CeBIT: Trotz herber Kritik noch keine Konsequenzen

01.03.1991

Keineswegs eitel Sonnenschein herrscht bei den Ausstellern vor der CeBIT '91. Vereinzelt wird Kritik am Konzept laut. Doch eine geschickte Politik der Messe AG hat die Messe zur vermeintlichen Muß-Veranstaltung der Computerbranche hochgeschaukelt: Anwesenheit scheint beim Familientreffen der DV-Industrie Pflicht zu sein. Eine Kontrolle, ob sich die Teilnahme für die Aussteller tatsächlich lohnt,

findet kaum statt.

Jedes Jahr ein neuer Rekord - mehr Hallen, mehr Besucher und mehr Einnahmen für die Messegesellschaft -, das zeichnet die CeBIT aus. Interessenten aus allen Sparten der Computerei, ob Industrieanwender oder Spiele-Fans, drängen sich durch überfüllte Hallen auf der Suche nach den für sie richtigen Produkten. Das Szenario läßt eher auf einen Gemischtwaren-Laden als auf eine gut durchdachte Fachmesse schließen.

Unübersichtlichkeit, verkrustete Strukturen sowie die Kombination in Halle 1 von Büroartikel-Anbietern und lange etablierten Branchen-Veteranen stehen schon seit Jahren zur Debatte. "Eingefahrene Strukturen

laufen der Eigendynamik einer so schnell wachsenden Branche und damit der CeBIT als der bedeutendsten Messe stark zuwider", kritisiert ein Sprecher der deutschen Apple Computer GmbH. Obwohl ein Ausstellerbeirat im Messeausschuß vertreten ist, hat sich bisher, besonders was die Halle 1 betrifft, wenig geändert. So äußerte sich auch Sun Microsystems in einer Umfrage der CW: "Wir würden der Messegesellschaft empfehlen, die Halle 1 in die Themen-Struktur mit einzubeziehen. Heute spiegelt diese Halle mit ihrem Gemisch aus Möbeln, Organisationsmitteln, traditionellen Büromaschinen und etablierten Computerherstellern die Zusammensetzung der Branche vor zirka 15 Jahren wider." Auch Unisys wünscht sich eine Trennung der beiden Ausstellungsbereiche Bürofachartikel und Computerprodukte. "Man sollte den Mut besitzen, sich von Themen, die überholt sind, wieder zu trennen", meint schließlich PKI-Pressesprecherin Roswitha Theis.

Klasse statt Masse wäre aus Ausstellersicht gefragt. "Alle Diskussionen über Verbesserungen an der CeBIT oder Veränderungen der Messestruktur laufen auf ein Kernproblem hinaus: "Wie findet sich in der Fülle des Angebots der Interessent für eine bestimmte Fragestellung und der Anbieter, der diese Lösung hat", so Rüdiger Stubenrecht von ICL. Er folgert: "Eine Erhöhung des Informationsangebots durch noch mehr Sonderschauen, noch größere Stände und noch mehr Hallen führt entweder zu Absplitterungserscheinungen oder zu einer noch größeren Unüberschaubarkeit." Tandem-Geschäftsführer Romin Neumeister ist dergleichen Meinung: "Wir von Tandem suchen gar nicht so sehr die Superlative in Besuchermassen. Eine Trennung von tütensammelnden Kids und Endanwendern mit ihren legitimen Fragen nach kleinen und mittleren Anwendungen einerseits und andererseits reinen industriellen Interessenten, sagen wir im Bereich Telekommunikation oder Electronic-Cash - das wäre gut." Vorschlag von Tandem: Eine ordentliche Frühlings-Fachmesse von Montag oder Dienstag bis Freitag. Dem schließt sich der englische Hersteller Specialix an Georg Zink, Sales-Manager der deutschen Niederlassung, meint: "Die Messedauer ist zu lang. Die Einbeziehung eines kompletten Wochenendes ist Schwachsinn."

