Comeback des Kunden-Managements

11.04.2006
Aktuelle CRM-Projekte haben den Business-Nutzen im Visier. Unterstützt durch neue Analysetechniken, wollen die Anwender heute mehr als die Beschleunigung einmal definierter Prozesse.
Den Ausgangspunkt für jede CRM-Strategie bilden die Unternehmensziele.
Den Ausgangspunkt für jede CRM-Strategie bilden die Unternehmensziele.
Seit 2004 nehmen die Lizenzeinnahmen für CRM-Software wieder zu. Stärker wachsen jedoch die Umsätze für Beratung und Dienstleistungen.
Seit 2004 nehmen die Lizenzeinnahmen für CRM-Software wieder zu. Stärker wachsen jedoch die Umsätze für Beratung und Dienstleistungen.

VON CW-REDAKTEURIN KARIN QUACK

Ratschläge für ein erfolgreiches Customer-Relationship-Management

Experton-Analyst Rüdiger Spies empfielt:

• Das Unternehmen muss sich Gedanken machen, was es eigentlich mit CRM will. Damit ändert sich die Gewichtung der Komponenten Ablaufeffizienz und Marketing.

• Ein sauberer Datenaustausch zwischen CRM und ERP, Finanzanwendungen, Supply-Chain-Management sowie analytischen Funktionen ist wichtiger als die Vollständigkeit der Funktionen. Die Frage nach der Anwendungsarchitektur ist essenziell.

CRM-Berater Wolfgang Schwetz ergänzt:

• Wo will das Unternehmen in den nächsten fünf Jahren stehen? Daraus ergeben sich die Anforderungen an die Geschäftsprozesse und die Software. Wer nicht weiß, wohin er will, fordert vom Softwareanbieter oft nur unnötige Nice-to-haves.

• CRM ist kein Projekt, sondern ein Weg. Es geht um einen Kulturwandel im Umgang mit dem Kunden.

Und Lutz Kolbe von der Universität St. Gallen erinnert:

• Die Hauptarbeit kann kein Softwareanbieter leisten. Das Unternehmen selbst muss herausfinden: wie es den "Kundenwert", berechnet, ob es alle dafür nötigen Daten hat und wie die Prozesse dafür beschaffen sein sollen.

• Wenn das CRM-Vorhaben von Business-Zielen gesteuert wird, muss sich der Erfolg auch messen lassen.

Mehr zum Thema

www.computerwoche.de/go/574433: Interview mit Rüdiger Spies auf CW-TV;

570960: CRM ist für die Firmen erneut ein Thema;

568505: CRM - wo es in der Praxis hapert;

570169: Microsoft will CRM Großfirmen verkaufen;

566287: Mit Siebel kauft Oracle Marktanteile.

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Zweiter Frühling im Markt für CRM-Software" oder "CRM ist für die Firmen erneut ein Thema" - an diesen Überschriften aus computerwoche-Ausgaben der vergangenen Monate wird deutlich: Das totgesagte Customer-Relationship-Management ist wieder putzmunter. Für das Jahr 2005 hat Forrester Research ein weltweites Marktvolumen von knapp acht Milliarden Dollar errechnet. Bis 2008 wird es, so die Prognose, auf mehr als neun Milliarden Dollar steigen.

Diese Entwicklung spiegelt sich auch hierzulande wider. "Während in den letzten Jahren kaum mehr jemand etwas für CRM übrig hatte, stiegen die Ausgaben für Software und IT-Services 2005 um knapp sieben Prozent", meldete Pierre Audoin Consultants (PAC) zum Jahreswechsel, "ab 2006 wird CRM gar zu den IT-Themen mit den größten Wachstumschancen zählen."

Von diesem neuen CRM-Boom profitieren vor allem die Berater und IT-Dienstleister. Aber die Anbieter von Software sowie IT- und Kommunikations-Equipment werden ebenfalls nicht leer ausgehen. Das belegt beispielsweise eine Hochrechnung der Techconsult GmbH aus Kassel. Dabei sei die Nachfrage der Anwenderunternehmen unterschiedlich ausgeprägt. Ein überdurchschnittliches Wachstum zeichne sich derzeit vor allem im Handel ab. Doch auch die Fertigungsindustrie werde ihre ohnehin üppigen Investitionen in CRM-Software und -Infrastruktur noch erweitern.

