PC-Connectivity als Schluessel zum DV-Verbund

Client-Server-Modell wird die Informationsverarbeitung praegen

12.03.1993

Der PC dient heute nicht mehr bloss als DV-Insel zur Steigerung der Effizienz am Arbeitsplatz des einzelnen Benutzers, sondern wird auch von Grossunternehmen immer staerker als Client eingesetzt und bildet die generelle Zugangs-Schnittstelle zu den Servern - also den Abteilungsrechnern und Mainframes. Die relativ starren Strukturen der klassischen DV mit zentralen Grossrechnern und unintelligenten Terminals loesen sich dadurch in einer immer mehr dezentralisierten Organisation mit verteilter Datenhaltung und Anwendungen auf.

Informationen gelangen schneller an das Ziel

Nicht nur die technische Weiterentwicklung, sondern auch der gesellschaftliche Wandel veraenderten die Anforderungen an das Kommunikationssystem tiefgreifend. Die immer staerkere Spezialisierung des einzelnen vergroessert zwangslaeufig die Arbeitsteilung in der operativen Ebene und birgt dadurch die Gefahr geringerer Produktivitaet. Eine verbesserte horizontale Kommunikation zwischen Sachbearbeitern, Experten und den aus ihnen gebildeten Arbeitsteams loest dieses Problem.

Der frueher eher langsame, vertikale Informationsfluss von der Geschaeftsleitung ueber das mittlere Management zu den Sachbearbeitern und umgekehrt hat sich beschleunigt. Die zur Wettbewerbsfaehigkeit notwendige Flexibilitaet und Wendigkeit fordert flache Hierarchien und eine aktuell, richtig und umfassend informierte Unternehmensfuehrung, die schnell und effizient Verantwortung auf die operative Ebene delegieren kann. Beide Trends verlangen also ein leistungsfaehiges Kommunikationssystem zwischen den dezentralen Arbeitsplatz-Systemen untereinander und ihren Servern. Connectivity heisst das Gebot der Stunde.

Zum besseren Verstaendnis der Kommunikation von Rechnersystemen kann man am Beispiel eines Telefongespraeches den Informationsaustausch zwischen Computern nachvollziehen. Zunaechst muessen die Hardwarevoraussetzungen gegeben sein. Zum Telefonieren braucht man als Grundvoraussetzung einen angeschlossenen Telefonapparat. Beim Computer entspricht dem eine Kommunikations-Baugruppe und deren Anschluss an das Netz, also die physikalische Verbindung beider Partner. Sollen zwei Partner ueber diese Einrichtungen kommunizieren, muss zunaechst eine logische Verbindung aufgebaut werden. Dies gilt gleichermassen fuer Mensch und Maschine.

Diese Aufgabe wie auch das anschliessende Verwalten, Ueberwachen, Steuern und den ordnungsgemaessen Abbau der Verbindung loesen sogenannte Kommunikationsprotokolle. Beim Telefon versteht man darunter Abnehmen des Hoerers, Frei- oder Besetztzeichen, Rufnummer, Wahlvorgang und Durchschalten der Leitung. Ist die Verbindung aufgebaut, kann man sich mit seinem Gegenueber unterhalten, vorausgesetzt, dass eine fuer beide Partner verstaendliche Sprache benutzt wird. Uebertragen auf Rechnersysteme: Nach Verbindungsaufbau mit Hilfe des Kommunikationsprotokolls koennen die Applikationen Daten austauschen. Vorher ist jedoch dafuer zu sorgen, dass diese Daten auch von beiden Anwendungen richtig interpretiert werden. Die Applikationen muessen also zusammenpassen.