Kreativität bei den Veranstaltern sei gewünscht, so ICL, und dies nicht nur beim Verkauf von Stand-Quadratmetern. Doch bisher scheint für die Messe AG kein Anlaß gegeben zu sein, die Qualität der CeBIT zu überdenken. Die Hersteller üben zwar hinter vorgehaltener Hand Kritik, doch immer noch stehen sie Schlange, um einen Stand zu ergattern. Durch eine machtdemonstrierende Platzvergabe-Politik der Ausrichter gleicht die CeBIT einem Insider-Club mit Türsteher. Newcomer müssen sich erst hochdienen und jahrelange Treue beweisen, bis sie zum erleuchten Kreis der CeBIT-Aussteller gehören. "Intensive Gespräche mit den Verantwortlichen der CeBIT haben bei Compaq den Eindruck hinterlassen, daß auslaufende Verträge in erster Linie mit bisherigen Mietern verlängert werden. So sind neue Konzepte oder Marktkonstellationen nur sehr schwer zu implementieren", beurteilt Roland Härtner, Marketing-Direktor von Compaq, die Strategie der Messe-Verantwortlichen. An den Rand gedrängt fühlen sich Neueinsteiger wie Micro Focus. Nachdem die Wartelisten-Hürde bewältigt war, so das Unternehmen, habe man zur normalen Miete diverse Meter im Karree unter einer Rolltreppe zur Toilette und dem Durchgang zur Halle 1 zugewiesen bekommen. Würden diese Erstplazierungen nicht hingenommen, bestehe dem Unternehmen zufolge keine Chance zum "Verbessern" der Standposition. Dies gelte auch für jene, weiß Micro Focus zu berichten, die der Herde schon einmal angehörten, aber zeitbefristet einen Ausstieg wagten.

Daran mag es auch liegen, daß die alten "CeBITioniken" ihren Ausstellungsflächen in Halle 1 seit Jahren treu bleiben - ungeachtet des finanziellen Aufwands und der allgemeinen Wirtschaftslage des Unternehmens: Große Stände zur Repräsentation, nach dem Motto: "The show must go on." "Nur wenige Aussteller bemühen sich ernsthaft darum, ihren Messe-Erfolg systematisch zu überprüfen", äußert der Nürnberger Consulter Carlheinz Naumann, seit 30 Jahren Experte in Sachen Messe, in der "Süddeutschen Zeitung". Eine komplexe Erfassung aller Messekontakte fände kaum statt, das Berichtswesen bedürfe deutlicher Verbesserungen. Ferner sei die Einteilung der Besucher in bestimmte Qualifikationsklassen wichtig. Anhand dieser Daten könne die Relation zwischen den Gesamtkosten der Messebeteiligung sowie der Anzahl des Standpersonals und den getätigten Kontakten mit darauffolgenden Bestellungen errechnet werden. Ein derartiger Kosten-Nutzen-Aspekt scheint gerade auf der CeBIT zweitrangig zu sein. Die Rentabilität des Messe-Auftritts bewerten den Angaben zufolge die wenigsten Unternehmen nach diesem Maßstab. Präsenz aus Image-Gesichtspunkten - bei Philips nach eigenen Angaben ein Grund für die Teilnahme - hat offensichtlich auch bei anderen Computerfirmen Prioriät vor einer konkreten Erfolgskontrolle.

Naumann schlägt vor, mit genauen Daten einen aussagekräftigen Vergleich verschiedener besuchten Messen durchzuführen, um über eine künftige Messebeteiligung zu entscheiden. Die Antworten der Hersteller auf die CW-Umfrage lassen jedoch den Schluß zu, daß solche Vergleiche in nächster Zeit noch unter Ausklammerung der CeBIT stattfinden werden. Nur vereinzelt schlugen Anbieter andere Töne an - so die Hamburger Dr. Neuhaus GmbH. Das Unternehmen orientiert sich eigenen Angaben zufolge weg von der CeBIT und hin zu günstigeren Messen. Ein Sprecher der Control Data GmbH, die 1991 Hannover fernbleibt, redet ebenfalls Tacheles: "Bei der CeBIT sehen wir weder einen hohen Anteil an Entscheidungsträgern der Zielgruppe vertreten, noch befürchten wir einen Imageverlust in nennenswertem Maße." Konsequenzen, wie sie auch Micro Focus in Anbetracht des Standplatzes gezogen hat, sind selten. Hier hat die Geschäftsführung die Teilnahme abgesagt: Einmal nicht - nie mehr

CeBIT.