Die Gründe für den Einbruch

Zur Jahrtausendwende ein Hype-Thema, hatte CRM in den vergangenen Jahren einen schlechten Ruf. Die Kosten waren hoch, der Erfolg blieb unsichtbar. Gartner hat sogar herausgefunden, dass etwa zwei Drittel der CRM-Projekte fehlgeschlagen seien.

Das Beratungsunternehmen A.T.Kearney sieht das ähnlich: "Die Projekte, die um das Jahr 2000 herum gestartet wurden, haben fast nie die Werte gebracht, die man sich davon versprochen hatte", bestätigt IT-Strategie-Berater Holger Röder.

Der deutsche CRM-Experte Wolfgang Schwetz mag das so nicht unterschreiben; die von Gartner und anderen genannten Zahlen bezögen sich auf den US-Markt, so der Gründer des Karlsruher Unternehmens Schwetz Consulting. Allerdings räumt er ein, dass die CRM-Anwender der ersten Stunde nicht so ganz gewusst hätten, was sie eigentlich wollten: "Viele Unternehmen haben zu wenig in die Definition ihrer Ziele investiert - aber dann müssen sie halt nachträglich ihre Hausaufgaben machen."

Während der ersten CRM-Welle war die gängige Diktion in vielen Unternehmen: "Wir machen ein Siebel-Projekt. Wie viele Lizenzen brauchen wir?" Darin manifestierte sich der grundsätzliche Denkfehler. "CRM ist kein Projekt, sondern ein Weg", sagt Schwetz, "allenfalls die Einführung ist ein Projekt." Doch weil sich die Bereitschaft zum Umdenken auch in den Unternehmensspitzen in Grenzen halte, sei das CRM-Thema oft an die IT "delegiert" worden - mit den bekannten Folgen.

"Da sollte es ein einziges CRM-System für alle Geschäftsbereiche geben", führt A.T.-Kearney-Berater Röder als Beispiel für eine Fehlentwicklung an, "aber deren unterschiedliche Ansprüche ließen sich damit nicht erfüllen."

Zu allem Überfluss war das Angebot an Applikationssoftware um die Jahrtausendwende höchstens auf den Umgang mit existierenden, aber nicht auf das Gewinnen potenzieller Kunden ausgerichtet. "In den meisten Branchen haben wir seit Jahren einen Käufermarkt, aber die Standard-ERP-Software wurde für einen Verkäufermarkt entwickelt", konstatiert Schwetz, "sie erfasst den Kunden erst mit dem ersten Auftrag."

Der Ansatz hat sich verändert

Vor allem haben die Unternehmen über den technischen Erörterungen die Grundfrage nach den geschäftlichen Zielen vernachlässigt. Was will ich mit CRM eigentlich erreichen - neue Kunden für meine vorhandenen Produkte gewinnen oder meiner existierenden Kundenbasis zusätzliche Produkte verkaufen (Stichwort Up- und Cross-Selling)? Von der Antwort auf diese Frage hänge ab, ob stärker in die Gestaltung neuer Marketing-Prozesse oder die Beschleunigung der internen Abläufe investiert werden müsse, erinnert Rüdiger Spies, Executive Advisor und Analyst bei der Experton Group AG in Ismaning (siehe Grafik "Wo wollen wir hin?").

Immerhin haben die Unternehmen wohl dazugelernt. "Heute steht der konkrete Business-Nutzen im Vordergrund," versichert Michael Römer, wie Röder IT-Strategie-Berater bei A.T.Kearney. Als Beispiele für CRM-Vorhaben der zweiten Generation nennt er Mobile-Field-Sales oder neue kundenorientierte Services durch Business-Intelligence-Funktionen mit Echtzeit-Auswertungen.

Die Integration analytischer Funktionen soll die unerfüllten Versprechen einlösen, mit denen sich die Unternehmen anfangs dem Thema Kundenbeziehungs-Management genähert hatten. "Vor fünf Jahren hat man die Leute damit überfordert: Opportunity-Management? - Wir wissen ja nicht einmal, wie viele Angebote wir überhaupt haben", führt Schwetz aus. Mittlerweile hätten die Unternehmen aber gemerkt, dass sie mit den CRM-Systemen alter Prägung "denselben Mist nur schneller transportieren, aber nicht wirklich besser werden".

