Binationales Unternehmen hat Probleme mit den Partnern, aber

Chip-Hersteller SGS-Thomson macht erstmals wieder Gewinn

26.02.1993

Im abgelaufenen Geschaeftsjahr 1992 steigerte SGS-Thomson den Umsatz um zwoelf Prozent auf 1,6 Milliarden Dollar - damit wuchs das franzoesisch-italienische Unternehmen um zwei Punkte staerker als der Halbleiter-Markt insgesamt. Der Betriebsgewinn sprang von sechs auf 127 Millionen Dollar, und erstmals seit 1989 konnte man einen kleinen Nettogewinn von drei Millionen Dollar melden. Im Vorjahr hatte SGS-Thomson noch einen Verlust von rund 100 Millionen Dollar ausgewiesen.

Verschuldung 1992 geringfuegig abgebaut

Dass der Konzern in den vergangenen Jahren trotz positiver Betriebsergebnisse in den Vorjahren nicht haeufiger schwarze Zahlen geschrieben hat, begruendet SGS-Thomson-Chef Pasquale Pistorio mit "den Investitionen, dem Rationalisierungsaufwand und der Zinslast, die nahezu den gesamten Cash-flow verzehrt" haetten. Nachdem 1992 die Verschuldung erstmals geringfuegig von 900 auf 800 Millionen Dollar abgebaut werden konnten, reichte die dadurch bedingte Senkung der Finanzkosten fuer den winzigen Reingewinn.

Den Rationalisierungsaufwand seit der Fusion von SGS Microelettronica und Thomson Semiconducteur im Jahr 1987 bezifferte Pistorio auf 350 Millionen Dollar. Im Zuge dieses Programmes legte der Konzern sieben von 22 Fabriken still, modernisierte seine Produktpalette und schuf geographisch ausgeglichenere Absatzmaerkte. Trotz der geringeren Zahl an Werken steigerte der Halbleiter-Hersteller die Produktion von 1,6 Millionen Stueck 1987 auf derzeit fast 2,5 Millionen. Bei nahezu doppelt so hohem Umsatz stieg der Anteil der aussereuropaeischen Verkaeufe im gleichen Zeitraum von 38 auf 45 Prozent.

Thomson-Chef haelt nach Buendnispartnern Ausschau

Die Angebotspalette von SGS-Thomson entspricht heute in etwa der Struktur des Gesamtmarktes, der sich bei 60 Milliarden Dollar Umsatz zu je einem Viertel auf Speicher, Standardprodukte, ICs sowie Mikroprozessoren aufteilt.

In der CMOS-Technik fuer ASICS glich der Konzern den urspruenglich technischen Rueckstand der beiden fusionierten Unternehmen seit 1987 aus. Das von der Entwicklung bis zur Serienfertigung vollintegrierte Werk Crolles in den Grenobler Alpen, in das nach und nach 600 Millionen Dollar investiert werden sollen, ist die einzige Anlage in Europa, die fuer 0,5-Mikron-Technik auf 8-Zoll- Wafern ausgelegt ist. Nicht ohne Stolz wies Pistorio darauf hin, dass von den vier Fusionspaaren der Halbleiter-Branche seit 1986 - neben SGS-Thomson kam es zu den Verbindungen National Semiconductor/Fairchild, AMD/MMI und Harris/GE - das franko- italienische Duo mit 14 Prozent jaehrlich die hoechste Wachstumsrate erzielte.

Allerdings raeumt Berufsoptimist Pistorio auch ein, dass nicht alle vor fuenf Jahren gesteckten Ziele erreicht wurden. Seither verbesserte sich SGS-Thomson in der Branchenrangliste nur vom 15. auf den 13. Platz, der Weltmarktanteil erhoehte sich zaghaft von 2,5 auf 2,7 Prozent, und das Erreichen der Symbolmarke von fuenf Prozent, das der Chip-Produzent bereits fuer 1994 angepeilt hatte, wurde jetzt auf das Jahr 2000 verschoben.

Ungewiss ist in den kommenden Jahren auch, wie sich die an SGS- Thomson beteiligten Unternehmen entwickeln werden. So hinken die italienischen Partner (IRI, SIR, Fin Meccanica) mit der ersten Rate des seit Monaten zugesagten 50-ProzentAnteils an der Rekapitalisierung hinterher. Im vergangenen Jahr hatten sich Paris und Rom darauf verstaendigt, SGS-Thomson bis 1994/95 mit einer Milliarde Dollar frischer Mittel zu versorgen. Jean-Claude Hirel, Praesident der staatlichen Industrieholding CEA-I, dem neuen franzoesischen Haupteigner von SGS-Thomson, will bis Ende Februar in Rom die Fronten geklaert haben, zumal die Franzosen ihren Anteil an der ersten Rate bereits bezahlt haben. Angesichts der akuten Haushaltsprobelme Roms scheint derzeit unklar, ob die jetzigen italienischen Partner ueberhaupt an Bord bleiben werden.

Aber auch die franzoesischen Anteilseigner bereiten Pistorio Sorgen. So hat Thomson ab 1996 das Recht, sich aus dem franko- italienischen Unternehmen vollstaendig zurueckzuziehen. Darueber hinaus kaemen bei einem Wahlsieg der buergerlichen Parteien bei den Maerz-Wahlen in Frankreich auch bislang "heilige Kuehe" der franzoesischen Industriepolitik, etwa die SGS-Thomson- Gesellschafter France Telecom (FT) und CEA-I, zumindest fuer eine Teilprivatisierung in Frage. Deshalb haelt Pristorio vorsichtshalber schon jetzt nach neuen Buendnispartnern Ausschau. Seiner Meinung nach ist SGS-Thomson nur im Verein mit einem der maechtigen Pole der Halbleiter-Branche im naechsten Jahrtausend ueberlebensfaehig. Auf das Stichwort Siemens reagiert er dabei freilich eher ablehnend, denn die Probleme der Muenchner mit ihrem eigenen Halbleiter-Bereich sind ihm gut bekannt. Eher koennte er sich fuer Namen wie Alcatel, Bosch oder Daimler-Benz erwaermen.

Einen Japaner will der SGS-Thomson-Chef als kuenftigen Partner ebenfalls nicht ausschliessen. Immerhin verhandelt der binationale Chip-Konzern derzeit mit Mitsubishi ueber einen eventuellen Austausch von fernoestlicher DRAM-Technologie und franko- italienischem EPROM-Know-how.