CeBIT-Rundgang/Verbesserungen nur im Detail Variantenkonstruktion und EDM sind neue CAD/CAM-Themen

03.03.1995

Von Eberhard Rademeier*

Nach mehr als 20jaehriger Entwicklung der CAD-Systeme fuer Maschinenbauanwendungen sind auf der CeBIT '95 weder Sensationen noch Technologiespruenge zu erwarten. Die angekuendigten Verbesserungen und Erweiterungen sollen eher die taegliche Arbeit erleichtern. Auffallend ist, dass sich viele der Hersteller von Unix-basierender Software der Parametrie- oder Variantenthematik angenommen haben.

Im Trend der CAD/CAM-Neuankuendigungen liegen die Verbesserung und der Ausbau der Systemhandhabung, weniger die Funktionalitaet. Ebensowichtige Entwicklungstendenzen bilden die Datenbankanbindungen und die relativ junge Technik des Engineering Data Management (EDM).

Modellierer

Erstaunlicherweise tut sich ebenso eine Menge bei den 3D-Solid- und Flaechenmodellierern. So wird Matra Datavision (Halle 21, Stand A 30) mit "Euclid/Designer" ein neues Produktmodelliersystem vorstellen. Das Paket basiert auf einem einheitlichen Step- Datenmodell und verfuegt ueber eine objektorientierte Benutzeroberflaeche und Datenbank. Ebenfalls mit einer kompletten Neuentwicklung wartet Autotrol (Halle 20, Stand C09) auf. "Mozaic" ist ein Feature-based-Modeler, der parametrische Volumenmodellierung erlaubt und ebenfalls auf einer objektorientierten Datenbank mit Namen "Objectivity" aufsetzt. In Richtung Feature-based-Modeler wurde auch bei ISD (Halle 20, Stand B 20) entwickelt: "Hicads" 3D-Parametrik basiert nun weitgehend auf dieser Technologie, ausserdem lassen sich in Hicad jetzt Regelkoerper beliebig verschneiden und verrunden.

"Cadds 5" in der Revision 6

(Computervision, Halle 21, Stand E 8) wurde in Richtung hybrider Modellierung erweitert. Fuer den Anwender bedeutet das, dass Modelle gemischt-parametrisch und nicht-parametrisch erzeugt werden koennen. Eine kontrollierte, das heisst steuerbare bidirektionale Assoziativitaet zwischen Modell und Zeichnung stellt sicher, dass alle Beteiligten stets mit den aktuellen Daten arbeiten, und sichert die Datenkonsistenz.

Auch der deutsche Anbieter Straessle (Halle 21, Stand G 57) hat bei seinem System "Konsys 2000" die 3D-Parametrie weiter verbessert. So aendert der Konstrukteur seine 3D-Formelemente nicht mehr wie bisher ueber ein sogenanntes Property-Sheet, sondern direkt ueber die Bemassung. Das funktioniert bei der neuen Version ebenso mit 2D-Konturen, die jetzt auch als Formelemente definierbar sind.

Fast alle Hersteller, speziell diejenigen mit neuen Systemen, betonen ausdruecklich die einheitliche Benutzeroberflaeche ueber alle Applikationen. Hier scheint der Druck von Anwenderseite doch einiges bewirkt zu haben.

Dass auch beim Thema Flaechenmodellierung noch nicht das letzte Wort gesprochen ist, zeigen die Neuvorstellungen von Icem Technologies (Halle 21, Stand C 30), MCS (Halle 21, Stand A 13) und ISD. "Icem Surf 2.0", ein 3D-Flaechenmodeller, der hauptsaechlich in der Automobil- und Zulieferindustrie eingesetzt wird, wurde im Hinblick auf globale Flaechenmodellierung verbessert. So ist es nun moeglich, beliebige Bauteile (Motorhaube, Kotfluegel, Tuer etc.) durch einen einfachen Mechanismus zusammenzufassen und global zu bearbeiten. Als direkte Anwendung dieser globalen Modelliertechnik enthaelt die Software einen ebenfalls neuen Loesungsansatz fuer die Flaechenrueckfuehrung. Dabei laesst sich ein vorhandenes CAD- Datenmodell mittels der globalen Modellierung sehr schnell an die Abtastdaten eines geaenderten Urmodells anpassen.

Der vor einem Jahr vorgestellte "Anvil Intelligent Modeler" (AIM) von MCS wurde ebenfalls im Bereich der Flaechenmodellierung weiterentwickelt. Hier wurde die Funktionalitaet des Flaechen- Clusters um die Moeglichkeit der automatischen Verrundung und des automatischen Trimmens erweitert. Auch bei Hicad von ISD wurde das Handling bei der Definition und der Bearbeitung von Freiformflaechen verbessert.

