Die Software AG sucht nach einem neuen Image

Client-Server-Konzepte gelten als die Architektur der Zukunft

04.01.1991

WIESBADEN (gfh) - Das stagnierende Mainframe-Geschäft zwingt die Software AG (SAG) zum Handeln: "Client-Server-Umgebungen sind für uns die Architektur der Zukunft", lautet das neue Credo von Vorstandsmitglied Peter Pagé. Für den Einstieg in diesen Markt nehmen die Darmstädter sogar sinkende Gewinne in Kauf.

Das neue Client-Server-Konzept soll der Software AG nicht nur den Einstieg in den lukrativen Unix-Markt ermöglichen, sondern auch die angestammten Kunden bei der Stange halten. Dazu entwirft Peter Pagé ein Szenario, in dem sich die Großrechner zumindest als reine Datenserver in einem Workstation-Verbund bewähren können. Außerdem will man sich den Mainframe-orientierten Stammkunden zunehmend als ein "Lösungshaus" präsentieren, das den Service über den an Stückzahlen orientierten Vertrieb stellt.

Für die Realisierung dieser Pläne mußte die Software AG tief in die Tasche greifen. Dabei schlugen vor allem Investitionen für zusätzliche Mitarbeiter und Techniken wie Unix zu Buche. Auch das personalintensive Servicekonzept sei vorerst weniger rentabel als das reine Produktgeschäft.

Angesicht dieser Investitionen bezeichnet Pagé die seit 1989 sinkenden Margen als völlig planmäßig. Mutmaßungen des Wirtschaftsmagazins "Capital", wonach die SAG in einer tiefen Krise stecke, weist er entschieden zurück. Unrichtig sei auch die Behauptung, daß dem Unternehmen scharenweise die Manager davonliefen.

Laut Pagé sind tatsächlich nur drei Manager aus der erweiterten Geschäftsführung ausgeschieden. Grund dafür sei eine bereits vor einem Jahr angekündigte Umstrukturierung gewesen. Die verstärkte Orientierung am Service habe einen Manager-Typ erfordert, der neben dem Verkauf auch die langfristigen Interessen des Kunden fördere.

Besonders in Deutschland, aber auch im europäischen Ausland hat der SAG-Vorstand hier Mängel festgestellt. Das war Grund zum einen für einen Management-Wechsel, zum anderen für die Neuorganisation des Auslandsgeschäfts. Künftig ist nicht wie bisher ein Manager für sämtliche europäischen Länder zuständig. Vielmehr bilden jetzt die Geschäftsführer von England, Spanien und Frankreich gemeinsam mit dem Vorstandsmitglied Pagé das "European Board", das die Entscheidungen für die einzelnen Regionen trifft.

Bei den technische Plänen der Software AG stehen Client-Server-Umgebungen und Unix im Vordergrund. Die Darmstädter haben ein "Entire Function Server" genanntes Konzept entwickelt, mit dessen Hilfe die Kommunikation zwischen beliebigen Hardware-Plattformen möglichen sein soll. Dafür haben sie ein Schnittstellen-Modul angekündigt, bei dem der Benutzer nicht wissen muß, wo und wie die Daten geholt werden, die er abruft.

Vor allem aber soll die Client-Server-Strategie den Zugang zum Markt der Workstations und PCs öffnen.

Bekenntnis zu offenen Systemen

Ein deutliches Zeichen setzte der kürzlich gemeinsam mit Microsoft ausgerichtete Kongreß zu diesem Thema. "Microsoft sucht von den PCs her den Weg in die kommerzielle Datenverarbeitung, während wir uns mehr im Bereich der kleineren Systeme und der Client-Server-Architekturen positionieren wollen", legt Pagé die Absichten der beiden Softwarefirmen offen.

Der Manager verbindet mit dieser Hinwendung zu kleineren Rechnerarchitekturen ein Bekenntnis zu offenen Systemen. Der Grund: Weitgehende Portabilität der Produkte ist die Voraussetzung für die Realisierung des SAG-Konzepts eines Client-Server-Verbundes, in dem PC und Mainframe gleichberechtigt Platz finden.

Bei der Software AG ist bekannt, daß sich eine solche Idee ohne Unix, das heute als Synonym für offene Systeme steht, kaum verwirklichen läßt. Aus diesem Grund arbeiten derzeit 55 Entwickler an der Portierung des Datenbanksystems Adabas und der Entwicklungsumgebung Natural auf alle gängigen Derivate dieses Betriebssystems. Bis Mitte 1991 sollen Versionen für Sinix von Siemens und für Hewlett-Packards HP/UX freigegeben werden. Außerdem will die SAG nach und nach die wichtigsten Prozessor-Architekturen von den 386er-Intel-Chips bis zu den verschiedenen RISC-Varianten unterstützen.

Trotz dieser umfassenden Portierungspläne hält sich die Begeisterung der Darmstädter für Unix in Grenzen. "Wir sind schon auf so viele Betriebssysteme gegangen, da ist Unix nur eines unter vielen", stellt Peter Pagé nüchtern fest. Für ihn ist die Entscheidung zugunsten von Unix ausschließlich aus kommerziellen Erwägungen gefallen.

Aus diesem Grund sieht er auch keinen prinzipiellen Unterschied zu OS/2, das bereits von SAG-Produkten unterstützt wird. Bei der Portierung sei dieses Betriebssystem vorgezogen worden, weil es in der Mainframe-Welt schon länger als potentielles Client-System gelte.