DV-Integration: Realität und Konzepte klaffen noch weit auseinander

CIB löst CIM und Bürokommunikation ab

17.02.1989

CELLE (dow) - Unternehmen bleiben langfristig nur wettbewerbsfähig bei integriertem Rechnereinsatz für die gesamte Auftragsabwicklung und Leistungserstellung. "Computer Integrated Business" (CIB) ist der Begriff. der diese Forderung nach Meinung der Experten auf dem zweiten Kongreß des Technologiezentrums Nord (TZN) "Fabrik der Zukunft -Zukunft der Fabrik" am deutlichsten beschreibt.

Fachlich begleitet wird die Kongreßreihe, die im März mit Referaten zu den Themen Just-in-Time und Expertensysteme fortgesetzt wird, von Professor Hans-Jörg Bullinger und seinen Mitarbeitern vom Stuttgarter Fraunhofer-lnstitut für Arbeitswissenschaft und Organisation (FhG IAO). Den rund 150 Teilnehmern aus dem gesamtem Bundesgebiet wurden während der zweitägigen Veranstaltung in der niedersächsischen Kleinstadt sowohl Beiträge aus der Praxis zu CIM und Bürokommunikation als auch über betriebswirtschaftliche Probleme angeboten.

Probleme in der Praxis

Die Trennung der Veranstaltung in ein Forum "Die CIM-fähige Fabrik" und ein weiteres mit dem Titel "Büroautomatisierung" machen die Probleme der Praxis deutlich: Von einer Integration beider Bereiche sei man noch weit entfernt, stellte Bullinger fest. Nach wie vor erfolge die Planung der Informationstechnologie in den meisten Unternehmen noch zweigleisig: Auf einer Schiene würde die Computerunterstützung in der Produktion im Rahmen von CIM integriert, auf dem anderen Gleis entstehe die Computerunterstützung von Büroprozessen.

Verläßt man die Planungsebene 6 und steigt man in die Niederungen der Praxis herab, werden die Probleme noch klarer: Integrationskonzepte lassen sich selten auf einer "grünen Wiese" umsetzen. Im Produktionsbereich zum Beispiel seien die Verantwortlichen damit beschäftigt, gewachsene Insellösungen Schritt für Schritt in ein Gesamtkonzept zu integrieren, stellte J. Warschat vom FhG IAO in seinem Eröffnungsvortrag fest.

Integration von DV-lnsein

Trotz negativer Erfahrungen in der Vergangenheit sei es auch möglich, in kleinen und mittleren Unternehmen ClM zu realisieren, machte Referent Jürgen Schmid den Zuhörern Mut. Der Geschäftsführer der Ingenieurgesellschaft für Arbeitswissenschaft mbH aus Stuttgart verwies darauf, daß zum Beispiel die CAD-Einführung in den meisten Unternehmen heute bereits über die Lernphase hinausgewachsen sei. Kurzfristige Tagesroutinen müßten jedoch um langfristige Planungsaufgaben ergänzt werden, die auch bisher vernachlässigte Funktionsbereiche wie die Material- und Auftragssteuerung einbeziehe.

Mit Blick auf die Praxis stellte der schwäbische Berater fest, daß oftmals auch fehlendes Equipment die Integration in den Unternehmen behindere: Als Beispiel nannte er geeignete Rechner für den Fertigungsbereich, "die Cola- und Schmutz-resistent seien".

Noch mehr Schwierigkeiten als in der Fertigung haben die Planer, wenn sie im Bürobereich DV-Konzepte durchsetzen wollen. Für diesen Bereich seien realisierbare Nutzungskonzepte und Anforderungen der Arbeitsplätze in der Regel nicht bekannt, führte Joachim Niemeier, ebenfalls Mitarbeiter am Fraunhofer-Institut, in seiner Standortbestimmung zum Thema Bürokommunikation aus. Für Planer und Organisatoren von Informations- und Kommunikationssystemen werde die Produkte- und Systemvielfalt am Markt immer weniger überschaubar.

Das Unbehagen an Rationalisierungskonzepten für das Büro äußerte sich in Celle auch an der - verglichen mit den zeitgleich stattfindenden ClM-Vorträgen- geringen Beteiligung der DV-Praktiker am Forum Bürokommunikation. Ursachen für die Zurückhaltung der DV-Leiter in diesem Bereich sieht Niemeier auch bei der Bewertung der Kosten, die auf der Geräte-, Software- und Wartungsseite relativ einfach, jedoch auf der Leistungsseite nur schwer zu erfassen seien.

Fazit der Veranstaltung in Celle: Die angesprochenen Aspekte zum Thema Integration brachten sicherlich nützliche Einzelhinweise. Die Integration der DV für den Büro- und Fertigungsbereich fand aber auch hier nur mental, nämlich in den Konzepten der DV-Avantgarde statt Treffend ist da wohl die Schlußfolgerung eines DV-Praktikers beim Verlassen der Veranstaltung: "Wenn ich nur zwei Prozent von dem umsetzen kann, was ich hier gehört habe, dann bin ich schon ein ganzes Stück weiter".