Communications) sowie der eine oder andere japanische Hersteller gezielt in den bisher von Commodore gehaltenen Marktbereich vorstoßen werden.

Viele amerikanische Broker geben zu bedenken, daß das Vertrauen der Anleger in die Aussichten der Personal-Computer-Branche gesunken ist, auch wenn sich der Home-Computer-Bereich weiterhin rasant ausdehnen dürfte. Man rechnet damit, daß 1983 rund fünf Millionen Anlagen abgesetzt werden können. Dies entspräche einer Steigerung von 80 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Für 1984 dürfte mit einer weiteren Wachstumsrate von 60 Prozent zu rechnen sein, so daß die Marke von acht Millionen erreicht werden könnte. Commodore hat derzeit in diesem Bereich ein Marktanteil von etwa 40 Prozent und wird als das Unternehmen mit der wohl günstigsten Konstenstruktur bei der Produktion von Kleinrechnern angesehen. Aus diesem Grunde scheint die Aktie Merrill Lynch trotz der aufgezählten negativen Aspekte weiterhin kaufenswert.

Shearson/American Express wendet sich gegen die Meinung vieler Analytiker in Wall Street, daß Commodore in den Abwärtssog, der fast alle Mitbewerber derzeit erfaßt, mitgerissen werden könnte. Begründet wird dies damit, daß Commodore neben dem Markt für Personal Computer und SBS-Anlagen (Small Business Systems) auch zunehmend den Bereich der Peripherie-Geräte (Disketten-Laufwerke, Drucker, Bildschirm-Monitore) abdeckt. Wichtigstes Standbein bleibe jedoch der Home-Computer-Sektor. Hier dürfte nach den teils enormen Verlusten, die die Mitbewerber schlucken mußten ohne daß sie ihren Marktanteil hätten vergrößern können, das "Spiel mit den Preisen" vorläufig vorüber sein. Man erwartet zudem, daß Texas Instruments sich aus dem Billig-Geräte-Sektor zurückzieht. Dies sowie die erwartete Ankündigung einer neuen Produktlinie zur "Consumer Electronics Show" im Januar 1984 dürfte es Commodore erlauben, die bisherige Führungsposition mit einem Marktanteil von 40 bis 45 Prozent im Bereich der unteren Preis/Leistungsklasse zu festigen. Shearson/American Express empfiehlt die Aktie.