Cisco Networkers

Cisco-EU-Chef: "Unsere Art zu arbeiten ist absolut unsinnig"

23.01.2008
Die Leviten las Chris Dedicoat, Cisco President Europe, den Europäern auf der Cisco Networkers: In seinen Augen hat Europa noch zehn Jahr Zeit, die Herausforderungen der Globalisierung anzunehmen, wenn der Kontintent nicht zum Museum für den Rest der Welt werden will.

Harte, mahnende Worte schlug Ciscos Europa-Chef auf der Technikkonferenz "Networkers 2008" des Konzerns bezüglich der Zukunft Europas in der globalisierten Wirtschaft an. Wenn die Alte Welt ihre Haltung nicht grundlegend ändere, so der Manager, werde sie in den nächsten zehn Jahren das Globalisierungsrennen verlieren. Seine Meinung begründete Dedicoat damit, dass Europa bei der Produktivität immer weiter ins Hintertreffen gegenüber den USA und Asien gerate.

Als Gründe dafür führte Dedicoat nicht das so gerne in Deutschland benutzte Argument der zu hohen Löhne an. Für ihn sind eher Faktoren wie zu geringe Investitionen in die Bildung entscheidend. In seiner Standpauke ließ Dedicoat aber auch die Manager der Unternehmen nicht ungeschoren davon kommen: Nach seiner Ansicht haben sie es noch immer nicht bewerkstelligt, in ihren Unternehmen ein Innovationsklima zu schaffen. Dieser Wechsel in der Unternehmenskultur zählt für den Manager zu einer der größten Herausforderungen vor denen europäische Führungskräfte stehen. So fehle es in Europa nicht an guten neuen Ideen aus der Forschung, sondern es mangele später an der praktischen Umsetzung. Gerade beim Web 2.0, bei dem immer die USA als treibende Kraft angesehen würden, stammten viele grundlegende Entwicklungen aus Europa. Beispielsweise sei die grundlegende Technik von Google Maps eine spanische Entwicklung. Fehlendes Venture Capital und mangelnder Innovationswillen hätten dann jedoch dazu geführt, dass die Technologie verkauft wurde.

Als weiteren Beleg für den fehlenden Innovationswillen in Europa führte Dedicoat den allgemeinen Umgang mit Informationstechnologie in Unternehmen an und kritisierte, dass "wir in Europa noch immer IT konsumieren". In seinen Augen ist die alte Lehre der Wirtschaftsschulen, dass IT die Unternehmen bei den Geschäftsprozessen zu unterstützen habe, falsch. In Europa, so forderte er, müsse endlich begriffen werden, dass "IT erst die Möglichkeit eröffne, neue Geschäftsfelder zu kreieren".

In einer Welt, die immer mehr von Mobilität und mobilen Geschäftsprozessen geprägt ist, stellt es für Dedicoat einen Anachronismus dar, dass wir noch täglich zur Arbeit ins Büro fahren und dafür immense Summen in die Transportinfrastruktur investieren, "was absoluter Blödsinn ist". Spätestens in zehn Jahren, so seine Prognose, würden die Leute nur noch lachen, wenn sie auf die heutige Arbeitswelt zurückblickten. Angesichts der ungläubigen Blicke der Zuhörer spezifizierte Dedicoat seine Aussage und gab sich überzeugt, dass hochauflösende Videokonferenzsysteme wie Ciscos Telepresence (Praxistest) spätestens in fünf Jahren auch in Privathaushalten Einzug halten und so neue Formen des Teleworking eröffnen.

Dass bis dahin aber noch viel Arbeit zu tun ist, ist auch Ciscos Europachef klar. Um diese zu bewältigen, will sich die Company mit einem Masterplan beteiligen. Ein Punkt darin sieht etwa die Messung und Erfassung der Qualität von Breitbandanschlüssen vor, um zu wissen, in wie weit sie wirklich für moderne Teleworking-Formen geeignet sind. Die heute gebräuchliche Maßzahl, den Fortschritt eines Landes an der prozentualen Breitbandversorgung der Bevölkerung zu messen, spiegle nämlich nur ein verzerrtes Bild der Wirklichkeit wider. So lande etwa Dänemark, das beim Versorgungsgrad im europäischen Vergleich auf den vordersten Plätzen positioniert ist, bei der Qualität abgeschlagen auf Rang 15. Aufgrund hoher Latenzzeiten, Dropouts, schwankenden Transferraten etc. sei dort eine Vielzahl der Breitbandanschlüsse zum remoten Arbeiten nicht zu gebrauchen. Eine andere Initiative des Konzerns soll sich künftig mit IT-Services für kleine und mittelständische Unternehmen befassen, denn nach Ansicht von Dedicoat investieren europäische Unternehmen zu wenig in Applikationen und schöpfen damit das Potenzial der ICT nicht aus. Gebiete, wo sich Cisco nach den Worten des Managers engagieren werden, seien Themen wie Web 2.0 oder die Verbesserung der Ausbildung. (hi)