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Experte bemängelt fehlende langfristige Strategie

Chrysler will mit "Internet-Autos" aus der Verlustzone

26.03.2008
Von pte pte
Der angeschlagene US-Automobilhersteller Chrysler plant nach den enttäuschenden Verkaufszahlen für das abgelaufene Geschäftsjahr Internet-ausgestattete Modelle auf den Markt zu bringen.

Obwohl sich der Konzern über die Details der Umsetzung noch bedeckt hält, müssen Kunden, die diesen Service in Anspruch nehmen wollen, bereits über einen Internet-Anbieter verfügen. Wie das amerikanische Branchenportal "Internet Business Law Services" berichtet, soll der Mobilfunkriese Sprint Nextel exklusiver Partner von Chrysler werden. Für den Zweck der mobilen Datenkommunikation durch Wireless Fidelity (Wi-Fi) wie WLAN in Pkws will das Telekommunikationsunternehmen sein Netzwerk um fünf Milliarden Dollar aufrüsten. Ob der Service auch hierzulande angeboten werden soll, ist derzeit offen. Auf Anfrage von pressetext gab sich Chrysler Austria überrascht.

"Ein Internet-Zugang im Auto brauch man meiner Ansicht nach genauso wenig wie einen im Pkw angebotenen Friseurhaarschnitt. Man kann geteilter Meinung über diesen Vorstoß sein, dennoch bietet ein Großteil der bereits heute verkauften Handys Internet. Da Chrysler noch im Minus ist, sogar droht, Werke zu schließen und im Gegensatz zu General Motors seine Autos fast nur in den USA verkauft, scheint mir das Projekt eher kurzfristig angelegt zu sein", sagt Ferdinand Dudenhöffer, Professor für Automobilwirtschaft an der Fachhochschule Gelsenkirchen, im Gespräch mit pressetext. Laut dem Fachmann fehle es dem Konzern nach wie vor an einer langfristig ausgearbeiteten Strategie, die auch die seit Mai 2007 neuen Eigentümerverhältnisse mitberücksichtigt.

Der Experte sieht das aktuelle Vorhaben als ehrgeizigen Schritt in einer Marktnische, in der ein global immenser Verdrängungswettbewerb dominiert. Der Konzern könnte von dieser Idee insofern profitieren, als das man sich von der 2007 geplatzten Kooperation mit Mercedes Benz erholen wird, meinen Analysten. Der damalige 80-prozentige Eigentümer Chryslers verkaufte seinen Anteil nach abkühlenden Verkaufszahlen verlustreich an den US-Investmentfonds Cerberus Capital Management. "Trotz des damals eingetrübten Verkaufsumfelds kann man Konzern-Chef Dieter Zetsche nur zu dem Entschluss beglückwünschen, den angeschlagenen Konzernteil abzustoßen", so Dudenhöffer. Vor dem Hintergrund der krisengeschüttelten Vergangenheit ist sich Chrysler Product Development Chief Frank Klegon sicher, dass die "Internet-Option" neue Käuferschichten dazu gewinnt.

Der Service wird seit Jahresbeginn in bereits ausgelieferte Fahrzeuge durch Fachhändler nachträglich ergänzt und soll künftig ab Werk eingebaut werden. "Wir wollen, dass selbst das Radio zu einer WiFi-Schnittstelle wird", so Klegon. "Chrysler sollte berücksichtigen, dass auch Cerberus von der internationalen Finanzmarktkrise nicht unberührt geblieben ist. Von daher hat man doppelte Schwierigkeiten zu bewältigen. Mir erscheint es als sehr schwer vorstellbar, dass Chrysler mit seinen 'Internet-Autos' eine Million Fahrzeuge mehr verkaufen wird", meint Dudenhöffer gegenüber pressetext. Kritiker weisen unterdessen daraufhin, dass die Mobilinfrastruktur in den USA großteils eine Handy-Nutzung ermöglicht, dieser Service jedoch noch nicht in gleicher Weise für WiFi-Dienste flächendeckend zur Verfügung steht. (pte)