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China nimmt heimische Softwareindustrie unter die Fittiche

07.03.2003

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Die chinesische Regierung will die einheimische Softwareindustrie vor übermächtigen Konkurrenten wie Microsoft oder Oracle schützen. Wie das Wall Street Journal berichtet, soll die State Informatization Leading Group, eine behördenübergreifende Task Force für den IT-Einsatz, beschlossen haben, im Rahmen der chinesischen E-Government-Initiative verstärkt auf heimische Produkte zu setzen. Der Kauf und Einsatz ausländischer Software müsse laut Aussagen von Insidern künftig vom Finanzministerium abgesegnet werden. Zwei Ziele verfolge die Regierung nach den bislang vorliegenden Informationen damit: die eigene Softwareindustrie zu fördern und die Sicherheit der staatlichen IT-Infrastruktur zu garantieren.

Sollte diese Regelung offiziell in Kraft treten, würde ausländischen Softwareanbietern der Zugang zum größten IT-Kunden Chinas deutlich erschwert. Im vergangenen Jahr brachten Softwareverkäufe in China einen Umsatz von rund zwei Milliarden Dollar. Davon flossen 35 Prozent in die Kassen einheimischer Anbieter. 65 Prozent gingen an ausländische Hersteller. Vor allem Microsoft, IBM und Oracle versuchen, sich eine gute Ausgangsposition für das China-Geschäft aufzubauen. Erst Anfang März vereinbarte Microsoft-Gründer Bill Gates mit chinesischen Regierungsvertretern, Teile des Windows-Source-Codes offenzulegen, um mögliche Vorbehalte gegen die Produkte aus Redmond abzubauen. Microsoft verkaufte laut International Data Corp. (IDC) 2002 Softwarelizenzen im Wert von 170 Millione Dollar im Reich der Mitte.

Microsoft wollte den neuen Kurs der chinesischen Regierung bislang nicht kommentieren. Man habe über inoffizielle Kanäle zwar von den Pläne erfahren, verfüge aber bislang über zu wenig Details, erklärte Olivier Richard, Microsoft-Sprecher für die asiatisch-pazifischen Raum. Außerdem hätten einheimische Unternehmen schon bisher viele Aufträge der Regierung erhalten, versucht Richard mögliche Folgen abzufedern. Microsoft kooperiere mit den Chinesen und biete meist ergänzende Produkte an. Analysten warnen davor, dass die chinesische Softwareindustrie nicht in der Lage sei, alle Anforderungen der anstehenden E-Government-Projekte zu erfüllen. Deshalb sei das Land auf Produkte aus dem Ausland angewiesen. Außerdem mache die Direktive deutlich, dass zumindest im E-Government-Sektor nach wie vor planwirtschaftliche Tendenzen zu spüren seien. (ba)