Client-Server-Architekturen erleben Boom Megatrend Downsizing: Kosten sparen und Qualitaet verbessern Von Juergen Koch*

01.04.1994

Der Einsatz von Client-Server-Systemen fuehrt zur Entlastung des Zentralrechners und kann deutliche Produktivitaetsverbesserungen bewirken. Allerdings haengt der Erfolg einer Down- sizing-Strategie davon ab, ob sich bestehende und neue Systeme miteinander verknuepfen und die Aufgaben effizient verteilen lassen.

Die Anforderungen an DV-Abteilungen wachsen staendig. Gleichzeitig fuehrt ein neues Kostenbewusstsein dazu, dass sich die Budgets nicht entsprechend erhoehen. Daher werden DV-Systeme in der Regel nicht mehr im Sinne einer sturen Wachstumsstrategie ausgebaut.

Das ginge auch technisch kaum, weil neue Online-Anwendungen andere Rechner einer hoeheren Leistungskategorie erfordern. Ein Verarbeitungsaufwand entsteht, der mit den vorhandenen Systemen nicht mehr zu bewaeltigen ist. Diesen Widerspruch aus steigenden technischen Anforderungen und sinkenden Budgets loesen heute viele Unternehmen mit einer alternativen Strategie. Im Rahmen von Downsizing-Projekten bauen sie Client-Server-Systeme auf, in denen Unix-Workstations und PC-LANs grosse Teile der Host-Aufgaben uebernehmen.

Um neben den Hosts neue DV-Umgebungen aufbauen zu koennen, muss zunaechst eine entsprechende Infrastruktur geschaffen werden. Manche Unternehmen richten Mini-Rechenzentren ein, die fuer die Organisation und Betreuung der Client-Server-Architekturen zustaendig sind.

In mehreren Bereichen sinken die Ausgaben

Derartige Konfigurationen koennen beispielsweise mehrere hundert OS/2-Rechner umfassen, die an einen zentralen Unix-Server gekoppelt sind. Der Server steuert in diesem Fall das gesamte Netz sowie die Plattenspeicher und uebernimmt ausserdem die Abwicklung komplexer Anwendungen.

Daten oder Programme muessen nicht auf den Client-PCs gespeichert werden, sie lassen sich bei Bedarf von den Server-Systemen herunterladen. Der PC-Benutzer merkt davon nichts, er hat den Eindruck, die Informationen kaemen von seiner Festplatte. In einigen Faellen geht man bereits so weit, auch die Betriebssysteme von den lokalen Rechnern zu entfernen und von den Server-Systemen aus zu laden. Selbst bei grossen Konfigurationen sind Performance- Probleme so gut wie ausgeschlossen, wenn gezielt geplant wurde und die entsprechende Hardware-Infrastruktur besteht.

Zu Einsparungseffekten fuehrt das Downsizing von Anwendungen wie etwa Lohn und Gehalt, da sich die Batch-Verarbeitung auf dem Host deutlich reduziert. Auch der Bestand an Baendern verringert sich, was wiederum die Arbeitsvorbereitung reduziert.

Auch in puncto Softwarekosten laesst sich beim Downsizing eine einfache Rechnung aufmachen. Die Preise fuer PC-Standardsoftware liegen einschliesslich Wartungsgebuehren deutlich unter den Kosten, die fuer die jeweilige Wartung einer entsprechenden Mainframe- Anwendung entrichtet werden muessten.

Auch der reduzierte Personalaufwand fuehrt zu finanziellen Vorteilen, die es der Unternehmensleitung schwermachen, unveraendert an der bisherigen DV-Infrastruktur festzuhalten. Ein weiterer Vorteil: Zusaetzlich zu den zentralen Anwendungen haben die LAN-Benutzer Zugriff auf verschiedene PC-Produkte wie Textverarbeitung oder Grafik, mit denen sich Unternehmensdaten individuell bearbeiten lassen.

Client-Server verbindet heterogene Welten

Die Herausforderung des Downsizing liegt unter anderem darin, Altes und Neues miteinander zu kombinieren. Einerseits sollen neue Technologien wie grafische Benutzeroberflaechen, Objektorientierung, heterogene Plattformen, Client-Server- Architekturen und verteilte Verarbeitung genutzt werden, andererseits muessen Unternehmen ihre strategisch wichtigen, vorhandenen Anwendungen pflegen und erweitern.

Werden geschaeftskritische Anwendungen in der neuen DV-Umgebung entwickelt, so muss diese hoechsten Anforderungen an Performance, Zuverlaessigkeit, Verfuegbarkeit, Integritaet und Sicherheit gerecht werden. Entscheidend fuer Unternehmen ist heute die schnelle und flexible Reaktion auf eine veraenderte Marktsituation, was eine beschleunigte Anwendungsentwicklung durch neue Tools und Techniken erfordert.

Ein Client-Server-LAN besteht aus preisguenstigen Client- Arbeitsplaetzen mit grafischer Benutzeroberflaeche und leistungsfaehigen Server-Systemen. Die Rechner koennen von verschiedenen Herstellern stammen und mit unterschiedlichen Betriebssystemen arbeiten. Verbindungen zu anderen Netzwerken und zum Mainframe sind moeglich. Im allgemeinen handelt es sich bei den Client-Arbeitsplaetzen um PCs, die auf Intel-Chips basieren und unter MS-DOS, Windows oder OS/2 laufen.

