Neue Migrationsprodukte erleichtern Downsizing

CICS/6000 steht im Zentrum des Interesses der Mainframer

21.05.1993

IBM hat die Unix Expo im Jakob Javits Convention Center in New York als Plattform fuer mehrere Ankuendigungen genutzt, die beweisen sollten, dass die RS/6000 eine ernstzunehmende Downsizing- Alternative fuer den Mainframe-Sektor darstellt. Obwohl zwei neue Modelle, die 580 und die 980, angekuendigt wurden, lag der Schwerpunkt dieses Mal doch auf der Softwareseite.

CICS/6000 (Customer Information and Control System) war das zentrale Thema der Ankuendigungen. Als vollstaendige Implementation des Mainframe-CICS ermoeglicht CICS/6000 eine problemlose Migration von bestehenden CICS-Anwendungen. IBM schaetzt, dass die letzteren zusammen bis zu einer Milliarde Zeilen Code enthalten, also bei weitem die groesste OLTP-Umgebung darstellen. Die Neuorientierung von IBM beruecksichtigt einen Marktbereich, der durch aehnliche Produkte fuer Unix-Plattformen von VI Systems, Dallas, und Integris, Billerica (Massachusetts), entstanden ist. Wenn IBM einen Marktbereich unter die Lupe genommen hat, kann es jedoch sehr schnell gehen.

Neue Mainframe-Anwendungen auf Unix

Eine unabhaengige Studie von Infocorp sagt aus, dass 42 Prozent aller Mainframe-Benutzer beabsichtigen, alle neuen Anwendungen auf Unix-Plattformen zu implementieren. Banken, Industrie und Vertriebsgesellschaften nutzen CICS intensiv fuer Anwendungen auf Mainframes.

IBM hatte eigentlich keine andere Wahl, als sich diesem sehr starken Trend anzupassen, um im Rennen zu bleiben. Den nach Schaetzungen ungefaehr 300 000 Programmierern mit CICS-Faehigkeiten, die sich von vorhergehenden Trends vielleicht etwas vernachlaessigt fuehlten, bieten sich nun wirklich vielversprechende Alternativen im Bereich der offenen Systeme.

Darueber hinaus ist CICS/6000 zu AIX/DCE (Distributed Computer Environment) kompatibel, was auch Teil der Ankuendigung war. AIX/DCE ist eine Familie von Produkten, die von der Open Systems Foundation (OSF) lizenziert wurden und Funktionen wie Fern- Prozeduraufrufe, gemeinsame Dateinutzung, Zeitsynchronisation und Sicherheits- und Verzeichnisfunktionen bieten.

DCE-Kompatibilitaet bewahrt den Programmierer vor Bedenken bezueglich der Kommunikation, da die anfallende Belastung auf die Prozessoren verteilt wird und gemeinsame Dateien von mehreren Maschinen genutzt werden.

Da es sich bei DCE um einen offenen Systemstandard handelt, ist es moeglich, Anwendungen in Netzen verschiedener Hersteller zu betreiben.

DCE wird von grossen Unix-Firmen wie Hewlett-Packard, DEC und NCR unterstuetzt. Auch Novell Netware nutzt die Produkte intensiv. Einige Marktbeobachter sind der Meinung, dass DCE der derzeit wichtigste Faktor der offenen Systeme und der Computerindustrie im allgemeinen ist. Der Anwendungsbereich reicht weit ueber transaktionsorientierte Verarbeitung hinaus bis hin zu verteilten Dokumenten (Document distribution).

CICS/6000 gemeinsam mit Encina angekuendigt

Die neuen AIX/DCE-Produkte werden in ungefaehr drei bis fuenf Monaten zur Verfuegung stehen. CICS/6000 soll ab Juni 1993 zu nutzen sein. CICS/6000 wird fuer die RS/6000-Server zwischen 8240 und 65 900 Mark und fuer Clients 668 Mark kosten. AIX/DCE Cell Directory und Security Server werden mit einem Preis von 7640 Mark angeboten, und das Base-Service-Modul schlaegt mit 980 Mark zu Buche.

Da IBM festgestellt hatte, dass CICS seit zwanzig Jahren verwendet wird, also nicht mehr zeitgemaess sein kann, wurde CICS/6000 gemeinsam mit Encina angekuendigt. Encina ist ein OLTP-Erzeugnis von Transarc Corporation, einem Joint-venture von IBM, Hewlett- Packard, der Carnegie Mellon University und einigen anderen Herstellern. Das Produkt laeuft ebenfalls auf DCE.

Es wuerde fuer Mainframe-Benutzer Sinn machen, CICS-Anwendungen auf der RS/6000 mit CICS/6000 zu nutzen und neue Anwendungen mit Encina zu entwickeln. Encina bietet fortgeschrittene Funktionen wie Datenbank-Update, Fehlerbearbeitung, Protokollierung, Verwaltung, Transaktionsplanung und Performance-Optimierung.

Der Encina-Server kostet je nach RS/6000-Modell zwischen 5825 und 46 610 Mark. Der Preis des Structured Fileservers schwankt zwischen 4535 und 36 280 Mark; Peer-to-peer-Executive und Gateway kosten von 1301 bis 10 410 Mark.

Von Bedeutung ist auch, dass der Grossteil der Hersteller von relationalen Datenbank-Verwaltungssystemen wie Oracle, Informix, Ingres und Sybase angekuendigt haben, Unterstuetzung fuer Encina beziehungsweise CICS/6000 in bezug auf AIX/DCE anzubieten. Das grosse offene System der 90er Jahre nimmt allmaehlich Gestalt an.

