Wieviel kostet die Cloud

Cloud Computing im Kosten-Check

02.09.2012
Von 


Joachim Hackmann ist Principal Consultant bei PAC – a teknowlogy Group company in München. Vorher war er viele Jahre lang als leitender Redakteur und Chefreporter bei der COMPUTERWOCHE tätig.

On-Premise-Kosten sind schwer kalkulkierbar

Doch auch diese Betrachtung wird einem belastbaren Kostenvergleich nicht gerecht, denn sie stellt Kapitalkosten (Capex = Capital Expenditures) und Betriebskosten (Opex = Operational Expenditures) gegenüber. In der Praxis kommt das einem Äpfel-Birnen-Vergleich nahe, weil sich die Rahmenbedingungen über eine lange Nutzungszeit ständig ändern.

Pentos-Vorstand Krasser verdeutlicht das am Beispiel eines großen deutschen Konzerns, in dem im Jahr 2005 die Entscheidung für eine neue HR-Software anstand. Zu dem Zeitpunkt war das SaaS-Angebot noch nicht so umfangreich und der Cloud-Erfahrungsschatz weder im Unternehmen selbst noch in den Beratungshäusern und im Markt sonderlich ausgeprägt. Der Konzern entschied sich daher für eine Lösung eines namhaften Herstellers im Eigenbetrieb.

Weil die Verantwortlichen mit dem Anbieter einen ordentlichen Mengenrabatt aushandelten, orderten sie über 100.000 Lizenzen für sämtliche Mitarbeiter, obwohl schon eingangs klar war, dass der Rollout einige Jahre dauern würde und Nutzer erst nach und nach auf das neue System migriert werden konnten. Zu den Lizenzen addierten sich noch die üblichen Migrationskosten sowie die Anschaffung eines leis-tungsstarken Servers. Im Jahr 2010, so die ursprüngliche Planung, wären alle Einmalausgaben abgeschrieben, der Unterhalt des HR-Systems würde sich nur noch auf die Kosten für die Betreuung und Energie beschränken.

Es kam anders. Bereits 2006 traten erste Probleme auf, die Einführung dauerte länger als erwartet. 2007 konnten die ersten Anwender auf der Installation arbeiten, die Akzeptanz der Mitarbeiter blieb hinter den Erwartungen zurück. Später zeigte sich zudem, dass die Leistung des internen Netzes die große Nutzerzahl nicht bewältigen konnte. 2010 waren erst wenige tausend Anwender auf das System migriert. Zu allem Überfluss kündigte der Anbieter auch noch das Ende der Software an.

"Der Hersteller ist ein Konzern, der seinen Kunden eine lange Übergangsphase einräumt, in dem Fall wird die Software wohl erst 2020 eingestellt", sagt Krasser. "Aber sobald ein Sunset-Datum genannt wird, fahren die Firmen üblicherweise ihre Investitionen in die Softwareentwicklung zurück, es gibt weniger Upgrades, und die Funktionalität bleibt hinter der von der Konkurrenz zurück." Insgesamt hatte das Projekt viele Millionen Euro verschlungen mit äußerst mäßigem Ertrag.

Capex oder Opex - eine sinnvolle Debatte?

Die Debatte um die Wirtschaftlichkeit von Cloud Computing läuft häufig auf den Capex-Opex-Vergleich hinaus. Dabei stehen die Investitionskosten (Capital Expenditure = Capex) von hausinternen Installationen den regelmäßigen Zahlungen an externe Provider für den IT-Betrieb (Operational Expenditure = Opex) gegenüber. Während Investitionskosten nach wenigen Jahren abgeschrieben sind, laufen die monatlichen Lizenzkosten für ein SaaS-Abo weiter, übersteigen also irgendwann die Anschaffungskosten eines On-Premise-Betriebs.

Diese Debatte hält Bernard Golden, CEO der auf Virtualisierungslösungen spezialisierten Consulting-Firma Hyperstratus, für verfehlt: "Hinter dem Capex- und Opex-Vergleich steht die strategische und nur schwer zu beantwortende Frage nach der Zukunft der IT: Wollen Unternehmen Betreiber und Eigentümer einer IT samt den dafür erforderlichen Anlagen sein? Oder wollen sie IT auf Anlagen und Installationen betreiben, die externen Providern gehören?", fragte er in der amerikanischen CW-Schwesterpublikation "CIO.com".

Vielen IT-Managern, so unterstellt Golden, geht es um das Prestige. Immer noch verleihen IT-Anlagen im Wert von mehreren hundert Millionen Dollar und viele Mitarbeiter dem IT-Verantwortlichen Bedeutung, mehr jedenfalls als die Betreuung eines externen Providers. Diese Beobachtung kann Nikolaus Krasser, Vorstandsmitglied der Pentos AG, bestätigen: "Ich glaube nicht, dass ein CIO im Kollegenkreis Eindruck machen kann, wenn er beispielsweise vier SaaS-Plattformen nutzt. Das kommt erst noch."

Ähnlich wie seinerzeit das Outsourcing empfinden manche IT-Beschäftigte heute die Cloud als Bedrohung. Sie fürchten den Verlust von Arbeit und Bedeutung, sehen aber nicht die neuen Aufgaben. Das können etwa Schnittstellenfunktionen, Migrations- und Integrationsprojekte sowie Reporting und Analyse von SaaS-Installationen sein. Um diesen Veränderungen vorzubeugen, argumentieren manche mit den angeblich höheren Kosten in der Cloud. Der Konflikt mit den Fachbereichen ist dann unausweichlich, denn die Nutzer interessieren sich selten für Kosten. Sie achten auf Usability, Funktionen und Best Practices.

Die SaaS-Lösung punktet mit einer modernen Benutzeroberfläche

Schon während des Projekts entstand in der Fachabteilung der Wunsch nach einem alternativen Produkt. Die Fachkollegen hatten ihr Auge auf die Talent-Management-Lösung von SuccessFactors - inzwischen von SAP übernommen - geworfen, die ausschließlich im SaaS-Betrieb angeboten wird. Der Grund für das Interesse war die User-Schnittstelle, sie hatte eine moderne und benutzerfreundliche Anmutung. Die Lösung wurde im Jahr 2009 gegen den Willen der IT und der Berater eingeführt, die Experten hatten vor funktionalen Defiziten gewarnt.

Die Einführung wurde zum Erfolg, weil die Lösung von den Anwendern akzeptiert wurde. Die ständigen Updates der Software haben zudem die funktionalen Lücken schnell gestopft. "2005 war die Entscheidung für den etablierten On-Premise-Hersteller betriebswirtschaftlich und technisch absolut richtig, man konnte damals nicht ahnen, dass man auf einen Zug aufgesprungen war, der mit Volldampf in die Sackgasse abbog", sagt Krasser.