Der Gastkommentar

Client-Server-Strategie vor den Spruecheklopfen bewahren

09.04.1993

Client-Server-Architekturen gelten mittlerweile als die Loesung fuer nahezu alle Probleme der Informationstechnologie. In Markt und Medien wird nur noch selten eroertert, wo Vor- und Nachteile liegen und welchen Beitrag das Konzept zur weiteren Optimierung der Datenverarbeitung leisten kann. Client-Server wird mittlerweile regelrecht propagiert. Eine Versachlichung der Diskussion ist dringend erforderlich.

Euphorie muss der realistischen Bewertung weichen. ClientServer- Architekturen sind weder per se kostenguenstig noch einfach zu handhaben. Deshalb entscheiden immer die Anforderungen des Unternehmens, wann der richtige Zeitpunkt fuer die Umsetzung dieses Konzeptes ist.

Denn mit Trendthemen hat gerade die Informationstechnologie (IT) ihre Erfahrungen. In den 60ern und weit in die 70er Jahre hinein versprachen die Mainframes die Loesung - mit ihrem Einsatz, so die Hardwarehersteller, wuerden sich alle Probleme loesen. In den 80ern war schliesslich Beratung das Schlagwort - nichts schien mehr ohne Unternehmens-, Organisations- und DV-Berater zu gehen. Heute dominiert das alles ueberlagernde "Lean" in Management und Organisation. Auf der IT-Seite bestimmen die Begriffe Client-Server, Downsizing, Rightsizing und offene Systeme die Diskussion.

Ich halte es nicht fuer sinnvoll, die aeusserst komplexe Realitaet der Informationstechnologie auf Schlagworte zu reduzieren. Resultate sind meistens Unsummen verschwendeten Geldes, verwirrte Anwender und eine an den Unternehmenszielen vorbei agierende DV- Abteilung.

Tatsache ist, dass sich die Moeglichkeiten der Technologie entschieden verbessert haben. Man muss kein Hellseher sein, um zu sagen: Client-Server ist eine Technologie der Zukunft.

Prognostiziert wird derzeit eine Wachstumsrate des Client-Server- Marktes von 35 Prozent. Bis 1995 soll laut Gartner Group ein weltweites Marktvolumen von 8,4 Milliarden US-Dollar erreicht sein. 80 Prozent der Fortune-1000-Unternehmen geben an, in drei bis vier Jahren auf Client-Server umzusteigen. Es duerfte kuenftig also kaum eine Ausschreibung geben, bei der diese Architektur keine Rolle spielt.

Der Ansatz setzt einen neuen Schwerpunkt: Die Organisation bestimmt die Ausrichtung der Technologie. IT orientiert sich konsequent an Geschaeftszielen und optimierten Ablaeufen, unterstuetzt den einzelnen Benutzer ganz funktional. Client-Server- Technologie ermoeglicht tatsaechlich einen qualitativen Sprung. Das ist jedoch keine direkte Folge von Marketing-Strategien, sondern die konsequente Evolution der technischen Moeglichkeiten.

Die Client-Server-Architektur ist kein isolierter Aspekt der Informationstechnologie. Erst das integrierte Zusammenspiel mit offenen Systemen und Downsizing nuetzt dem Kunden. Die Synthese aus offenen Systemen, der PC- und Workstation-Technologie sowie grafischen Benutzeroberflaechen, normierten Schnittstellen und leistungsfaehigen lokalen Netzwerken gilt als treibende Kraft. Downsizing und Re-Engineering bestimmen die Praxis, CASE-Tools setzen sich durch.

Das alles macht die Welt der IT nicht einfacher. Die Komplexitaet steigt, die Aufgaben werden anspruchsvoller. Dabei waechst der Erwartungsdruck nicht zuletzt durch die Versprechungen der Anbieter. Dem steht ein enormer Kostendruck entgegen. Die Vielfalt der Architekturen, der Mangel an stabilen Standards, das enorme Innovationstempo, die zunehmende Vernetzung und das schwierige Zusammenspiel neuer Systeme mit historisch gewachsenen Altlasten machen die Informationstechnologie zu einem Thema fuer die Geschaeftsleitung.

