Tür ins Cloud Computing

Cloud-Anbieter brauchen PaaS

16.11.2014
Von 
Martin Bayer ist Chefredakteur von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO. Spezialgebiet Business-Software: Business Intelligence, Big Data, CRM, ECM und ERP.
Die großen Cloud-Anbieter arbeiten mit Hochdruck daran, ihre Platform-as-a-Service-Lösungen auszubauen. Schließlich geht es darum, andere Softwarehersteller anzulocken und so den eigenen Cloud-Kosmos zu erweitern. Doch angesichts der dynamischen Entwicklung und der vielen verschiedenen Spielarten von PaaS ist der Markt für unabhängige Softwarehersteller wie auch für Unternehmensanwender noch sehr unübersichtlich.

Mehr als 130 Angebote, die sich in 15 unterschiedliche Subkategorien aufteilen - das macht den Markt für Platform-as-a-Service-Lösungen nach Einschätzung von Gartner nicht gerade übersichtlich. Die PaaS-Facetten reichen von Applikationsplattformen (aPaaS) und Application Development and Lifecyle Management (ADLM-PaaS) über Business Analytics (BA-PaaS) und Managed File Transfer (MFT-PaaS) bis zu den schnell wachsenden Segmenten Integration (iPaaS) und Database Management (dbPaaS).

PaaS bildet hinsichtlich des Umsatzvolumens zwar das kleinste Cloud-Segment, soll in den kommenden Jahren aber deutlich schneller wachsen als Infrastructure as a Service (IaaS) und Software as a Service (SaaS). Gartner taxierte den weltweiten Markt für PaaS 2013 auf rund 2,5 Miliarden Dollar. 2018 soll sich das Geschäftsvolumen bereits auf etwa sieben Milliarden Dollar belaufen. Das würde im Durchschnitt ein jährliches Wachstum von 22,6 Prozent bedeuten.

Das weckt Begehrlichkeiten auf Seiten der Softwareanbieter. Neben PaaS-Spezialisten expandieren gerade die großen Hersteller wie IBM und Oracle mit ihren Lösungen für Application Integration and Middleware (AIM) in Richtung Cloud. Außerdem arbeiten viele Anbieter von IaaS- und SaaS-Lösungen mit Hochdruck daran, ihre Cloud-Pakete mit PaaS-Funktionen zu erweitern.

Foto: everything possible, Shutterstock.com

Damit verschwimmen die Grenzen zwischen den unterschiedlichen Cloud-Kategorien. Marktforscher wie Jay Lyman, Senior Analyst der 451 Research Group, spekulieren mittlerweile offen darüber, ob PaaS als eigene Cloud-Kategorie überhaupt eine Zukunft hat und ob die mit PaaS verbundenen Funktionalitäten nicht in IaaS- und SaaS-Lösungen aufgehen werden. "Das bedeutet nicht, dass PaaS einfach verschwinden wird", erläutert Lyman. "Der Trend zeigt jedoch, wie sich die Definition von PaaS verändert, gerade im Zusammenhang mit IaaS und SaaS."

Für die Anbieter geht es darum, Ökosysteme rund um ihre Cloud-Plattformen aufzubauen. Beispielsweise will IBM Milliarden Dollar in seine Cloud-Strategie investieren. Vor rund einem Jahr hatte der Konzern den IaaS-Spezialisten Softlayer übernommen und damit seine Rechenzentrums-Infrastruktur für die IT-Wolke massiv ausgebaut. Darauf aufbauend hat IBM kürzlich sein PaaS-Paket "Bluemix" präsentiert. Die Lösung basiert auf dem Open-Source-Framework "Cloud Foundry" sowie den Cloud-Versionen der Entwicklungswerkzeuge von IBM Rational. IBM will die Entwicklungsumgebung laufend um neue Services erweitern und auch Werkzeuge von Drittanbietern einbinden.