Als Server lassen sich neben Intel-basierten Rechnern auch RISC- Systeme einsetzen, die unter Unix, OS/2 oder Windows NT laufen. Am haeufigsten sind heute homogene Konfigurationen zu finden, die beispielsweise aus DOS- oder Unix-Systemen bestehen. Man kann aber davon ausgehen, dass sich in den kommenden Jahren die meisten DV- Umgebungen aus heterogenen Systemen zusammensetzen werden.

Unter dem Begriff Downsizing werden Strategien zusammengefasst, die Grossrechneranwendungen und -entwicklungstechniken von zentraler auf verteilte Verarbeitung umstellen. Bei der Festlegung von Prioritaeten und der Auswahl von Tools und Techniken muss man diese Strategien klar auseinanderhalten und die jeweils angestrebten Unternehmensziele festlegen.

Mit dem Verlagern von Software-Entwicklung und -wartung auf dezentrale Desktop-Systeme lassen sich Kosten reduzieren und Produktivitaetssteigerungen erzielen. Das erfordert eine vollstaendige Entwicklungsumgebung, die unter anderem Einrichtungen fuer die Kontrolle und das Management des verteilten Entwicklungsprozesses liefert. Sie muss die Durchfuehrung von Tests unterstuetzen und kompatibel zur Mainframe-Produktionsumgebung sein.

Fuer das Recycling von Applikationen gibt es kompatible Entwicklungssysteme, die die Verwendung von Standard- Entwicklungssprachen unterstuetzen. Analyse-Tools visualisieren die Struktur komplexer Anwendungen und helfen dem Entwickler, die Programmteile ausfindig zu machen, die sich in die neue Architektur einfuegen lassen.

Mainframe-Programme nach unten erweitern

Die Ueberfuehrung von Altsy- stemen, das heisst der bestehenden Applikationen, in neue, moderne DV-Umgebungen ist ebenfalls eine zentrale Aufgabe. Von Grund auf neu zu entwickeln, was im Laufe der vergangenen Jahre geschaffen wurde, ist nicht nur unpraktisch und unoekonomisch, es ist schlicht unmoeglich.

Man muss folglich Wege finden, um Altsysteme so zu restrukturieren, dass sie sich in die neuen Umgebungen und Architekturen einfuegen. Dazu kann eine Modifikation einzelner Programme erforderlich sein, oder das gesamte System muss restrukturiert werden. Das geschieht, indem Mainframe-Programme um eine Schicht fuer grafisch arbeitende Rechner erweitert werden.

Indem die Ausfuehrung der Produktionsanwendungen auf kostenguenstigere kleinere Plattformen verlagert wird, lassen sich Kosten deutlich reduzieren. Sie erlauben, operationale Flexibilitaet zu verbessern und DV-Aufgaben optimal zu verteilen; eine hundertprozentige Kompatibilitaet zum Mainframe, eine entsprechende Performance, Zuverlaessigkeit, Sicherheit und Integritaet auf der Ausfuehrungsebene sind dazu erforderlich.

Es muessen unter anderem Treiber vorhanden sein, die einen Zugriff auf Mainframe-Datenbanken vom PC aus ermoeglichen und die gewuenschten Informationen an die dezentralen Systeme zur weiteren Bearbeitung uebergeben. Hier entwickelt sich Open Data Base Connectivity (ODBC) immer mehr zum Standard. So sorgt ODBC dafuer, dass mit den entsprechenden Abfrage-Tools vom PC aus der Zugriff auf jede ODBC-konforme Datenbank moeglich ist.

Mit grafischen Benutzeroberflaechen lassen sich Ergonomie und Flexibilitaet der Rechnerarbeitsplaetze verbessern. Weiterhin kann auf den Desktop-Systemen eine Integration der Anwendungen mit PC- Programmen (Textverarbeitung, Grafik etc.) erfolgen sowie die Verarbeitung unstrukturierter Daten und Qualitaetsausdrucke unterstuetzt werden. Die Anwendungen sind imstande, die von den Hardwareplattformen gebotenen Moeglichkeiten voll auszuschoepfen sowie hohe Performance, Zuverlaessigkeit und Integritaet zu gewaehrleisten.

DV-Verantwortliche, die sich bereits fruehzeitig fuer den steinigen Downsizing-Weg entschieden haben, profitierten zunaechst vor allem davon, ihre Host-Umgebung nicht weiter ausbauen zu muessen. Das Downsizing von Batch-Anwendungen entlastet den Mainframe und setzt Rechenkapazitaeten frei fuer die zusaetzlichen Online-Anwendungen, ohne einen CPU-Ausbau zu erfordern. Neben den Hardwarekosten, die fuer weitere Host-Kapazitaeten anfielen, sind es vor allem die MIPS- abhaengigen Softwaregebuehren, die Downsizing-Projekte forcieren.

Durch die Verlagerung von Aufgaben auf die Workstation/PC-Ebene bietet sich die Moeglichkeit, der MIPS-abhaengigen Preispolitik von Softwarehaeusern wirkungsvoll zu begegnen.