Chancen, Risiken und Rechte der Arbeitnehmer Die Uebertragung von Personal gestaltet sich haeufig diffizil

12.05.1995

Gruppensolidarisierung kann zum tragenden Element beim Outsourcing werden. Die Problemloesungskompetenz der "alten" DV-Abteilung ist beim externen Dienstleister in der Regel ebenso gefragt wie vorher im outsourcenden Unternehmen. Ziel dieses Beitrags von Wolfgang Komenda* ist es, Uebernahmeprobleme im Hinblick auf die Arbeitnehmer praxisnah darzustellen.

Outsourcing nennt sich die Radikalkur, mit der so manches Unternehmen seit der Rezession "schlanke" Strukturen hergestellt hat. Die Uebertragung von Unternehmensteilen auf einen spezialisierten Dienstleister wurde im Management speziell mittelstaendischer Unternehmen recht attraktiv. Eine wichtige Rolle spielten dabei Qualitaetsaspekte und die Know-how-Potentiale des Outsourcers. Ebenso wichtig ist

die Tatsache, dass sich die Kosten fuer die eingekauften Dienst-

leistungen haeufig besser kontrollieren und steuern lassen. Teilweise wird mit Einsparungen bis zu 20 Prozent gerechnet. Soviel zur Motivation des Managements.

Auf der Seite der Arbeitnehmer loest allein die Ueberlegung, zum Beispiel die gesamte DV-Abteilung, also auch Personal, Hard- und Software, an einen externen Dienstleister zu uebertragen, Aengste und Unsicherheiten aus. Outsourcing gilt - je nach Outsourcer und Branche auch nicht ganz zu Unrecht - auf Arbeitnehmerseite geradezu als Inbegriff von Sozialabbau durch Lean Management, modernen Menschenhandel etc.

Alte Konditionen fuer die Dauer eines Jahres

Die Uebertragung der Mitarbeiter stellt einen Bereich des Outsourcings dar, der aus verschiedensten Gruenden mit viel Bedacht durchgefuehrt werden muss. Bei einem Betriebsuebergang nach Paragraph 613 Buergerliches Gesetzbuch (BGB) - das ist der Normalfall beim Outsourcing - gehen die Mitarbeiter der outgesourcten Betriebseinheit automatisch mit allen Rechten und Pflichten auf das outsourcende Unternehmen ueber. Juristisch betrachtet, haben die Beschaeftigten theoretisch vier Moeglichkeiten:

- Sie kuendigen und suchen sich einen neuen Arbeitgeber.

- Sie machen von ihrem gesetzlich garantierten "Widerspruchsrecht" Gebrauch. Dann muss der Arbeitgeber nachweisen, dass die von dem Arbeitnehmer ausgeuebte Aktivitaet in Zukunft im Unternehmen nicht mehr vorhanden sein wird. Gelingt dieser Nachweis, sind die normalen Kuendigungsschutzmechanismen wirksam.

- Der Arbeitnehmer wechselt zum Outsourcer. Dann garantiert der Betriebsuebergang nach Paragraph 613 BGB die Gueltigkeit aller Konditionen, Tarifvertraege, bestehenden Arbeitsvertraege und aller sonstigen Vereinbarungen wie beispielsweise Betriebsvereinbarungen des "alten" Arbeitgebers fuer die Dauer eines Jahres.

- Der Arbeitnehmer wechselt zum Outsourcer und akzeptiert, ohne die Schutzdauer von einem Jahr abzuwarten, sofort den angebotenen neuen Arbeitsvertrag des Outsourcers.

Soviel zu den grundsaetzlichen juristischen Rahmenbedingungen. In der Praxis haben bei Origin die ersten beiden Moeglichkeiten, also Kuendigung und Widerspruchsrecht, keine Bedeutung erlangt. Bisher gab es nur sehr wenige Faelle, in denen eine Kuendigung im Zusammenhang mit dem Outsourcing erfolgt ist, wobei sich natuerlich schwer beurteilen laesst, welche tatsaechliche Bedeutung die Auslagerung als einer von vielen Gruenden fuer eine Kuendigung im Einzelfall hatte. Von der zweiten Moeglichkeit, dem Widerspruchsrecht, ist bei Origin bislang bei keiner Gelegenheit Gebrauch gemacht worden. Dies vor allem deshalb, weil Origin von vornherein bei den Verhandlungen bemueht ist, im Vorfeld fuer alle Beteiligten langfristig tragbare Loesungen - in problematischen Faellen auch im "alten" Unternehmen - zu finden.

