CeBIT virtuell: 450 000 zuviel

27.03.1992

Es ist gar nicht so einfach, auf der CeBIT einen Herstellervertreter zu finden, der nicht in Fatalismus macht. SNI Chef Hans-Dieter Wiedig scheint sich hinter dem Rücken einer IBM, die rote Zahlen schreibt, sogar ausgesprochen wohl zu fühlen. Genüßlich zählt er auf, wer außer SNI von den Großen der DV Branche noch Verluste ausweist. Die Nennung der Firmennamen würde den Rahmen dieser Kolumne sprengen - im wahrsten Sinne des Wortes.

Ein Name wäre nicht darunter: Sun Microsystems. Sun-Chef Scott McNealy hat aber auch so keine Lust, sich in ein Schema pressen zu lassen. Der Mann spricht aus, was ihm zum Markt und zur Konkurrenz einfällt. Von der CeBIT frisch auf den Redaktionstisch: "Unstable molecul" - gemünzt auf den IBM-Apple-Pakt. Und schärfer zur selben Sache: "Das Luftschiff Hindenburg kurz vor der Explosion." Direkte Wettbewerber, so McNealy, sollten sich eben nicht zusammentun.

Bemerkenswert auch, was der Sunnyboy der Workstation-Industrie über die Ursachen der Branchenkrise sagt: Aufgebläht das Ganze, jetzt entweicht die Luft. Gemeint ist die IBM-Welt, die Welt der Mainframes, der proprietären Systeme. Gemeint ist überdies, was Big Blue vom Rest der Welt, von der BUNCH, übrig gelassen hat.

McNealy stellt dazu eine verblüffende Vergleichsrechnung an: Müßten IBM & Co. ihre MIPS, ihre Rechen-Power, zu einem heute marktüblichen Preis verkaufen, zu einem Preis auf Workstation-Niveau, dann würde der Umsatz nur noch ein Bruchteil dessen betragen, was die Mainframer bisher für ihre Kisten fakturieren. Anschaulicher kann man Overselling nicht beschreiben.

Daß die Anwender nicht mehr bereit sind, das Overselling-Spiel mitzumachen, sieht McNealy als die große Herausforderung für die DV-Hersteller an. Downsizing sei das Gebot der Stunde, Downsizing aber auch in dem Sinne, daß der Apparat angepaßt werden muß - IBM & Co. haben Übergewicht.

Abnehmen, ohne Substanz zu verlieren: Leichter gesagt als getan. Wir erleben gerade, wie schwer sich die IBM tut, zu einem normalen Maß zu finden. Entlassungen waren stets tabu. Mit natürlicher Fluktuation wird man das Problem nicht lösen. Denken wir daran, daß bei Big Blue eine Radikalkur ansteht - ,die McNealy Rechnung kann sonst nicht aufgehen.

Der Sun-Chef hat uns auf eine Idee gebracht: Wenn die DV-Industrie für ihre wahre Größe zu schwer ist, dann ist es die CeBIT auch. Welch eine Vorstellung: Hannover muß das Messe-MIPS zu einem marktüblichen Preis verkaufen. Dann käme man mit drei Hallen aus, pendelte sich die Besucherzahl bei 50 000 ein. Zu schön, um wahr zu sein. Scott McNealy kann träumen, Otto Messebesucher nicht.