Cloud Foundry, von VMware entwickelt, um Entwicklung und Bereitstellung von CloudApplikationen zu vereinfachen, und 2011 unter dem Dach der Apache-Foundation als Open-Source-Lösung bereitgestellt, entwickelt sich mehr und mehr zum De-facto-Standard für PaaS. Die Cloud Foundry Foundation hat mittlerweile über 40 Mitglieder, darunter klangvolle IT-Namen wie EMC, IBM, Intel und SAP. Der deutsche Softwarekonzern will damit die Unterstützung für die Entwicklergemeinde ausweiten, erläuterte SAP-CIO Björn Goerke. Die Walldorfer forcieren derzeit den Ausbau ihrer HANA-Cloud-Plattform. Neben den eigenen Business-Applikationen sollen dort auch Anwendungen von Drittanbietern laufen. SAP-Angaben zufolge entwickeln bereits 1200 Start-ups für die HANA Enterprise Cloud.

Allerdings sind Entwickler auf den SAP-Cloud-Stack festgelegt. Am Unterbau rund um die In-Memory-Datenbank HANA ist beispielsweise nicht zu rütteln. Um ihr Cloud-Ökosystem zu erweitern, bemühen sich andere Anbieter um mehr Offenheit. Beispielsweise unterstützt Microsoft mit Azure mittlerweile auch virtuelle Maschinen unter Linux. Außerdem laufen Business-Lösungen konkurrierender Anbieter auf der Cloud-Plattform, zum Beispiel Oracle-Datenbanken und SAPs Business-Anwendungen. Microsoft kombiniert in seiner Azure-Plattform IaaS- und PaaS-Lösung. Zudem lässt sich die Cloud-Umgebung in verschiedenen Betriebsmodellen wie Public, Private und Hybrid bereitstellen. Das Azure-Pack erlaubt darüber hinaus Partnern, eine eigene, auf Microsoft Azure basierende Cloud-Infrastruktur in einem gehosteten Modell aus einem lokalen Rechenzentrum heraus anzubieten.

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Cloud-Anbieter bauen Rechenzentren

Oracle will sich als kompletter Cloud-Anbieter mit IaaS-, PaaS- und SaaS-Lösungen positionieren. Im Paas-Umfeld bietet Oracle Datenbank, Web Logic Application Server und Datenbank-Backup-Services an. Services rund um Softwareentwicklung, Mobile Computing, Business Intelligence und Dokumente könnten in Kürze vorgestellt werden. Seine Fusion-Applikationen offeriert der Konzern bereits aus der Cloud. Darüber hinaus geht es auch für Oracle darum, den Anwendungskosmos seiner eigenen Cloud für unabhängige Softwareentwickler zu öffnen. Für seine Cloud-Infrastruktur betreibt Oracle 19 Rechenzentren weltweit. Auch für die Cloud-Spezialisten geht es derzeit darum, ihre weltweite Präsenz auszubauen. Beispielswiese kooperiert Salesforce.com, das sich über SaaS hinaus auch als PaaS-Anbieter in Stellung bringt, hierzulande mit der Deutschen Telekom. Ab dem kommenden Jahr wird T-Systems ein deutsches Data-Center für die Plattform "Salesforce 1" bereitstellen. Auch Amazon.com plant angeblich für seine IaaS- und PaaS-Lösungen für kommendes Jahr ein Rechenzentrum in Deutschland.

Angesichts der wachsenden PaaS-Angebote dürfte sich auch für Softwarenanbieter, für die eine Cloud-Strategie bis dato zu aufwendig war, eine Tür in die IT-Wolke öffnen. Schwierig bleibt dabei allerdings die Frage, für welche Plattform sie sich entscheiden sollen. Anwender dürfen in Zukunft mit mehr Cloud-Angeboten rechnen. Allerdings gilt es für die Verantwortlichen, genau zu beobachten, wie sich die Ökosysteme der verschiedenen großen Cloud-Anbieter entwickeln. Denn wenn es darauf hinausläuft, neben den eigenen On-Premise-Anwendungen auch noch einen ganzen Zoo verschiedener Cloud-Plattformen miteinander zu integrieren, ist der Abbau von Komplexität, den die Cloud-Idee eigentlich verspricht, schnell wieder dahin.