Wie sich die geänderte Denkweise mit den neuen technischen Möglichkeiten umsetzen lässt, weiß Lutz Kolbe, Leiter des Kompetenzzentrums Customer-Management am Institut für Informations-Management der Universität St. Gallen: "Mit einem Closed-Loop-Ansatz lassen sich in einem Zug Kundenkontakte aufnehmen, auswerten und die Ergebnisse in Aktionen umsetzen."

Hinsichtlich ihrer CRM-Vorhaben halten sich die Anwenderunternehmen heute viel bedeckter als vor einigen Jahren. Das liegt an den Zielen, die sie damit verfolgen. "Man kann heute Dinge machen, die vorher nicht möglich waren", plaudert Kolbe aus dem Nähkästchen, "beispielsweise den Kundenwert ermitteln und für die Vertriebs- und Servicesteuerung einsetzen." Das führe unter anderem zu individuellen Kulanzregelungen oder unterschiedlicher Behandlung im Call-Center. Ein Kunden-Scoring sei bei den Mobilfunkanbietern und in der Reisebranche schon gang und gäbe, auch in die Versicherungsbranche halte es bereits Einzug.

Markt in Bewegung

Etwa die Hälfte der CRM-Systeme sind derzeit noch Eigenentwicklungen, schätzt Kolbe. Aber es gebe einen unübersehbaren Trend zur Standardsoftware. Und auf diesem Markt hat sich in den vergangenen Monaten einiges getan, weshalb er auch von dem einen oder anderen Ersatzprojekt beflügelt wird.

Offenbar profitiert vor allem SAP von der Unsicherheit, die die ehemaligen Peoplesoft- und JD-Edwards-Kunden nach der Übernahme ihrer Softwarelieferanten durch Oracle befallen hat. Die Walldorfer verbreiten neuerdings genüsslich Erfolgsmeldungen: Die französische Regierung ersetze ihre Oracle-Applikationen durch SAP-Software, und die US-Vertriebsgesellschaft für die roten Vektorinox-Messer werfe JD Edwards zugunsten der SAP-Branchenlösungen raus.

Christian Glas, Senior Analyst bei PAC in München, beobachtet hingegen, dass einige Oracle-Bestandskunden schon wieder auf aktuelle Softwareversionen umsteigen. "Wer vorhat, auf SAP zu wechseln, migriert nicht erst auf ein neues Siebel-Release", lautet sein Kommentar. Aus seiner Sicht bietet Siebel immer noch die "tiefste" CRM-Lösung. Außerdem habe Oracle durchblicken lassen, dass die angekündigte "Fusion"-Plattform im Prinzip ein neues Siebel-Release enthalten werde: "Diese Nachricht verschreckt eher Peoplesoft-Kunden wie Debitel, Talkline oder Lufthansa."

Für den Experton-Analysten Spies ist die funktionale Überlegenheit von Siebel allerdings Geschichte: "SAP kann Siebel in dieser Hinsicht längst das Wasser reichen", sagt er. Bezüglich der Branchen-Unterstützung habe SAP Siebel sogar überholt.

Der Herausforderer

Vor allem in die JD-Edwards-Lücke könnte ein neuer Marktteilnehmer stoßen: Das seit der Jahreswende verfügbare Microsoft CRM 3.0 ist laut Spies durchaus eine Alternative. "Die Versionen 1 und 2 waren eine Enttäuschung, aber Version 3 ist nun tatsächlich benutzbar."

"Längerfristig wird Microsoft 20 bis 25 Prozent Marktanteil haben", ist auch Schwetz überzeugt. Doch bringe der Windows-Anbieter derzeit "seine PS noch nicht auf die Straße". Es gebe bei Microsoft viele Aktivitäten, aber wenig erfolgreiche Projekte - im Verhältnis zum Aufwand.

Egal ob SAP, Oracle oder Microsoft - nach Ansicht der meisten Berater werden sich die Anwender für ein Biotop entscheiden müssen. Glas und Spies erklären übereinstimmend, dass das Best-of-Breed-Konzept nicht funktioniere. Der Experton-Analyst: "Ich habe immer gesagt: Wenn ihr euch für einen Hauptanbieter entschieden habt, bleibt bei ihm - auch wenn er momentan nicht das Passende im Angebot hat."