Das IT-Management muss deshalb selbst agieren und den Wandel einleiten. Der Herr der Rechner wird zum Planer und Controller der Informationsverarbeitung, uebernimmt die Rolle einer Integrationsfigur. Das abgeschottete Rechenzentrum muss sich zum Service-Dienstleister wandeln, der Bitschieber zum abteilungsuebergreifenden, strategisch handelnden Teammitglied.

Der Nutzenaspekt qualifizierter IT-Unterstuetzung tritt in den Mittelpunkt. Transparenz und verstaendliche Darstellung sind gefordert.

Client-Server ist selten die einzige Loesungsvariante. Die Anforderungen des Unternehmens stehen im Mittelpunkt. Wenn Entscheider fuer Client-Server plaedieren, dann mit rationaler Begruendung und nicht einem Trend zuliebe.

Ich glaube auch nicht an das oft pauschal propagierte Ende des Mainframes. Nur seine Funktion wird sich aendern - daran besteht kein Zweifel. Microsoft hat hier den Begriff des Meta-Servers gepraegt - der Mainframe als Server fuer andere Server, fuer umfangreiche Transaktions-Verarbeitung und die sichere Verwaltung grosser Datenbanken.

Es gibt auch keine Polarisierung zwischen Client-Server und Outsourcing. Mit zunehmender Nachfrage wird sich das Thema Outsourcing ganz neu stellen. Wenn 1992 nur noch drei Viertel aller DV-Chefs ueber ein wachsendes Budget verfuegen, dann muss eine so tiefgreifende und kostenintensive Veraenderung wie die Einfuehrung von Client-Server sozusagen von Anfang an sitzen. Erst die konsequente Ausrichtung der neuen Architektur an den Unternehmenszielen sichert die Unterstuetzung der Geschaeftsprozesse.

Voraussetzung ist ein Realisierungskonzept, das alle Anforderungen der Praxis beruecksichtigt. Dahinter steckt ein Buendel komplexer Aufgaben:

- Organisation, Kommunikation, Ablaufsteuerung, Software-Auswahl und Hardware-Einsatz stellen in offenen Systemen wesentlich hoehere Anforderungen als traditionelle, zentralistische Konzepte.

- Zwar ist der neue Ansatz oft eine Kampfansage an die alte Rolle des Mainframes. Wann jedoch eine komplette Abloesung angesagt ist, welche Systeme ueberhaupt eine Abloesung moeglich machen oder wie sich ein kooperatives Konzept zwischen Host und verteilten Systemen sinnvoll einsetzten laesst, muss in einem komplexen Evaluierungsprozess bewertet werden, der nicht zwangslaeufig vernetzte PCs oder Workstations favorisiert.

- Verteilte Intelligenz, verteilte Anwendungen und damit eine wesentlich intensivierte Kommunikation erfordern einen sehr hohen Koordinierungs- und Steuerungsaufwand.

- Im laufenden Betrieb einer Client-Server-Architektur bleibt ein hoher Betreuungsaufwand, Massnahmen zur Sicherheit des Gesamtsystems gewinnen an Brisanz. Erst verstaerkter On-site- Support, Zugriffsberechtigungen auf Gruppen- und Arbeitsplatzebene, leistungsfaehige Backup-Verfahren, netzwerkweite Versionskontrollen und zentraler Software-Download ermoeglichen sichere und homogene Applikationen.

Es gilt, eine sinnvolle Kombination der heute verfuegbaren Informationstechnologien zu finden. Denn die Client-Server- Architektur erhoeht vor allem die Produktivitaet, weil sie die Vorteile von Personal Computern oder Workstations auf der einen und Mainframes auf der anderen Seite verbindet.