Cirquent geht - NTT Data kommt

02.12.2011
NTT Data macht Ernst und integriert seine deutsche Tochter Cirquent. Das japanische Management will Wachstum und weitere Übernahmen in Europa.

Der japanische IT-Dienstleister will seine vielen internationalen Akquisitionen unter einem Dach konsolidieren. Von der Integration ist auch die deutsche Tochter Cirquent betroffen. "Die internen Vorbereitungen für das Internationalisierungsprojekt wurden Mitte dieses Jahres gestartet", bestätigte Thomas Balgheim, Vorsitzender der Geschäftsführung der Cirquent GmbH, die Pläne. Im Zuge des Vorhabens wird Cirquent auch seinen nur wenige Jahre alten Firmennamen verlieren. Erst 2008 hatte das Management die seit Anfang der 70er Jahre etablierte Marke Softlab durch Cirquent abgelöst, um die beständige Arbeit im Servicezyklus Plan-Build-Run zum Ausdruck zu bringen, hieß es damals. Wann der Name Cirquent vom Markt verschwinden und durch NTT Data abgelöst wird, ist unklar. Im Frühjahr 2012 will das Management Projektdetails veröffentlichen.

Ziel des japanischen Managements ist ein weltweit einheitlicher Marktauftritt. Das Vorhaben erstreckt sich auf übernommene Firmen im asiatischen, nordamerikanischen und europäischen Markt. In diesen drei Regionen wurden Integrationsteams installiert, die die jeweiligen Organisationen zusammenführen und Synergieeffekte heben sollen. Projektleiter des europäischen Vorhabens ist Cirquent-Chef Balgheim. Unter seiner Leitung werden Cirquent, der in Mailand ansässige Projektdienstleister Value Team sowie die europäischen Aktivitäten der US-amerikanischen NTT-Data-Töchter Keane und Intelligroup verschmolzen.

Mit dem Zusammenschluss entsteht ein europäischer IT-Anbieter mit einem voraussichtlichen Jahresumsatz von 600 Millionen Euro und rund 5000 Mitarbeitern. Der Schwerpunkt der künftigen Gesellschaft liegt auf Projektservices, Keane und Intelligroup bringen zudem Offshore-Kapazitäten in das Vorhaben ein. Der Branchenfokus richtet sich auf Financial Services, Telekommunikation und Automotive.

Wer ist NTT Data?

Positive Effekte erwartet das Management in der Betreuung international aufgestellter Kunden. Ihnen könne man nach Abschluss der Integration weltweite Präsenz und globale Lieferketten anbieten. "Die Synergieeffekte schaffen die Basis für weiteres Wachstum, wir haben die feste Absicht, das Geschäft auszubauen. Die Integration ist Grundlage für organisches und anorganisches Wachstum", kündigte Balgheim an.

Das Vorhaben ist nicht ohne Risiko. Zwar werden Projektaufträge in deutschen und europäischen Unternehmen zum erheblichen Teil über persönliche Kontakte und etablierte Geschäftsbeziehungen initiiert, doch insbesondere in großen und geschäftskritischen Vorhaben achten die Kunden auf das Renommee des Serviceanbieters. Dafür sind derzeit die lokalen Marken wichtig, doch die werden mit der Umfirmierung von dem hierzulande weitgehend unbekannten Brand NTT Data abgelöst. Selbst den meis-ten Marktbeobachtern ist der japanische Konzern fremd: "Ein oberbayerisches Dorf hat einen längeren Wikipedia-Eintrag", unkte ein Analyst.

In Japan eine Macht

In Japan ist NTT Data dagegen eine Macht und Teil des japanischen TK-Konzerns NTT (Nippon Telegraph and Telephone). Die Rolle von Tochter- und Muttergesellschaft im Heimatmarkt ist vergleichbar mit der von Telekom und T-Systems in Deutschland. Branchenschwerpunkte von NTT Data sind Financial Services, die öffentliche Hand und Fertigungsunternehmen. 75 Prozent der Einnahmen entfallen auf das Projektgeschäft, 20 Prozent des Umsatzes entstammen Betriebsdiensten, fünf Prozent bezieht der Anbieter aus dem Softwaregeschäft. Im ersten Halbjahr des laufenden Geschäftsjahres nahm NTT Data 571,7 Milliarden Yen ein (etwa 5,4 Milliarden Euro), davon 17,5 Prozent außerhalb Japans. Das Unternehmen beschäftigt knapp 50.000 Mitarbeiter.