Sieht man von der derzeit eher noch seltenen drahtlosen Kopplung eines PC an ein drahtloses LAN ab, werden Rechnersysteme ueber Kabel miteinander verbunden. Dafuer gibt es eine Vielzahl von Standards, die jeweils ihre spezifischen Vorteile und Nachteile aufweisen. Ob im LAN die Netzarchitektur Token Ring, Ethernet, Arcnet oder FDDI zum Einsatz kommt, haengt von vielfaeltigen Ueberlegungen ab. Aehnlich verhaelt es sich bei der Datenfernuebertragung, also dem Bereich der Wide Area Networks (WANs) mit der Entscheidung fuer X.25, ISDN oder andere Uebertragungswege.

Man kann heute davon ausgehen, dass nahezu alle Systemanbieter die wichtigsten und bereits weitgehend standardisierten Vernetzungsarten unterstuetzen. Zumindest werden Uebergaenge zwischen den einzelnen Architekturen in Form von Netzbausteinen, beispielsweise Router oder Gateways, angeboten. Der Gesichtspunkt der Connectivity verliert daher fuer die Wahl der Netztopologie zunehmend an Bedeutung.

Auch fuer die Kommunikations-Protokolle gibt es eine Vielzahl von Standards. TCP/IP, IPX, Netbeui, ISO 8073 sind einige der wichtigsten Vertreter dieser Gattung. Allerdings werden nicht alle Protokolle von den verschiedenen Netz-Betriebssystemen unterstuetzt. Daher muss aus dem Blickwinkel der Connectivity den Protokoll-Stacks, also den Programmen, die die Protokolle erzeugen, eine groessere Bedeutung beigemessen werden. Router und

Gateways erleichtern jedoch auch hier - zumindest fuer einige Standardfaelle - die protokolluebergreifende Kommunikation. So setzen beispielsweise im PC auf den Transportsystem-Schnittstellen zum Protokoll-Stack entweder die Netz-Betriebssysteme oder direkt die Applikationen auf.

Standard-Schnittstellen gewaehrleisten Kommunikation

Muss man eine Topologie A durch die Topologie B ersetzen, tauscht man zunaechst die Netzadapter oder Kommunikations-Baugruppen vom Typ A durch Adapter vom Typ B aus. Entsprechend muessen auch die Treiber der Baugruppen, also die Software, die die Hardware steuert, ausgetauscht werden. Wenn man in der Praxis heute davon ausgehen kann, dass dieser Vorgang fuer alle anderen Komponenten des Systems transparent erfolgt, so ist dies einem sehr wichtigen Sachverhalt zu verdanken. Kommunikationssysteme sind auch beim PC im Sinne einer Schichtenarchitektur mit standardisierten Schnittstellen zwischen den Kommunikations-Komponenten der jeweils benachbarten Schichten implementiert.

Die Komponenten benachbarter Schichten kommunizieren nur ueber diese Schnittstelle. Solange die Schnittstelle eingehalten wird, koennen die Komponenten einer Schicht ausgetauscht werden. Durch diese Architektur gelingt es, beispielsweise den LAN Manager von Microsoft sowohl mit den Protokollen Netbeui als auch TCP/IP einzusetzen. In diesem Fall heisst die gemeinsame Schnittstelle Netbios (Network Basic Input Output System), ein De-facto- Standard, der von vielen Herstellern unterstuetzt wird.

Protokoll-Manager als Server-Schnittstelle

Als ein sehr wichtiger Schritt in Richtung Connectivity hat sich auch die Einfuehrung einer Standard-Schnittstelle zwischen Transportprotokoll und Netz-Kartentreiber erwiesen. Bei den Produkten von Novell wird die Schnittstelle ODI (Open Data Link Interface) benutzt. Das vergleichbare Microsoft-Interface ist NDIS (Network Driver Interface Specification). Wichtig ist, dass beide Unternehmen einen Protokoll-Manager liefern, der es ermoeglicht, mehrere Protokolle ueber eine einzige Karte zu uebertragen und damit ueber eine gemeinsame Karte auf unterschiedliche Server zuzugreifen.

