Komplexitätsfalle ERP

CIOs müssen die IT aufräumen

12.01.2012
Von 
Martin Bayer ist Chefredakteur von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO. Spezialgebiet Business-Software: Business Intelligence, Big Data, CRM, ECM und ERP.

Standard um jeden Preis?

Das erweist sich in vielen Fällen jedoch als schwieriger denn gedacht. Denn während sich beispielsweise Abläufe rund um die Finanz- und Personalabteilungen relativ einfach standardisiert in Software abbilden lassen, sieht es etwa im Vertrieb ganz anders aus, erläutert der KPMG-Mann. Viele Unternehmen haben sich nach der weltweiten Finanzkrise auf die Fahnen geschrieben, mehr auf ihre Kunden und deren Bedürfnisse zu achten. In diesem Zusammenhang haben die Verantwortlichen in ihre Sales-Abteilungen investiert und sie auch umgebaut. Die Kehrseite der Medaille: Wenn sich die Firmen neue Prozesse für ihre Vertriebsabteilungen ausdenken, passen diese Abläufe meist nicht in das Korsett von Standardsoftware. Erschwerend kommt hinzu, dass der Handel oft auch regional ganz unterschiedlich aufgestellt ist. Schwiegers Fazit: In diesem Fall kann die IT die Anforderungen aus dem Business nicht befriedigend umsetzen. Der KPMG-Experte empfiehlt den Anwendern in solchen Situationen eine möglichst pragmatische Lösung, ohne alles zwanghaft zu standardisieren.

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Kein SAP ohne Modifikation

Letzten Endes musste auch Kern-Liebers-CIO Bachmann sein SAP-System an der einen oder anderen Stelle modifizieren. Steuerrechtliche Besonderheiten in verschiedenen Ländern hätten dies erforderlich gemacht. Allerdings habe man sich bemüht, solche Eingriffe so weit wie möglich zu vermeiden. "Je mehr Modifikationen, desto schwerer tut man sich bei Release-Wechseln", lautet seine Bilanz. Deshalb müssten sich Unternehmen genau überlegen, wie stark sie in die Systeme eingriffen. "Behauptet jemand, er hätte ein SAP-System ganz ohne Modifikationen, bin ich skeptisch", sagt Bachmann. "Vielleicht weiß er nur nichts von ihnen."

Aufgeräumte Systeme sichern die Zukunft

Viele Anforderungen, die in den nächsten Jahren auf IT-Verantwortliche zukommen, lassen sich nur mit einer bereinigten Anwendungsinfrastruktur erfüllen.

  • Die User von morgen erwarten einheitliche, einfach und intuitiv bedienbare User Interfaces, die sich individuell an bestimmte Rollen und Profile anpassen lassen. Je größer der Wildwuchs, desto aufwendiger ist es, Funktionen und Daten bereitzustellen.

  • Die Analyse von Geschäftsdaten wird für die Steuerung der Unternehmen immer wichtiger. Sind die zugrunde liegenden Systeme aufgeräumt, lassen sich mehr belastbare Informationen sammeln, was zu einem stabileren Fundament für Entscheidungen führt.

  • Mit Smartphones und Tablets droht den IT-Abteilungen noch mehr Komplexität, wenn es darum geht, diese Geräte an Business-Applikationen anzubinden. Sind diese standardisiert, fällt auch die Integration mobiler Endgeräte leichter. Einheitliche Verknüpfungspunkte erhöhen außerdem die Sicherheit.

  • Web-2.0-Tools beispielsweise für Collaboration und Projekt-Management werden in Zukunft die Funktionspalette von Business-Applikationen erweitern. Ein weitflächiger und damit effizienter Einsatz dieser Werkzeuge ist jedoch nur innerhalb einer konsolidierten Anwendungslandschaft sinnvoll. Sonst droht ein Schnittstellen-Chaos.