Big Blues Ankuendigung enthielt viele Erweiterungen von IBM- Produkten und Erzeugnissen anderer Hersteller wie auch neue Angebote im Softwarebereich.

Erwaehnenswert scheinen Softdist/6000, Unitree, System Monitor/6000 und die Unterstuetzung fuer AIX Software Development Environment (SDE) von 20 CASE-Anbietern. Softdist/6000 erlaubt verteilte Anwendung von Software sowie Patch distribution fuer Benutzer mehrerer CPUs und Software-Anbieter. Unitree von General Atomics automatisiert die Verwaltung von Speicherelementen durch transparentes Plazieren von Dateien in Peripheriegeraeten abhaengig von Kosten und Haeufigkeit der Verwendung. System Monitor/6000 ermoeglicht lokale Netzknoten-Verwaltung in Kombination mit Netview/6000 in der gleichen Art und Weise, wie eine Subkonsole die S/36-Konsolenfunktion dezentralisiert.

Die evolutionaeren Ankuendigungen von IBM hatten allerdings nicht das Gewicht der letzten High-end-Server-Ankuendigungen von Hewlett Packard. IBM sollte Konkurrenten wie Sun Microsystems und DEC im High-end-Bereich im Auge behalten. Hewlett Packard hat einen Superscalar-Architektur-Chip entwickelt, der IBMs Precision- Architektur entspricht. HP verfuegt auch ueber Multiprozessoren, die ein Vier-Wege-System ermoeglichen. IBM ist also nicht mehr der Vorreiter in bezug auf MIPS.

Mit 24 Prozent mehr Leistung als die 970 ist die neue 980 die leistungsfaehigste RS/6000. Sie wird normalerweise mit 64 MB Hauptspeicher und 2,74 GB Plattenspeicher geliefert und kann auf 1 GB Hauptspeicher und 163 GB Plattenspeicher aufgeruestet werden. Der Grossteil der Leistungssteigerung beruht auf der schnelleren Taktzeit von 62,5 Megahertz (anstatt von 50 Megahertz der 970).

Die 580 ist das neue Top-Deskside-Modell und verfuegt ebenfalls ueber eine Taktzeit von 62,5 Megahertz. IBM ist der Meinung, ihre Leistung waere gleich der der 980, also um 37 Prozent schneller als die der 560. Das neue Modell enthaelt auch einen schnelleren Microchannel-Architektur-Bus, der zuvor nur auf der 970 zur Verfuegung stand. Wie die 980 wird das neue Deskside-Modell mit 64 MB Hauptspeicher geliefert. Die Platte hat eine Standardkapazitaet von 2 GB und kann auf 7,2 GB aufgeruestet oder durch externe Plattenlaufwerke auf 50 GB erweitert werden.

Alle 5XX- und 9XX-Modelle koennen auf das Niveau der Versionen 580 und 980 gebracht werden. Diese beiden Produkte stehen bereits zur Verfuegung. Als Server kostet die 580 mit einem 3,5-Zoll- Diskettenlaufwerk, einem 5,25-Zoll-Laufwerk und AIX 3.2 135 930 Mark. Der Preis der 980 beginnt bei 294 720 Mark inklusive 3,5- Zoll-Laufwerk, 5-GB-Bandlaufwerk, CD-ROM-Laufwerk, SCSI-drawer und AIX 3.2. IBM hat Preisreduzierungen von 14 beziehungsweise 18 Prozent fuer seine 340- und 350-Desktop-Modelle angekuendigt. Weiter wurde ein schnelleres Modell fuer die 2XX-Familie versprochen, das einen Power-PC-Mikroprozessor beinhalten wird.

AIX 3.3 wurde nicht angekuendigt

Darueber hinaus hat IBM mehrere neue SCSI-2-Plattenlaufwerke angekuendigt: Ein 3,5-Zoll-Exemplar mit 200 MB fuer die 220 zu einem Preis von 2975 Mark, eine 3,5-Zoll-Ausfuehrung mit 1 GB fuer die Modelle 220, 3XX und 5XX zum Preis von 7350 Mark und ein 5,25- Zoll-Plattenlaufwerk mit 2,4 GB fuer die 5XX-Modelle fuer 16 630 Mark. Es wurden auch mehrere neue 0,25-Zoll, Vier- und Acht- Millimeter-Laufwerke, ein neues ueberschreibbares optisches Laufwerk fuer Multimedia-Anwendungen und eine neue 128-MB-Speicherkarte angekuendigt, die zum Aufruesten der 340- und 350-Modelle auf 256 MB und der Modelle 550, 560, 580 und 980 auf 1 GB verwendet werden kann.

Nicht angekuendigt wurde bemerkenswerterweise AIX 3.3, was eigentlich in Fachkreisen erwartet wurde und zusaetzliche Leistung durch Compiler-Optimierung bringen sollte. Da auch sonst nicht alle Ankuendigungen wie erwartet eintrafen, wird es doch noch etwas dauern, bis die RS/6000 offiziell als kommerzielle Anwendungsplattform gelten kann. Wenn IBM seine Vertriebskraefte darauf schult, die RS/6000-Produktfamilie als Ersatz fuer Mainframes anzubieten, besteht die Chance, Hewlett-Packard und anderen die Stirn zu bieten.

*Al Saavedra ist Redakteur der Midrange Computing USA; sein uebersetzter Beitrag ist aus dem 3x/400-Magazin 3/93 aus dem ITP-Verlag, Kaufering uebernommen.