Fuer den Anwender ist es ein grosser Vorteil, wenn der Zugang zu Netzressourcen - beispielsweise Dateien auf dem Server oder Drucker - weitgehend transparent vonstatten geht. Beim PC wird dies dadurch geloest, dass Teile des entfernten Server-Dateisystems von DOS wie logische Laufwerke behandelt werden. Der Anwender kann fuer diese Laufwerke die meisten DOS-Befehle unveraendert einsetzen. Ermoeglicht wird dies jeweils durch einen Redirector. Seine Aufgabe besteht darin, bei Aufrufen an das DOS-Betriebssystem zu pruefen, ob es sich um Netzzugriffe handelt oder nicht.

Soll eine lokale DOS-Ressource verwendet werden, wird der Aufruf einfach an DOS weitergegeben. Bei einem Aufruf an eine Netzressource wird der Aufruf vom Redirector in ein Netzkommando umgesetzt. Das Betriebssystem Netware von Novell verwendet dabei ein NCP (Netware Core Protocol), waehrend Microsoft mit dem SMB- Protokoll (Server Message Block) arbeitet.

Diese Informationen werden dem jeweiligen Transportprotokoll- Stack uebergeben. Bei Netware muss das derzeit IPX sein, andere Stacks sind noch nicht zugelassen. Microsoft ist bereits flexibler. Fuer den LAN Manager koennen alle Stacks benutzt werden, die eine Netbios-Schnittstelle zum Redirector verwenden.

Grundsaetzlich gelten diese Zusammenhaenge auch ganz allgemein fuer die Connectivity zwischen beliebigen PCs, Unix-basierten Servern und Mainframes. Ziel ist dabei immer, dem Anwender mit einem breiten Spektrum an Funktionen, Services und Tools eine umfassende Client-Server-Verarbeitung zu ermoeglichen. Hierzu zaehlen Funktionen fuer die Verteilung der Verarbeitung, leistungsfaehige Netz-Management-Produkte, eine Software-Entwicklungsumgebung sowie komplette Anwendungsloesungen. Auch der Investitionsschutz der installierten Loesungen ist bei der Einfuehrung von Client-Server- Architekturen von wesentlicher Bedeutung. So werden vorhandene Host-Loesungen in die Client-Server-Architektur integriert und gleichzeitig dem Host zusaetzliche Server-Aufgaben uebertragen. Dies ebnet dem Anwender den Weg fuer die schrittweise Einfuehrung der Client-Server Technologie.

So kann etwa der Informationsaustausch zwischen einem PC und einem Siemens-Nixdorf-Rechner auf zwei Arten erfolgen. Der PC kann zum einen ueber den bereits erwaehnten LAN Manager mit dem Sinix- System kommunizieren, auf dem der LAN Manager/X (LAN Manager fuer Unix) installiert ist. Der Zugriff auf den Sinix-Rechner ist in diesem Fall fuer den Anwender transparent. Als Protokoll wird TCP/IP oder Netbui eingesetzt.

Die zweite Moeglichkeit besteht im Einsatz einer Terminal-emulation 97801. Sie stellt den Datenstrom des Sinix-Terminals auf dem PC dar und erzeugt aus den PC-Eingaben einen entsprechenden Datenstrom. Der PC verhaelt sich also wie ein Sinix- Terminal 97801. Die eigentliche Verarbeitung erfolgt auf dem entfernten Rechner unter Sinix. Zusaetzlich zur Emulation werden ein File-Transfer sowie ein Zugriff auf Sinix-Services, zum Beispiel Datenbanksystem und E-Mail, geboten.

Aehnlich wie bei der Verbindung mit Sinix-Systemen erlaubt die Emulation des fuer BS2000 verwendeten Terminals 9759 mit dem PC den Zugriff des PC-Benutzers auf die unter BS2000 laufende Mainframe- Anwendung. Auch diese Applikation tauscht ueber TCP/IP mit ODI beziehungsweise NDIS-Schnittstelle und einen entsprechenden LAN-Adapter Informationen mit dem zentralen Rechner aus. Das Produkt FT-PCD transferiert Dateien via File-Transfer von und zum BS2000-Rechner. Ausserdem bietet DFS den Zugriff auf das BS2000-Dateisystem.

