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Thema des Tages

Comdex: Gates verspricht das "persönliche Web"

15.11.1999
Thema des Tages

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Ein zum Scherzen aufgelegter Bill Gates eröffnete gestern abend mit seiner Keynote-Ansprache vor 6000 Zuschauern die Comdex Fall 1999 in Las Vegas. Die Veranstaltung gilt trotz zunehmender Kritik und dem Rückzug wichtiger PC-Anbieter immer noch die IT-Leitmesse der Vereinigten Staaten.

"Hat jemand in letzter Zeit einen guten Anwaltswitz gehört", fragte der Microsoft-Chef mit einem gewissen Galgenhumor ins Publikum. Vor dem Hintergrund des schwelenden Kartellverfahrens betonte er einmal mehr das Recht seines Unternehmens auf Innovation und dankte in diesem Zusammenhang für Briefe und E-Mails, mit denen Verbraucher Microsoft den Rücken stärken wollten. Im folgenden bemühte er sich, sein auf PC-Software spezialisiertes Unternehmen als Hüter des "Persönlichen" darzustellen.

Microsoft will auch den Zugang zum Internet künftig persönlicher gestalten (natürlich über den hauseigenen Service-Provider MSN). Gates kündigte zu diesem Zweck einen tragbaren PC namens "Web Companion" an. Dieser Begleiter, im wesentlichen ein Internet-Terminal im E-Book-Format mit dem Betriebssystem Windows CE, soll von einer ganzen Reihe von Herstellern (unter anderem Acer, Philips, Thomson, Vestel) in unterschiedlichen Varianten gefertigt und vermarktet werden.

Erste Geräte - während seiner Ansprache zeigte Gates lediglich Designstudien - sollen Mitte kommenden Jahres auf den Markt kommen. Sie sollen dabei bereits so vorkonfiguriert sein, daß der Käufer sie lediglich mit Strom- und Telefonanschluß verbinden muß und anschließend sofort auf die MSN-Site, den E-Mail-Service "Hotmail" und andere Web-Dienste von Microsoft zugreifen kann. Die Preise für die MSN Companions sollen bei 200 Dollar beginnen. Zusätzlich ist offenbar auch ein MSN-Abo vorgesehen - zu dessen Gebühren wollte Gates allerdings nichts verraten. Vor diesem Hintergrund erscheint das in der vergangenen Woche verkündete Abkommen mit der Handelskette "Radio Shack" (CW Infonet berichtete) in einem neuen Licht.

Tim Bajarin von Creative Strategies Research hatte bereits vorab zwei Vestel-Geräte der Presse vorgeführt. Dabei handelte es sich um einen Prototypen mit LC-Display und ein All-in-one-Gerät mit 15-Zoll-Monitor. Ein drittes, drahtloses Modell ist laut Hersteller ebenfalls geplant. Beide Vestel-Companions arbeiten mit dem hochintegrierten, aber preiswerten "Geode"-Chip von National Semiconductor.

Für die weitere Entwicklung des Internet wird aus Sicht von Gates auch die Extensible Markup Language (XML) eine zentrale Rolle spielen. "XML ist eine ganz zentrale Angelegenheit. Sie ermöglicht die Interoperabilität auf einer semantischen [inhaltlichen] Ebene." Es werde neue Erweiterungen und [Programmier-]Sprachen auf Basis von XML geben; Microsoft werde mit "Biztalk" sein Scherflein dazu beitragen, Anbieter und Kunden über das Web zu verbinden.

Neben der Ankündigung von Microsofts Internet-Begleiter nützte Bill Gates seine Ansprache auch weidlich für Werbezwecke. Dabei stand vor allem die angebliche Stabilität und Skalierbarkeit des NT-Nachfolgers "Windows 2000" im Mittelpunkt. Gates bestellte zur Demonstration unter anderem einen Ford Focus über das neue Händlernetz des Automobilriesen, während gleichzeitig 20 000 andere Benutzer auf die Server (fünf Compaq-Maschinen unter Windows 2000 Advanced Server) zugriffen. "Die meisten denken bei Skalierbarkeit an Hardware", meinte Gates. Wichtiger sei aber das Softwarethema. "Zuverlässigkeit steht auf der Feature-Liste von Windows 2000 ganz oben. Die Leute wollen ihre Server schließlich nicht dauernd neu booten."

Ansonsten wurde der Microsoft-Chef nicht müde, den angeblich auch weiterhin andauernden PC-Boom zu beschwören. Er berief sich dabei auf aktuelle Studien, denen zufolge derzeit bereits 54 Prozent der US-Haushalte mit PCs bestückt und die Hälfte aller US-Bürger online sind. "Der PC ist in neue Höhen vorgestoßen, und diese Entwicklung wird meiner Ansicht nach auch anhalten", prophezeite Gates. Der PC werde zum Zentrum des vernetzten Haushalts und zum Server für das private Musikprogramm werden, so die Vision des CEO. Vom ergänzenden PDA (Personal Digital Assistant) aus werde der Mensch künftig die ihn auf verschiedensten Geräten in seiner Wohnung umgebenden Klänge und Bilder steuern.