Sechs Millionen Euro für Entwicklung und Vertrieb

Cobion erhält eine weitere Chance

18.10.2002
MÜNCHEN (mb) - Vor knapp einem Jahr drohte dem Kasseler Startup Cobion noch ein ähnliches Schicksal wie seiner insolventen Muttergesellschaft Biodata. Nun ist das Unternehmen in der Lage, mit sechs Millionen Euro Beteiligungskapital von Wellington und Sofinnova Vertrieb und Entwicklung weiter auszubauen.

Ende vergangenen Jahres, als die Muttergesellschaft Biodata Insolvenz anmelden musste, schien das Schicksal des Kasseler Content-Security-Spezialisten Cobion besiegelt. Aber statt "den Karren gegen die Wand fahren zu lassen", so der Vorstandsvorsitzende Jörg Lambrecht, entschieden sich die Gründer, drei ehemalige Mathematikstudenten der Universität Kassel, die Anteile zurückzukaufen.

Der Neustart war nicht einfach, da unter anderem eine Alternative zu den zuvor genutzten Vertriebswegen von Biodata gefunden werden musste. Inzwischen arbeitet das 1997 gegründete Startup mit rund 40 Resellern zusammen, um mittelständische Unternehmen und Großkunden zu bewerben. Zudem wird Cobions Hauptprodukt "Orange Box" von IBM Global Services im deutschsprachigen Raum als Bestandteil eines Produkt- und Serviceportfolios vertrieben.

Ähnlich wie der Konkurrent Webwasher bietet Cobion Filterlösungen für die Überwachung und Säuberung des Intra-/Internet- und E-Mail-Verkehrs an. Anstelle der manuellen Indexierung durch Studenten bedient sich das Unternehmen dabei jedoch einer Bild- und Texterkennungstechnologie auf Basis mathematischer Algorithmen. Ein Verbund aus 1000 PCs in Cobions Global Data Center ist dabei rund um die Uhr beschäftigt, Websites zu scannen und die generierten Bilddaten und Textinformationen in einer Datenbank abzulegen. Die Kasseler haben nach eigenen Angaben inzwischen rund 1,9 Milliarden Internet-Seiten ausgewertet, täglich kommen zwei Millionen Websites hinzu. Ein Vergleich: Die Suchmaschine Google kennt etwa 2,2 Milliarden ULRs.

Nicht erst seit den Terroranschlägen vom 11. September werden Unternehmen sensibler dafür, dass sie sich vor ungewolltem Informationsverlust schützen sollten. Außerdem sind die Firmen für illegale Surftrips ihrer Mitarbeiter sogar haftbar.

Fälle von Internet-Missbrauch gehen häufig mit einem langfristigen Imageverlust einher, der sich negativ auf das Kundenvertrauen und sogar den Aktienkurs auswirken kann. Produktivitätseinbußen, sei es durch eine unnötige Belastung der Netzkapazitäten oder die Vergeudung von Arbeitszeit durch privates Surfen, sind ein weiteres Argument für Firmen, in Filterprodukte zu investieren.

Nach Schätzungen der Marktforscher von IDC wies der von Cobion angesteuerte Markt für Internet-Zugangskontrolle und E-Mail-Filter im vergangenen Jahr ein Volumen von weltweit 437 Millionen Dollar auf. Bei einer erwarteten Zuwachsrate von über 40 Prozent pro Jahr soll das Volumen bis 2005 auf 1,43 Milliarden Dollar ansteigen. Im Gegensatz zu den Marktführern Surfcontrol und Websense hat sich Cobion bislang nur ein winziges Stückchen des Kuchens gesichert: Für dieses Jahr schätzt Firmenchef Lambrecht, dass sein Unternehmen bei 2,8 Millionen Euro Umsatz eine schwarze Null vor Zinsen und Steuern (Ebit) schreiben wird. Im kommenden Jahr sollen sich die Einnahmen aber bereits auf 7,7 Millionen Euro belaufen, dabei erwartet Cobion ein Ebit-Plus von rund einer Million Euro.

Grund für den Zuwachs sind unter anderem die nun zugesagten sechs Millionen Euro von Wellington Partners und Sofinnova Partners aus Paris. Ein Teil des Venture-Capital-Gelds will das derzeit rund 60 Mitarbeiter starke Unternehmen nutzen, um den Vertrieb weiter auszubauen, etwa durch die Zertifizierung von Partnern. Zudem ist vorgesehen, die bestehende US-Niederlassung von San Francisco nach Boston umzusiedeln und aufzustocken.

Auch die geplante Expansion nach Portugal, Osteuropa, dem Nahen Osten und Südafrika will Cobion nun in Angriff nehmen. Dazu ist geplant, das Angebot von derzeit elf Sprachversionen auszuweiten. Bald sollen außerdem neben der Windows-Version auch Orange-Box-Modelle für Linux und Solaris auf den Markt kommen.