Topmanagement lässt Outsourcing-Plan fallen

Commerzbank gibt der IBM einen Korb

05.12.2003
MÜNCHEN (jha) - Die Commerzbank hat die Verhandlungen über ein Outsourcing-Projekt mit der IBM gestoppt. Offizielle Stellen führen wirtschaftliche und strukturelle Gründe an. Bankintern wird jedoch Kritik an IBM laut: Der Anbieter habe das ursprünglich geplante Einsparpotenzial nicht garantieren wollen.

Ende November besiegelte die Commerzbank in einer Vorstandssitzung das Ende eines der größten und für den Dienstleister prestigeträchtigsten Outsourcing-Projekte in Deutschland. Die Komplettauslagerung der Investment-Banking-IT an die IBM ist endgültig ad acta gelegt. Das Aus kam mit einer dreiwöchigen Verzögerung, weil die Topmanager noch einige Details geklärt wissen wollten. Dennoch lautete letztlich das Urteil: Die Auslagerung rechnet sich nicht für die Commerzbank. An der Entscheidung waren neben Klaus-Peter Müller, Vorstandssprecher der Commerzbank, unter anderem auch die Vorstände Mehmet Dalmann, zuständig für Sicherheitsfragen, Wolfgang Hartmann, Leiter des Zentralbereichs Risiko-Controlling, sowie Andreas de Maizière, verantwortlich für das Investment-Banking und die gesamte IT, beteiligt. Die drei Letzteren bildeten den für das Outsourcing-Projekt zuständigen Lenkungsausschuss. Sie waren über die Rahmenbedingungen gut informiert.

Einen Tag nach dem Vorstandsbeschluss wurden die Mitarbeiter in einer E-Mail über den neuesten Stand der Dinge informiert.

Darin heißt es unter anderem: "Die Gründe für eine Neugestaltung des Projekts liegen in einer Kombination aus wirtschaftlichen und strukturellen Aspekten, die es zu bewerten galt. Der Charakter und Umfang des Projektes lässt eine stärker sukzessive Vorgehensweise als zielführend erscheinen." Unterzeichnet ist die Mail von den beiden Projektleitern Udo Braun und Peter Kraemer. Sie sind als Leiter des zentralen Servicebereichs Information Technology Investment Banking beziehungsweise Leiter des zentralen Servicebereichs Information Technology Production die direkten Vorgesetzten der insgesamt rund 400 betroffenen Mitarbeiter, die zu IBM hätten wechseln sollen.

Beide Manager betonen in der Nachricht, dass die Commerzbank nach wie vor "Outsourcing-Verfechter" sei und IBM weiterhin ein wichtiger strategischer Partner bleibe. Auslagerung ist für das Geldinstitut demnach nicht grundsätzlich ausgeschlossen, wird künftig aber im Rahmen von selektiven Projekten verfolgt. Für die Mitarbeiter kam der Abbruch der Verhandlungen überraschend, denn alles hatte auf einen positiven Verlauf hingedeutet: Unmittelbar vor der entscheidenden Vorstandssitzung wurde bekannt, dass IBM die Übernahme der Commerzbank-IT bereits beim Bundeskartellamt angemeldet hatte. Auch das Bundesamt für Finanzwesen war - wie in derartigen Fällen üblich - schon informiert. Für den Betriebsübergang stand der erste Februar im Raum. Die Verhandlungen mit den betroffenen Mitarbeiter hätten also spätestens im Dezember beginnen müssen. Schließlich waren schon rund 60 Stellen für die Retained Organisation, also für die interne Koordinationsstelle der Zusammenarbeit mit dem Partner, ausgeschrieben.

Kapitalerhöhung reduziert den Handlungsdruck

Tatsächlich hat es wohl eine ganze Reihe von Faktoren gegeben, die zu dem Rückzieher führten. Einer unternehmensnahen Quelle zufolge hat sich im Lauf der Verhandlungen herausgestellt, dass die erzielbaren Einsparungen nicht den Erwartungen der Commerzbank entsprochen haben. IBM habe dem Finanzinstitut nicht annähernd so gute Konditionen anbieten können wie der Deutschen Bank. Ein der Commerzbank nahe stehender Analyst sagt dazu:

"IBM hat den zweiten Outsourcing-Deal etwas nüchterner betrachtet und auch dazugelernt. Außerdem ist die IT der Commerzbank deutlich vielschichtiger als die der Deutschen Bank."

Die Abkehr vom Komplett-Outsourcing wurde auch dadurch gefördert, dass die Commerzbank nicht mehr unter dem enormen Handlungsdruck stand wie noch vor zehn Monaten zum Start der Verhandlungen. Vorstandssprecher Müller nahm im November überraschend eine Abschreibung von 2,3 Milliarden Euro auf das Wertpapier- und Beteiligungsportfolio vor und vollzog gleichzeitig eine zehnprozentige Kapitalerhöhung. Das Echo in der Wirtschaftspresse und unter den Analysten war durchweg positiv.

Ein weiteres Problem, das zum Ende der Verhandlungen beitrug, lautet in der offiziellen Lesart folgendermaßen: "Die Gründe liegen in speziellen vertragsbedingten Faktoren der Commerzbank." Üblicherweise sind es die laufenden Leasingverträge, die in derartigen Projekten Schwierigkeiten bereiten.

Das Ende der Verhandlungen dürfte für die Commerzbank weniger problematisch sein als für die IBM. Das Finanzinstitut hat im Rahmen der Due Diligence und im Zuge der Bestandsaufnahme der IBM wichtige Anregungen für eine effektivere Gestaltung ihres IT-Betriebs erhalten. Zudem steht die Tür zum Outsourcing bei freier Partnerwahl weiterhin offen. Die größte Herausforderung für die Commerzbank-Manager wird sein, die Mitarbeiter, die eigentlich schon in die Obhut eines anderen Arbeitgebers entlassen waren, wieder für die Arbeit in ihrer altbekannten Umgebung zu motivieren, denn nicht alle standen einem Wechsel abgeneigt gegenüber.

Big Blue hätte mit der Übernahme des IT-Betriebs der Deutschen Bank und der Commerzbank enorme Skaleneffekte am IT-Standort Frankfurt erzielen können. Auch das Bild vom bevorzugten IT-Dienstleister für die Finanzindustrie hat Risse bekommen. Dass die Partner durch welche Umstände auch immer nicht zusammenfanden, ist in jedem Fall kein gutes Signal an die Branche. IBM dementierte indes alle Schwierigkeiten: "Es hat nicht an dem Preis, nicht an den Verträgen und nicht an mangelnden Übernahmegarantien für die Mitarbeiter gelegen. Es gab auch keine Zweifel an der Leistungsfähigkeit des Dienstleisters." Darauf unkte der anonyme Marktbeobachter: "Woran soll es denn sonst gelegen haben? Am Nasenfaktor etwa?"