DMS-Anbieter hoffnungslos überschuldet - Vorstände Brintrup und Wenzke in Haft

Ceyoniq AG meldet Insolvenzverfahren an

19.04.2002
MÜNCHEN (gh) - Mit dem Insolvenzantrag der Ceyoniq AG geht ein weiteres Kapitel am Neuen Markt ruhmlos zu Ende. Der Anbieter von Dokumenten-Management-Systemen (DMS) musste einer waghalsigen Expansionspolitik Tribut zollen.

Wie kritisch es um das einst als Highflyer am Neuen Markt gehandelte Unternehmen stand, war Insidern seit Wochen bekannt - spätestens, als die Bielefelder am 11. März in einer drastischen Umsatz- und Gewinnwarnung für das abgelaufene Geschäftsjahr 2001 den Ernst der Lage zumindest andeuteten (siehe CW 13/02, Seite 12: "Ceyoniq macht Kassensturz"). Gleichzeitig hatte der Ende Dezember 2001 zurückgetretene Vorstandschef Jürgen Bintrup wieder das Ruder übernommen, um zu retten, was zu retten war. Jetzt konnte auch der Mitbegründer der vor elf Jahren unter dem Namen CE Computer Equipment AG gestarteten Company die Zahlungsunfähigkeit nicht mehr abwenden. Mit den dürren Worten einer nur dreizeiligen Pflichtmitteilung ("Die Ceyoniq AG beantragte am 12. April 2002 das Insolvenz-Eröffnungsverfahren beim zuständigen Amtsgericht. Zum vorläufigen Insolvenzverwalter wurde Dr. Hartmut Stange, Bielefeld, bestellt.") ging das zunächst letzte Kapitel der Firmengeschichte zu Ende.

Glaubt man Insidern, schnürten den Bielefeldern zuletzt Bankverbindlichkeiten von mehr als 100 Millionen Euro die Luft ab, die März-Gehälter für die zuletzt noch 600 Mitarbeiter konnten nicht mehr oder nur teilweise überwiesen werden. Dies bestätigte auch der Ceyoniq-Betriebsrat gegen-über der in Bielefeld erscheinenden Tageszeitung "Neue Westfälische".

Schon Monate zuvor kursierten in der Branche Gerüchte, dass Ceyoniq Rechnungen nur verspätet und unvollständig bezahle und zugleich einen hohen Berg von Forderungen an Kunden und Geschäftspartner vor sich herschiebe. All dies waren Indizien für einen nachhaltigen Vertrauensverlust im Markt, der sich auch auf die Umsatzentwicklung des Unternehmens ausgewirkt haben dürfte. Wie dramatisch die aktuelle Situation war, dürfte auch die Tatsache dokumentieren, dass Ceyoniq bis zum heutigen Tag keine Zahlen für das vierte Quartal 2001 ausgewiesen hat. Nimmt man den Umsatz für die ersten neun Monate in Höhe von 89,6 Millionen Euro als Bezugsgröße, konnten die Bielefelder gemäß ihrer Mitte März veröffentlichten Jahresbilanz im Schlussquartal des vergangenen Jahres Einnahmen von lediglich 12,5 Millionen Euro verzeichnen.

Anzeige wegen BetrugsÜber die genauen Gründe der Pleite und die weitere Entwicklung kann derzeit nur spekuliert werden. Sowohl seitens Ceyoniqs als auch des zuständigen Insolvenzverwalters war bis Redaktionsschluss keine Stellungnahme zu erhalten. Wie am vergangenen Dienstag noch bekannt wurde, sind Vorstandschef Brintrup und sein Vorstandskollege Thomas Wenzke inzwischen festgenommen worden. Nach Angaben des zuständigen Oberstaatsanwaltes Klaus Pollmann hat ein Geldinstitut Strafanzeige wegen Betrugs gestellt. Gleichzeitig habe, so die "Neue Westfälische", das Bundesaufsichtsamt für Wertpapierwesen ein Verfahren wegen Insiderhandels eingeleitet.

Fest dürfte in jedem Fall stehen, dass sich die Bielefelder vor allem mit der vor gut einem Jahr eingefädelten Übernahme des US-amerikanischen Wettbewerbers Treev übernommen haben. Das Engagement entpuppte sich finanziell als Fass ohne Boden; erhoffte Synergieeffekte im Produktbereich und vor allem im Vertrieb kamen nie zum Tragen. Aber auch in Deutschland hatte Ceyoniq, wie Insider kritisieren, mit einer Reihe kleiner Übernahmen kein glückliches Händchen bewiesen und deshalb zuletzt zu hohe Kosten zu tragen. Der weltweite Konjunktureinbruch tat dann sein Übriges, so dass die Gläubigerbanken das Vertrauen in die Company verloren.

Ob es nun zu einer Zerschlagung des Unternehmens, der Gründung einer Auffanggesellschaft oder einem Management-Buyout kommt, werden die nächsten Wochen zeigen. Entsprechende Spekulationen - vor allem in letztgenannte Richtung - gibt es, lassen sich aber derzeit nicht erhärten. Offen ist bis auf weiteres auch die Zukunft der Ceyoniq-Beteiligung (60 Prozent) an der Group Technologies AG, für die zuletzt bereits ein Käufer gesucht wurde. Der in Karlsruhe ansässige Security-Anbieter, der ebenfalls am Neuen Markt notiert ist, reagierte jedenfalls umgehend: Trotz des Insolvenzantrags des Mehrheitsgesellschafters Ceyoniq sehe man das eigene Unternehmen "nicht gefährdet", hieß es in einer noch am selben Tag veröffentlichten Ad-hoc-Mitteilung.