Der neue 2D-Sketcher, Bestandteil von "Professional Cadam V3R6", soll laut IBM (Halle 21, Stand C 13) in zwei Anwendungsbereichen eingesetzt werden: Zum einen unterstuetzt "Sketchit" die erste Entwurfsphase. Der Konstrukteur kann wie mit dem Bleistift skizzieren. Dabei beruecksichtigt der Sketcher Zwangsbedingungen wie Tangentialitaet, Konzentrik und Parallelitaet. So entsteht eine Variante, die ihre endgueltigen Abmessungen durch die Bemassung erhaelt. Zum anderen soll Sketchit die gesamte Prozesskette von der Altzeichnung bis hin zur NC-Fertigung vereinfachen.

Dazu werden Altzeichnungen eingescannt und die Rasterdaten in Professional Cadam eingelesen. Dieses Rasterbild wird mit Sketchit nachskizziert und die so entstandene Variante bemasst. Daraus ergibt sich ein Einzelteil, das an die NC-Programmierung uebergeben werden kann. So hat man wohl auch bei IBM/Cadam einen Schlussstrich unter die gegen Ende der 80er Jahre haeufig unternommenen Versuche gezogen, gescannte Altzeichnungen automatisch zu vektorisieren.

MCS hat den bereits erwaehnten AIM auch auf den 2D-Bereich uebertragen. Mit dieser Loesung wird die Erstellung von 2D- Zeichnungen in mehreren Ansichten und deren Parametrisierung vereinfacht, Aenderungen lassen sich in allen Ansichten durchfuehren. Interessant an dieser Neuvorstellung ist die Tatsache, dass Zeichnungen aus Fremdsystemen, die ueber Iges oder DXF importiert wurden, auf Knopfdruck parametrisiert werden koennen.

Die zahlenmaessig meisten Weiterentwicklungen im CAD/CAM-Bereich betreffen die Variantenkonstruktion beziehungsweise die Parametrik.

Engineering Data Management (EDM)

Es spricht fuer eine wachsende Reife (vielleicht auch Ernuechterung) der Branche, dass relativ neue Schlagworte und die dahinterstehenden Technologien nicht mehr zum Allheilmittel hochstilisiert werden, wie noch in den spaeten 80ern mit dem alles- oder nichtssagenden Kuerzel "CIM" geschehen. Gemeint sind in diesem Fall EDM-Systeme (Engineering Data Management). Es wird zwar allenthalben an deren Realisierung gearbeitet, die Vermarktung der Ergebnisse erfolgt aber wesentlich zurueckhaltender und offensichtlich auch mit einem realitaetsbezogenen Blick fuer den Stellenwert des Erreichten - die Anwender werden es zu schaetzen wissen. Was gibt es nun Neues?

ISD stellt datenbankbasierende Technologiemodule mit zugehoerigen Systemschnittstellen fuer NC, CAQ und BDE vor. Damit kann der Konstrukteur teilbezogene Inhalte definieren, beispielsweise Toleranzen oder Bearbeitungsparameter. Durch die Integration der nachgeschalteten Systeme fliessen diese Informationen automatisch in die weitere Verfahrenskette mit ein. Bei entsprechender Systemintegration koennen Hicad-Dokumente wie Fertigungszeichnungen oder Pruefskizzen durch EDM-Zugriff direkt in CAQ- oder BDE- Systemen angezeigt werden.

Als uebergreifendes Produktdaten-Management-System versteht Autotrol "Centra 2000", das die Firma urspruenglich fuer die NASA entwickelt hat und seit 1994 frei vertreibt. Die Software umfasst die Funktionsbereiche Dokumenten-Management, grafischer Arbeitsablauf, Aenderungs- und Konfigurations-Management.

CAD-Entwicklung

Zwei der befragten Anbieter setzen einen Trend fort, der bereits vor einem Jahr mit der Ankuendigung einer eigenen Entwicklungsplattform durch den amerikanischen Anbieter Cadkey markiert wurde: Matra Datavision stellt die Entwicklungsumgebung "Cascade/SF", Computervision seine Plattform "Pelorus" vor. Beiden gemeinsam sind die Objektorientierung sowie die Unterstuetzung von Standards oder De-facto-Standards wie Step und Corba. Mitgeliefert werden in der Regel Klassenbibliotheken fuer die Geometriemodellierung und die Datenverwaltung sowie Werkzeuge fuer die Entwicklung von Systemkernen und Benutzeroberflaechen.

Sinn und Zweck des nicht unerheblichen Aufwands beim Bau solcher Entwicklungsumgebungen sind eindeutig. Zum einen sollen die Entwickler im eigenen Haus mit Tools ausgeruestet werden, die die Weiterentwicklung beschleunigen und damit Kosten senken.

