Bay Networks, Cabletron und 3Com kämpfen mit Strukturproblemen

Ciscos Dominanz scheint die Wettbewerber zu lähmen

10.04.1998

So hatte man sich das bei Cabletron Systems gewiß nicht vorgestellt: Erst im September vergangenen Jahres war Firmenmitbegründer und CEO Robert Levine auf das wohlverdiente Altenteil weggelobt und mit Don Reed ein neuer Frontmann geholt worden. Der frühere President des US-Carriers Nynex sollte die etwas angestaubte Networking-Company fit für die Märkte im 21. Jahrhundert machen. Und Reed enttäuschte zunächst nicht. Ziel sei es, Cabletron mittelfristig als Nummer eins der Branche zu etablieren, versprach er bei seinem Amtsantritt. Knapp drei Monate später folgte der Deal, der diesen Anspruch untermauern sollte: Für 430 Millionen Dollar übernahm Cabletron die Netz-Division von Digital Equipment - die High-end-Switches der Robert-Palmer-Company, vor allem aber deren starke Servicetruppe waren dazu auserkoren, Cabletrons Position im Geschäft mit Großkunden und Internet-Service-Providern zu stärken.

Vergangene Woche folgte der Paukenschlag: Don Reed hat seinen Rücktritt erklärt und ist ab sofort nur noch als einfaches Board-Mitglied beratend für das Unternehmen tätig, teilte Cabletron überraschend mit. Nachfolger Reeds als CEO ist Chairman Graig Benson, der Cabletron 1983 zusammen mit Robert Levine gegründet hatte. Nur eine Woche vorher hatte die US-Company zudem eine unerfreuliche Quartalsbilanz bekanntgeben müssen. So sank der Umsatz im vierten Quartal 1998 im Vorjahresvergleich von 380,6 auf 311,5 Millionen Dollar; unter dem Strich stand ein operativer Verlust von 6,3 Millionen Dollar.

Aber auch die jüngsten Geschäftszahlen von Bay Networks und 3Com sind enttäuschend. So konnte Bay Networks zwar noch Ende Januar für das zweite Quartal 1998 einen Rekordumsatz von 644,9 Millionen Dollar sowie einen Nettogewinn von 47,5 Millionen Dollar verbuchen. Doch Beobachter, die das Unternehmen, das im entsprechenden Vorjahresquartal noch ein Minus von 172,9 Millionen Dollar ausgewiesen hatte, über dem Berg wähnten, freuten sich zu früh.

Für das dritte Quartal 1998 gab Bay Networks unlängst eine Gewinnwarnung heraus. Umsatz und Nettoertrag werden sich deutlich unterhalb der ursprünglichen Erwartungen bewegen, hieß es. Ähnlich gelagert ist die Situation bei 3Com: Die ursprünglich auf Workgroup-Hubs, Switches und Netzwerkadapter fokussierte Company hat seit der Übernahme des Modemspezialisten U. S. Robotics schwer an diesem Merger zu kauen. Einem Verlust von 146,8 Millionen Dollar im ersten Quartal des Geschäftsjahres 1998 folgten lediglich bescheidene Nettoerträge von 15,1 und nun 13,9 Millionen Dollar im zweiten beziehungsweise dritten Quartal. Vier Cent Gewinn je Aktie bei einem Umsatz von 1,25 Milliarden Dollar im dritten Quartal - da hatten sich die Anleger mehr versprochen.

Während Bay Networks und Cabletron den Umsatz- und Gewinneinbruch mit einer überraschend schwachen Nachfrage begründeten, sieht Behrooz Moayeri, Berater beim Aachener Systemintegrator Comconsult, vor allem die "dramatisch sinkenden Margen" als Ursache für die Misere. Ein Umstand, der offensichtlich besonders 3Com zu schaffen macht. Neben dem Integrationsaufwand in Sachen U. S. Robotics bietet dabei vor allem die aktuelle 3Com-Produktpalette Anlaß zum Stirnrunzeln: "Modems, Switches und Adapter sind kein Portfolio, das dem Unternehmen auf Dauer das notwendige Umsatz- und Gewinnwachstum sichern dürfte", zeigt sich Peter Rubican von First-Boston-Consulting skeptisch.

Auch Martin Haas von IDC Deutschland geht davon aus, daß vermutlich nur Cisco Systems "aufgrund der hohen Volumina halbwegs ohne Blessuren den Preisverfall im Markt übersteht". Doch der Vergleich des Marktführers mit seinen Wettbewerbern hinkt natürlich auch gewaltig. Denn noch immer erwirtschaftet der Router-Gigant deutlich mehr als die Hälfte seines Umsatzes mit eben seinem Core-Business und hat(te) dadurch nicht nur ein zum Teil völlig anderes Segment wie 3Com, Bay oder Cabletron bedient, sondern vor allem auch von Beginn an seinen Fuß in der Tür zum High-end-Großkundengeschäft.

Einmal mehr scheint sich also Ciscos dominante Position geradezu lähmend auf die Wettbewerber auszuwirken. Dies nicht nur, weil der Markt für LAN-Hardware, die frühere klassische Domäne von 3Com, ausgereizt ist. WANs und dabei vor allem das Geschäft mit global agierenden Firmen sowie Carriern und Internet-Service-Providern heißt das Gebot der Stunde - ein Segment, das Cisco bekanntlich längst nicht nur seit der Übernahme des WAN-Spezialisten Stratacom, sondern auch in Form zahlreicher Kooperationen mit TK-Ausrüsterfirmen wie Alcatel, Nortel und Ericsson erfolgreich bedient.

Während 3Com es also nach wie vor schwer haben dürfte, im margenträchtigen Geschäft mit High-end-Netzwerklösungen zu reüssieren, könnten auf Bay Networks zumindest mittelfristig wieder bessere Zeiten zukommen. Die Company hat, so jüngste Einschätzungen von Branchenkennern, massiv in Zukunftstechnologie investiert - neue Switches, Gigabit-Ethernet-Produkte sowie Equipment für Virtual Private Networks (VPNs). Man muß dort, wie es ein Insider ausdrückt, auf die "Zeit nach Cisco" warten - also auf das Ende der klassischen Router.

Nicht abschreiben sollte man aber auch Cabletron Systems. Die Company dürfte spätestens dann für Cisco gefährlich werden, wenn man aufhört, sich mit sich selbst zu beschäftigen. Inoffiziell ist von "unterschiedlichen Auffassungen" die Rede, die CEO Don Reed bewogen haben sollen, das Handtuch zu werfen. Anders formuliert: Mitbegründer und Chairman Benson hat sich zu sehr in das Tagesgeschäft eingemischt. Nun hat er dafür auch die Verantwortung.