Die Planung sollte stets langfristig angelegt sein

Die Informationsverarbeitung wird in Zukunft entscheidend durch das Client-Server-Modell gepraegt werden. Siemens- Nixdorf bezweckt mit seinem Systemkonzept, der Open Systems Direction, eine offene Systemarchitektur, die Voraussetzung fuer offene Client-Server- Architekturen in Multivendor-Netzen ist. Damit wird eine Produktstrategie verfolgt, die auf heute verfuegbaren Loesungen aufsetzt und den Anwender schrittweise und behutsam in die offene Client-Server-Welt fuehrt. Mit den beschriebenen Moeglichkeiten der PC-Connectivity koennen PC-Clients in allen Formen der verteilten Anwendung, Datenhaltung und Praesentation mit BS2000- und Sinix-basierten Servern zusammenarbeiten.

Noch immer stellt die Aufgabe der PC-Connectivity also ein komplexes und schwierig zu loesendes Problem dar, das hohen Sachverstand und Erfahrung voraussetzt. Die Vorteile, die dabei erzielt werden koennen, sind jedoch ueberzeugend und lohnen den Aufwand. Daher ist es empfehlenswert, den PC nur von einem System- Hersteller zu beziehen, der ein Gesamtkonzept zur Connectivity hat. Im Gegensatz zu vielen PC-Spezialisten bietet ein Systemhersteller bereits fuer viele Probleme fertige Loesungen an. Individuelle Anwendungen sollten in Zusammenarbeit mit erfahrenen Integratoren erarbeitet werden.

Wichtig ist es jedenfalls, langfristig zu planen und keine kurzsichtigen Investitionsentscheidungen zu treffen. Nur ein weit vorausschauendes Gesamtkonzept erlaubt die problemlose Einbindung weiterer Bausteine zur Connectivity und den schrittweisen Ausbau der Kommunikationsanwendungen. Fuer die Zukunft ist zu hoffen, dass eine weitere Konvergenz bei den Protokollen und Schnittstellen eintreten wird und dass die internationale Normung noch voranschreitet.

* Gernot Henning und Klaus Kratzer sind Mitarbeiter der Bereiche Business Unit Personal Computer und Entwicklung Arbeitsplatzsysteme bei der Siemens-Nixdorf Informationssysteme AG, Augsburg.

Abb. 1: Die Einbettung des PCs in die Kommunikationslandschaft. Quelle: SNI

Abb. 2: Die Architektur von Arbeitsplatzsystemen: wichtige Betriebssysteme, Protokolle und Schnittstellen. Quelle: SNI

Hinweis: Die Grafik ist stark vereinfacht. Nicht jede Ein-/Ausgabekombination ist moeglich.

Anwendungen setzten teilweise direkt auf der Transportsystemschnittstelle auf.

Beispiele fuer Transportsystemschnittstellen: Netbios, TLI, Sockets

Beispiele fuer Anwendungsprogrammschnittstellen: Named Pipes, Mailslots

Windows NT - Windows New Technology - Betriebssystem von Microsoft

Netbeui - Netbios Extended User Interface - Von Microsoft verwendetes Protokoll

IPX - Internetwork Packet Exchange Protocol - Von Novell verwendets Protokoll

TCP/IP - Transmission Control Protocol/Internet Protocol - Haeufig eingesetzte Protokollfamilie

NDIS - Network Driver Interface Specification - Treiberschnittstelle von Microsoft

ODI - Open Data Link Interface - Treiberschnittstelle von Novell

DLPI - Data Link Provider Interface - Treiberschnittstelle unter Unix

FDDI - Fiber Distributed Data Interface - 100 MBit/s LAN

TLI - Transport Layer Interface - Transport System-Schnittstelle unter Unix