Zum zweiten sind die Anwendungsentwickler daran interessiert, spezielle Applikationen als Ergaenzung zum eigentlichen System zu bauen. Hier haben gerade diejenigen Systemanbieter einen gewissen Nachholbedarf, die aus der Unix-Welt kommen, denn sie koennen von der Fuelle von Zusatzapplikationen, wie man sie von Autocad her kennt, bisher nur traeumen. Anwendungsaufsaetze oder auch nur einfacheres Customizing bedeuten Wettbewerbsvorteile, speziell dann, wenn sich die Kernfunktionalitaeten der Systeme so weit angenaehert haben, dass daraus allein kein K.-o.-Kriterium mehr abzuleiten ist.

Ausserdem beguenstigen - besser erzwingen - die Standardisierungs- Bestrebungen bezueglich Benutzeroberflaechen wie X, OSF/Motif oder Windows solche Entwicklungen. Schliesslich ist es nicht einzusehen, dass sich Entwickler in die Tiefen der jeweiligen Oberflaechenphilosophie einarbeiten muessen, um konforme Applikationen zu schreiben. Solche Umgebungen bieten getestete Tools.

Zusaetzlich unterstuetzt Centra 2000 Concurrent Engineering, also die zeitgleiche Bearbeitung von Projekten durch unterschiedliche Personen. In eine aehnliche Richtung zielt Hewlett-Packard: Mit dem "Work-Manager" zeigt HP in Halle 20, Stand B 25, seine offene Produktdaten-Management-Loesung.

Schnittstellen

Schnittstellen sind ein nach wie vor dankbares Thema. So bietet "Mozaic" von Autotrol die Moeglichkeit, ueber sogenannte Gateways Zeichnungen ohne Informationsverlust aus anderen CAD-Systemen zu uebernehmen. Bei MCS hat man sich die VDA-FS-Schnittstelle von Anvil noch einmal vorgenommen. Hier lassen sich nun vor dem Datenexport bestimmte Parameter setzen, um das Ergebnis den nichtzertifizierten Schnittstellen anderer Systeme anzupassen.

Parametric Technology (Halle 21, Stand C 57) geht mit den Modulen "Pro/Legacy" und "Pro/Step" unterschiedliche Wege: Mit letzterem setzt das Unternehmen auf den Step-Standard (ISO 10303) zur Ein- und Ausgabe von Zeichnungen. Momentan wird das Applikationsprotokoll 203 unterstuetzt, das die konfigurationsgesteuerte, dreidimensionale Konstruktion von mechanischen Bauteilen und -gruppen behandelt. Pro/Legacy dagegen dient der Weiterbearbeitung von Fremddaten innerhalb Pro/Engineer. Auf direkte Schnittstellen setzt Rasna (ebenfalls Halle 21, Stand C 57), Anbieter von "Mechanica". Diese Optimierungssoftware verfuegt nun ueber Direkt-Interfaces zu Pro/Engineer von PTC und zu "Unigraphics II", Version 10.3, von EDS. Die Weiterentwicklungen und Neuvorstellungen zeigen, dass die existierenden Schnittstellen- Standards doch nicht alle Anforderungen abdecken.

NC-Module

Auch am Ende der Prozesskette scheint es noch Nachholbedarf gegeben zu haben und immer noch zu geben: Immerhin fuenf Softwarehersteller kommen mit neuen NC-Modulen zur CeBIT. MCS verbesserte die Drahtschneide-Bearbeitung und stellt zusaetzlich einen allgemeinen NC-Postprozessor vor. Mit "NC-Post" ist es moeglich, beliebige Postprozessoren fuer bis zu Vier-Achsen-Bearbeitung selbst zu definieren. Auch bei "Catia" (IBM) wurde die NC-Programmierung durch eine automatische Definition der Schruppbearbeitung mit vollstaendiger Werkzeugdarstellung vereinfacht.

Anwender von Konsys 2000

(Straessle) haben nun die Moeglichkeit, Drei- bis Fuenf-Achs- Fraesprogramme zu simulieren und das Verhalten sowie die Beschaffenheit von Werkstueck, Aufspannlage, Maschine und Werkzeug zu pruefen. Die Auswertung erfolgt entweder durch grafische Simulation der Werkzeugbahnen oder durch Kollisionskontrolle.

In "Euklid V.4" des gleichen Herstellers wurden vor allem die Basisfunktionen fuer die dreiachsige Bearbeitung verbessert. Hier kann das Werkzeug jetzt kollisionsfrei auf einer gegebenen Raumkurve bewegt werden. Hewlett-Packard schliesslich stellt mit dem Modul "Sheet-Advisor" eine Software fuer den Entwurf und den Zuschnitt von Blechteilen vor.

* Eberhard Rademeier ist freier Fachjournalist in Heiligkreuzsteinach.