Den Betriebsrat als erstes einbeziehen

Die Erfahrung bei Origin ist, dass etwa 90 Prozent der uebertragenen Mitarbeiter die vierte Option waehlen, also die von Origin angebotenen Arbeitsvertraege sogleich akzeptieren. Die restlichen etwa zehn Prozent akzeptierten die Origin-Arbeitsvertraege im Laufe des Jahres ohne juristische Streitigkeiten (Aenderungskuendigungen etc.).

Die Einbeziehung des Betriebsrats als erste Massnahme bringt Sicherheit. Hier sind insbesondere intensive Personalinterviews wichtig. Sie sollten bereits in der Phase gefuehrt werden, in der noch ueberlegt wird, ob es ueberhaupt sinnvoll ist, outzusourcen. Auch die betriebsverfassungsrechtlichen Instanzen sollten, noch bevor Vertraege geschlossen werden, eingeschaltet werden. Offene Information ueber das outsourcende Unternehmen und die dort herrschenden Arbeitsbedingungen koennen fuer alle Beteiligten sehr viel mehr Sicherheit in den gesamten Uebernahme- prozess bringen.

Zunaechst einmal Angst und Unruhe

Verstaendlicherweise sorgt bereits die Ueberlegung, ob denn Teile eines Unternehmens ausgelagert werden sollen, zunaechst einmal fuer Angst und Unruhe.

Zunaechst zu den Risiken: Jede groessere unueberschaubare Veraenderung loest Unsicherheiten aus und wird als riskant betrachtet. Gemildert werden sie vor allem dadurch, dass sich erfahrungsgemaess sehr schnell eine Gruppensolidaritaet in den fuer Outsourcing in Frage kommenden Abteilungen im Sinne von "Wir bleiben zusammen" herauskristallisiert; sie wird vom Outsourcer meist bewusst unterstuetzt. Schliesslich geht es nicht darum, Arbeitskraefte als Einzelpersonen "einzukaufen" - sie koennten ohnehin auf dem Arbeitsmarkt beschafft werden -, sondern eine funktionsfaehige Gruppe zu uebernehmen und zu erhalten, die vorhandene Probleme des Unternehmens kennt und bewaeltigen kann. Wird den Mitarbeitern bewusst, dass ihre Gruppe zusammenbleibt, so nimmt dies bereits einen Teil der empfundenen Unsicherheiten.

Auch die nuechterne Betrachtung der Alternativen mindert subjektiv empfundene Aengste: Verglichen werden muessen die Alternativen,

- in einem Unternehmen zu bleiben, das die Anzahl der Dienstleister fuer die Datenverarbeitung reduzieren oder begrenzen will,

- oder zu einem Unternehmen zu wechseln, das eventuell vielfaeltige Berufschancen bietet.

Nicht selten steigen fuer die uebernommenen Mitarbeiter die Moeglichkeiten zur qualifizierten Aus- und Weiterbildung. Waehrend in der "alten" Firma die Taetigkeit der Datenverarbeitungsspezialisten oft nur als Randgebiet betrachtet wurde, arbeiten sie jetzt fuer einen Arbeitgeber, der sich ausschliesslich um diesen Bereich kuemmert.

Die Mitarbeiter sollten bei einem Wechsel vor allem versuchen, die Chancen wahrzunehmen, ihren eigenen Marktwert durch neue Spezialisierungen und breitere Berufserfahrungen zu steigern. Bevor sie sich fuer ihren neuen Arbeitgeber entscheiden, ist es ratsam, ihn auch daraufhin zu ueberpruefen, ueber welche Verfahren zur Personalentwicklung er verfuegt; welche Fortbildungsmassnahmen vorgesehen sind, welche Aufstiegschancen jeder fuer sich ausrechnen kann.

Zum Schluss noch eine Anmerkung zum Thema Gehalt. Kuerzungen der Bezuege mit allen Konditionen sind aufgrund der geltenden Gesetze im Laufe des ersten Jahres nicht vorgesehen. Im Sinne der Gleichbehandlung von Arbeitnehmern wird jedoch versucht, bei Gehaeltern, die nicht in die Struktur des Outsourcers passen, zwar nicht das Gehalt zu senken, aber die Anforderungen an die Leistungen im Rahmen der individuellen Massnahmen zur Personalentwicklung hoeher zu stellen. Dass auch in dieser Frage ein Beratungsunternehmen, das letztlich von der Motivation seiner Mitarbeiter und Berater lebt, mit viel Einfuehlungsvermoegen und hohen Fuehrungsqualitaeten arbeiten muss, erklaert sich eigentlich von selbst.