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Ciao.com dreht den Geldhahn langsam zu

04.01.2001
Mit einem neuen, für die Kunden weniger lukrativen Bonusmodell will Ciao.com seine Cash-Burnrate verringern. Das bisherige System war zu teuer und barg zu viele Missbrauchsmöglichkeiten.

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - In einem offenen Schreiben hat sich heute Frederick Paul, Vorstand des Münchner Meinungsportals Ciao.com AG, an die registrierten Mitglieder gewandt. Er bemüht sich darin um Schadensbegrenzung: Die Company hat - ohne deutlich genug darauf hinzuweisen - zum Jahreswechsel ihr bisheriges Bonusprogramm gestrichen und durch eine deutlich weniger lukrative Regelung ersetzt.

Für alle, die Ciao.com und ähnliche Angebote nicht kennen: Jedermann kann sich dort registrieren und seine persönlichen Erfahrungen mit Waren oder Dienstleistungen schildern - die Betreiber sehen dies als "unabhängige Verbraucherberatung". Wenn andere Nutzer eine Meinung lesen, bekommt deren Autor dafür Geld - im Falle Ciao.com waren dies bisher zehn Pfennig pro Abruf.

Bei gegenwärtig laut Betreiber mehr als zwei Millionen Beiträgen hat sich nun nicht unerwartet eine "enorm gestiegene finanzielle Belastung" eingestellt, die Ciao.com als einen Grund für die Einführung eines neuen Vergütungsmodells anführt. Außerdem wolle die Company die Qualität der eingestellten Inhalte sicher stellen. In den vergangenen Monaten hätten "einige Mitglieder Ciao zu ihrem finanziellen Vorteil ausgenutzt", klagt Paul in seinem Schreiben. Dabei habe es "verschiedenste Arten des gezielten Missbrauchs" gegeben.

Damit soll nun Schluss sein: Im Zuge des neuen Bonusprogramms gibt es nun unterschiedlich viel Geld pro Meinung - die Spanne bewegt sich zwischen zwei und sechs Mark pro 100 Lesungen. Die bisher üblichen zehn Mark für 100 Abrufe werden damit nicht mehr erreicht. Wer mehr Geld einstreichen möchte, kann sich aber über "Ciao Aktiv" mit Herstellern verkuppeln lassen und hoffen, dass er durch die Teilnahme an Meinungsumfragen, die Anforderung von Produktproben oder durch Aktivitäten bei neuen Ciao-Partnern Zusatzeinnahmen generiert. Die Betreiber versprechen außerdem, monatlich 25.000 Mark an ihre "besten Autoren" auszuschütten. Diese werden nach "Qualität der Meinung, Ehrlichkeit und Art des gewählten Produkts" ausgewählt. Vorstand Paul beteuert: "Glauben Sie mir: Die Änderungen beim Bonusprogramm werden sich langfristig zu unserem

gemeinsamen Vorteil auswirken."

Angesichts dessen stellt sich die Frage nach der Validität des Geschäftsmodells von Ciao.com und anderer Meinungsportale. Paul räumt in seinem Brief freimütig ein, dass der "Großteil der Zahlungen an Mitglieder bislang aus von externen Investoren bereitgestelltem Risikokapital" stammt - Ciao.com ist mithin ein klassischer "Cash-Burner". Bis Ende dieses Jahres werde das Unternehmen aber erstmals Gewinne erwirtschaften, verspricht der Ciao.com-Vorstand.

Kommentar

Wie aber soll das funktionieren? Ciao.com selbst erklärt, sein Geschäftsmodell sehe vor, "dass wir als unabhängiger Vermittler zwischen Verbrauchern und Anbietern bzw. Herstellern fungieren". Man müsse die Kosten durch "Mehrwertleistungen gegenüber unseren Geschäftspartnern" finanzieren. Das legt den Verdacht nahe, dass Ciao.com Benutzerdaten mehr oder weniger direkt an Hersteller verkauft. Der allgegenwärtige Verweis auf Datenschutz, Unabhängigkeit und Unverbindlichkeit wäre also Makulatur. Ob auf diese Weise genügend Geld in die Kassen von Ciao.com fließt, ist ohnehin fraglich, da neben den Ausschüttungen an die Nutzer unter anderem ja auch redaktioneller und technischer Aufwand finanziert werden müssen. (tc)