"Nach unserem Kenntnisstand sieht die Gesamtstrategie des NTT-Konzerns vor, dass Einnahmen mit IT-Services stärker als der Gesamtumsatz wachsen sollen. Zudem will das Konzern-Management die Abhängigkeit vom japanischen Markt reduzieren", erklärt Tobias Ortwein, Senior Vice President bei PAC, den Hintergrund der Aktivitäten. Die IT-Tochter hat, diesen Vorgaben folgend, seit 2008 mehrere nationale IT-Spezialisten eingekauft. Bislang gab es keine Bestrebungen, diese Firmen zu konsolidieren, erst mit der Übernahme des in Mailand ansässigen IT-Projektdienstleisters Value Team im Frühjahr 2011 hat sich das geändert: "Jetzt ist der Zeitpunkt erreicht, zu dem man genügend kritische Masse hat, um aus diesen verschiedenen Aktivitäten Synergieeffekte zu ziehen", begründete Balgheim den Start.

PAC-Analyst Ortwein begrüßt den Schritt: "Eine einheitliche Marke signalisiert Internationalität, aber eben auch, dass man stärker einen integrativen Ansatz verfolgt. Cirquent ist nicht wirklich länderübergreifend aufgestellt und kann auch nicht auf internationale Ressourcen zurückgreifen", nennt er die Defizite des Münchner Anbieters. Zudem lief das wieder boomende SAP-Geschäft in weiten Teilen an Cirquent vorbei. SAP-Implementierungsprojekte betreibt die deutsche Schwestergesellschaft Itelligence, Cirquents Know-how in diesem Markt konzentriert sich auf die Architekturberatung. Auch hat die NTT-Data-Tochter bislang nicht den mit der ersten Umfirmierung formulierten Anspruch eines Full-Service-Providers eingelöst. Die Betriebsservices beschränken sich nach PAC-Schätzungen auf zehn Prozent vom Umsatz. "Wenn NTT Data nicht Cirquent übernommen hätte, hätte es früher oder später ein anderer Konzern getan", sagt Ortwein. "Allein wäre Cirquent mittelfristig nicht überlebensfähig."

Die Defizite soll der angestrebte Firmenverbund mit den europäischen NTT-Data-Aktivitäten beheben. Doch um tatsächlich von den vielen international verteilten Angeboten zu profitieren, müssten die Prozesse nahtlos integriert werden, insbesondere gilt es, auch weltweite Offshore-Kapazitäten einzubinden. Bislang ist NTT Data aber als dezentral organisiertes Unternehmen bekannt. "NTT Data gleicht in der Organisationsform etwa T-Systems vor ein paar Jahren: Es gab eine Vielzahl von lokalen Delivery- und Sales-Centern, und wenn ein Anwenderkonzern eine SAP-Implementierung ausschrieb, konnte es passieren, dass er fünf Angebote von fünf Einheiten mit fünf unterschiedlichen Vorschlägen bekam", erzählt Ortwein.

NTTs IT-Bauchladen

Selbst wenn der weltweite Integrationsprozess gelingt, wird das Angebot des Mutterkonzerns im IT-Servicemarkt weiter einem Bauchladen gleichen. Neben NTT Data gibt es die Schwestergesellschaft NTT Communications, die 2009 den deutschen Security-Spezialisten Integralis übernommen hat. Sie betreibt weltweit Rechenzentren, auf die auch NTT Data gerne für den Betrieb von Cloud-Services zugreifen möchte. Zudem hat die Muttergesellschaft NTT im Jahr 2010 den weltweit vertretenen IT-Services-Provider Dimension Data für rund 2,5 Milliarden Euro übernommen und bislang noch nicht integriert.

von Joachim Hackmann

Sonderfall Itelligence

Die Bielefelder Itelligence AG ist von der Umbenennung vorerst nicht betroffen. Als NTT Data Anfang 2008 die Mehrheit des IT-Beratungshauses übernehmen wollte, handelte das Management einen sogenannten Independent-Vertrag aus. Er sicherte Itelligence unter anderem die Beibehaltung des Firmennamens bis 2012 zu. Konsolidierungsbemühungen des Mutterkonzerns gibt es laut Itelligence bislang nicht.

Gleichwohl ist NTT Data schon seit geraumer Zeit darum bemüht, das weltweite SAP-Portfolio zu ordnen. Dazu engagiert sich Itelligence federführend im NTT-Data-internen Competence Center "SAP Global One". Eine organisatorische und prozessuale Integration unter dem NTT-Dach hält PAC-Analyst Tobias Ortwein nicht für sinnvoll. "Itelligence hat sich insbesondere im deutschen Mittelstand einen guten Namen erarbeitet und ist hinsichtlich der SAP-Kompetenz weiter als NTT Data", so der Marktkenner.

Es ist aber keineswegs sicher, dass Itelligence auch künftig weitgehend unabhängig agieren kann. Ein auf der NTT-Data-Bilanzpressekonferenz präsentierter Chart zeigt beispielsweise die Integrationspläne, die Keane, Itelligroup, Cirquent und Value Team umfassen. Darin ist auch das Itelligence-Logo zu sehen.

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Das gesamte Interview mit Cirquent-Chef Thomas Balgheim finden Sie unter

www.cowo.de/2500737