Weltweite Untersuchung über die computergestützte Fertigung

CIM-Streit: Vollintegration ist nicht gefragt

17.04.1987

HANNOVER (CW) - "Die CIM-Träume sind der Wirklichkeit gewichen", faßte Hanns G. K. Schwimann, Vice President des New Yorker Beratungsunternehmens Booz, Allen & Hamilton, die Ergebnisse einer Umfrage bei 50 international aktiven Industrieunternehmen zusammen. Weitere Erkenntnis: Bestenfalls ein Drittel der Anwender ist an der Vollintegration interessiert.

Noch bis vor kurzem, so Schwimann vor Journalisten auf der Hannover-Messe Industrie, hätten Futurologen die menschenarme, papierlose und vollautomatisierte Fabrik für die nahe Zukunft versprochen. In der betrieblichen Realität habe sich jedoch gezeigt, daß dieses Fernziel technisch, organisatorisch, psychologisch und finanziell nur langsam in Form von funktionalen Teil-Lösungen erreichbar sei.

Typischerweise beginne der Weg mit der Automatisierung einzelner Fertigungsbereiche mittels Computer und entwickle sich dann zu flexiblen Fertigungszellen. Der erste Integrationsschritt schließlich sei die Verbindung des CAD-Systems des Konstruktionsbüros mit der Fertigung.

In den kommenden fünf Jahren, machte der Vice President des Beratungsunternehmens noch zögernden Firmen Mut, würden auch die innovativsten Unternehmen in erster Linie die Automatisierung von Produktionszellen und flexiblen Fertigungszellen betreiben. An der Vollintegration seien ohnehin kaum mehr als ein Drittel der Firmen ernsthaft interessiert. Grund: Sie bringt zwar die letzten 25 Prozent des erwarteten Rationalisierungspotentials, ist dafür aber mit enormen Kosten und Risiken verbunden.

Immerhin steige die Zahl erfolgreicher CIM-Anfänge, konstatierte Schwimann. Doch lasse die betriebswirtschaftliche Analyse zur Rechtfertigung des CIM-Einsatzes noch zu wünschen übrig. Sie werde oft zu traditionell und engstirnig, zu "buchhalterisch" gesehen.

Nur Nuancen machte Schwimann in der CIM-Motivation vor dem unterschiedlichen traditionellen Hintergrund der einzelnen Industrienationen wie auch aufgrund branchenspezifischer Bedingungen aus. Die Amerikaner beispielsweise hätten neuerdings vor allem die strategische Bedeutung erkannt. CIM-Software sei in den amerikanischen Werken der hauptsächliche Schwerpunkt der nächsten Jahre.

Für die meisten Japaner gehöre dagegen gleichmäßig hohe Qualität seit langem zum Alltag. Sie konzentrierten ihre CIM-Aktivitäten jetzt auf Kostensenkungen sowie auf rasche Produktänderungen als entscheidende Faktoren einer Wettbewerbsstrategie. Die Europäer haben sich, so Schwimann in Hannover, die Automatisierung der Werkstätten und eine erhöhte Flexibilität in der Produktion als vordringliche Nahziele gesetzt. Die europäischen CIM-Anwender unterstrichen ganz besonders die Vorteile flexibler Fertigungstechniken für die in Europa traditionell kleineren Losgrößen.

Doch kein Licht ohne Schatten: Vom operationellen und vom wirtschaftlichen Gesichtspunkt her öffneten sich völlig neue, fundamental anders strukturierte Welten der Fertigung, betonte Schwimann, die vom Management oft nicht völlig beherrscht würden. Vor allem von gravierenden Personalproblemen auf der Meister- und mittleren Führungsebene wußten alle von Booz, Allen & Hamilton befragten Unternehmen zu berichten. Schwimann nannte beispielsweise den Widerstand, Neues zu lernen, interne Machtkämpfe oder den Mängel an Experten.