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CeBIT: "Auf Vorrat stellen wir nicht mehr ein"

17.03.2003

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Der IT-Arbeitsmarkt zwischen Hoffen und Bangen - unter diesem Motto eröffnete das CW-Karrierezentrum die erste Diskussion auf der diesjährigen CeBIT. Chancen ja, aber nur für wenige, lautete dann auch der Tenor der Personalchefs auf dem Podium.

"Wir beobachten den Arbeitsmarkt derzeit sehr vorsichtig und stellen nur gezielt ein", bremst Personalchefin Corinna Diederichs vom mittelständischen Softwarehaus 3Soft gleich zum Diskussionsauftakt allzu überschwängliche Erwartungen. Die Unternehmen können sich die besten Bewerber heraussuchen. Für 3Soft sind das vor allem Hochschulabsolventen - 90 Prozent aller Beschäftigten bei dem Erlanger Softwarehersteller haben studiert. Vor allem planen die Unternehmen ihren Personalbedarf nicht mehr ohne Aufträge. Accenture-Partner Frank Mang: "Früher haben wir Leute vorausschauend akquiriert. Wenn das Projekt dann erst in zwei Monaten kam, war das okay. Heute stellen wir niemanden mehr auf Vorrat ein."

In einem Punkt sind sich die Diskussionsteilnehmer einig: Die Anforderungen an die Bewerber sind spezifischer geworden. Wer einen Job im IT-Sektor sucht, muss genau auf die ausgeschriebene Stelle passen. Die Bereitschaft, junge Bewerber lange aus- und weiterzubilden, ist gesunken. Michael Wagenknecht von Sun Microsystems stellt fest: "Vor drei Jahren waren noch mehr Firmen gewillt, in die Ausbildung der neu gewonnenen Mitarbeiter zu investieren. Jetzt sind die Skills alle auf dem Arbeitsmarkt vorhanden."

Auch für gut ausgebildete Spezialisten besteht aber kein Anlass zur Euphorie: Klaus Trautmann, IG-Metall-Vertreter bei IBM, berichtet, dass das Mainzer Werk für Speichersysteme Ende des Jahres geschlossen wird und auch hoch qualifizierten Arbeitnehmern die Arbeitslosigkeit droht: "IBM muss 500 Leute aus Mainz intern woanders unterbringen. Aber wegen des Outsourcing-Deals mit der Deutschen Bank werden stattdessen zusätzliche Leute von der Bank übernommen." Da gebe es kaum noch Möglichkeiten für interne Versetzungen.

Der Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien e.V. (BITKOM) fängt ebenfalls keine positiven Arbeitsmarktsignale auf: Laut Branchenverband verschwanden im vergangenen Jahr 35.000 Stellen in der Informations- und Telekommunikationsbranche. Für 2003 rechnen die Experten mit dem Verlust von 10.000 weiteren Jobs. Diese Zahl werde sich noch erhöhen, wenn es zu einem Krieg im Irak komme, so BITKOM-Sprecher Volker Jung.

Die Podiumsgäste des Karrierezentrums warnten, dass vor allem jene Beschäftigten von Arbeitslosigkeit bedroht seien, die es in den letzten Jahren versäumt haben, sich weiterzubilden. IG-Metall-Vertreter Trautmann erinnerte die Unternehmen an ihre Pflicht, Fortbildungsmöglichkeiten anzubieten. Sun-Personalchef Wagenknecht hakt ein: "Performance-Management spielt eine große Rolle." Die Devise können nur lauten, Teammitglieder entweder fitter zu machen oder auszutauschen.

Bisher konnten sich Unternehmen wie Accenture auf eine natürliche Fluktuation von zwölf bis 18 Prozent pro Jahr verlassen. Mitarbeiter, die das Beraterleben leid waren, bekamen problemlos lukrative Angebote von anderen Firmen. Inzwischen muss Accenture-Partner Frank Mang einräumen, dass Beschäftigte, die eigentlich nicht mehr wollen, aus Mangel an Alternativen im Unternehmen verharren. Microsoft-Personalchef Albert Hakkers und seine 3Soft-Kollegin Diederichs sind hingegen stolz auf niedrige Fluktuationsraten von drei beziehungsweise null Prozent. Zum Stichwort Performance-Management sagt Hakkers: "Die letzten zehn Prozent, die so genannten Low Performer, entlassen - das funktioniert nicht." Microsoft führe lieber zweimal im Jahr Development-Gespräche mit seinen Mitarbeitern. Diederichs ergänzt: "Natürlich müssen unsere Mitarbeiter etwas leisten. Aber sie bekommen in Form von Sportmöglichkeiten während der Arbeitszeit und Weiterbildung auch etwas

dafür." Ziel müsse es sein, eine Win-win-Situation für Unternehmen und Beschäftigte gleichermaßen zu schaffen.

In einer Lockerung des Kündigungsschutzes sehen manche Diskutanten allerdings kein geeignetes Mittel um den Arbeitsmarkt zu flexibilisieren. IG-Metall-Mann Trautmann erinnert sich: "1996 gab es unter Bundeskanzler Kohl schon einmal eine Lockerung des Kündigungsschutzes. Beschäftigungsmäßig hat das gar nichts gebracht." Für die IG Metall verfügen Arbeitgeber bereits über ausreichende Kündigungsoptionen: Bereits jetzt können Unternehmen neu eingestellte Mitarbeiter innerhalb der Probezeit von in der Regel sechs Monaten problemlos entlassen. Außerdem seien befristete Beschäftigungsverhältnisse für die Dauer von bis zu 24 Monaten möglich.

Microsoft-Mann Hakkers wünscht sich dennoch mehr Flexibilität im Arbeitsgesetz. Für ihn sei es keine Option, einen Mitarbeiter während der Probezeit an die Luft zu setzen. Man müsse auch später noch leichter entlassen können. Auch Sun-Vertreter Wagenknecht beklagt, dass eine spätere Trennung nur über Abmahnungen oder Aufhebungsverträge möglich sei - beides komplexe Vorgehensweisen, die sich manchmal über sechs Monate hinzögen. (bw)